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Petra Schwienbacher
Veröffentlicht
am 07.04.2014
LeuteAuf a Glas'l

Der Bestatter

Veröffentlicht
am 07.04.2014
Der Tod ist sein ständiger Begleiter: Jonas Christanell spricht offen über ein Tabuthema und erklärt, wie man dem Tod am besten begegnet.
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Jonas Christanell hat einen nicht alltäglichen Beruf: Er ist Bestatter und Präsident von trauerhilfe.it, einem Zusammenschluss von Bestattern, die ein Infoportal zum Thema Trauer und Tod geschaffen haben. Rund um die Uhr ist er für Hinterbliebene erreichbar.

Ich treffe Christanell in seinem Büro in Naturns. An den Wänden hängen ein Kreuz und seine vielen Diplome. Der ausgebildete Erziehungswissenschaftler hat Psychologie und Recht studiert und den theologischen Abschluss in Religionswissenschaften gemacht. Das sei wichtig für seine Arbeit, so der 34-Jährige. Er zeigt mir den Raum voller Särge und Urnen, der an sein Büro angrenzt. Hier stehen Schmuckurnen für Aschekapseln in allen möglichen Formen, daneben die Särge: Ein heller mit Schnitzereien aus Sibirischer Lärche, daneben einer aus Fichte mit goldenen Tragegriffen. Ein schlichter Sarg aus Esche steht oberhalb eines opulenten aus Pinie. Es gibt sie mit oder ohne Äste, mit verschiedenen Nägeln, Modelle für Männer und Frauen. Ich könne sie ruhig anfassen, sagt Christanell. Zugegeben, ein etwas komisches Gefühl. „Beim Ansehen der Särge wird einem das Endliche noch bewusster“, sagt der Bestatter und damit hat er recht. „Den Sarg auszuwählen ist für die Angehörigen das Schwierigste.“

Warum wird man Bestatter? Gab es ein prägendes Erlebnis in Ihrer Vergangenheit?
Es war eine bewusste Entscheidung, Bestatter zu werden, weil ich es anders machen wollte. Ich wollte vor allem die theologische und pädagogische Komponente mit einbringen. Es ist bei uns so, dass das Berufsbild des Bestatters nicht geregelt ist, es gibt keine Voraussetzungen, die jemand mitbringen muss, obwohl es so ein sensibler Beruf ist und man das unbedingt bräuchte. Einmal wegen des hygienischen Aspekts und dann vor allem aufgrund der Trauerbegleitung: Der Bestatter ist der erste Ansprechpartner. Er kommt in die Familie und begleitet sie in den ersten schwierigsten Tagen. Beim Trauerprozess ist das die Phase, in der man die Trauer in die richtige Richtung lenken kann. Ohne Ausbildung ist das nicht möglich.

Was sind die Aufgaben eines Bestatters?
Die beginnen beim Bürokratischen, wie Dokumente erledigen und den Sarg vorbereiten, und reichen bis zur hygienischen Grundversorgung. Ich habe zusammen mit zwei weiteren Bestattern aus Südtirol, einer aus Sterzing und der andere aus Bruneck, eine Ausbildung gemacht, wie man einen Verstorbenen würdevoll hygienisch herrichtet: vom Anziehen bis zur entsprechenden Kosmetik und Wundversorgung. Dann muss auch die Trauerfeier organisiert werden. Ich koordiniere alles mit den Ämtern, richte die Kapelle her, schalte Todesanzeigen in der Zeitung, entwerfe die Sterbebilder und Partezettel, erstelle bei Bedarf mit den Angehörigen zusammen einen Lebenslauf des Verstorbenen, bereite die Fürbitten vor und bespreche, wie alles funktioniert. Vor allem aber sind wir Ansprechpartner in Fragen zur Trauer. Wie man zum Beispiel mit Kindern in der Trauer umgeht: Wie bringt man es ihnen bei, damit sie besser damit zurechtkommen. Für sie ist es besonders schlimm, wenn Eltern, aber auch Großeltern sterben.

Ist es nicht schwierig, 24 Stunden für Hinterbliebene erreichbar zu sein?
Ja, es ist ein sehr anspruchsvoller Beruf. Wir stehen bereit, auch wenn es drei Uhr in der Früh ist, der eigene Geburtstag oder Weihnachten. Der gute Bestatter ist rund um die Uhr da. Es ist für die Leute sehr wichtig, einen Ansprechpartner zu haben. Meist ist es schon beruhigend, wenn sie wissen, was auf sie zukommt. Auch ein Erstgespräch am Telefon kann dabei helfen.

Woher schöpfen Sie die Kraft dazu?
Ich habe eine tolle Frau (lächelt). Es ist schwierig, weil man mit ganz gravierenden und traurigen Situationen in Kontakt kommt. Es ist deshalb wichtig, dass man jemanden hat, mit dem man darüber sprechen kann und natürlich ist es bei mir auch der Glaube, der mir sehr viel gibt. Der Grundgedanke des Christlichen ist ja, dass es mit dem Tod nicht zu Ende ist. Mir gibt auch das Gute, das ich den Leuten tun kann, sehr viel. Ich kann die Angehörigen in der schweren Zeit begleiten und unterstützen.

Wie gehen Sie vor, wenn jemand Sie kontaktiert und sagt, ein Angehöriger sei verstorben? Wie helfen Sie?
Als erstes biete ich an, vorbeizukommen. Von der Floskel, Beileid zu wünschen, nehme ich Abstand. Da ich nicht alle Leute kenne, die bei mir anrufen, ist es oft nicht angebracht. Dann gehe ich zu den Hinterbliebenen nach Hause, in ihre vertraute Umgebung und führe dort das Trauergespräch. Es ist ganz wichtig, dass man erst mal nur Zuhörer ist. Man muss sich die Zeit nehmen, die Angehörigen erzählen zu lassen. Der erste Schritt im Trauerprozess ist, alles was einen belastet, von der Seele zu reden. Es ist für Angehörige leichter, wenn ein Außenstehender zu ihnen kommt, mit dem sie darüber sprechen können.
Dann weise ich auch auf die hygienischen Umstände hin. Die Heizung soll abgeschalten werden, außerdem soll der Oberkörper des Verstorbenen in einem Winkel von etwa 30 Grad gelagert werden. So wird das friedliche Bild des Schlafenden erhalten. Dadurch, dass das Blut nicht mehr zirkuliert, würde das Gesicht beim normalen Liegen durch den Blutstau blau werden und das ist für Angehörige ganz schlimm. Auch die Umgebung spielt psychologisch gesehen eine große Rolle. Ich achte darauf, dass der Raum nicht dunkel ist, sondern dass viel Licht hereinkommt. Kinder lasse ich ganz viel zeichnen. Das Bild können sie dem Verstorbenen dann mitgeben. Ich biete auch an, dass wir den Verstorbenen zusammen ankleiden, das ist der letzte Dienst, den man dem Menschen erweisen kann. Das ist für die Angehörigen am Anfang sehr schwer, aber in der Zeit danach sind sie sehr dankbar dafür. Erst dann gehe ich zu den Fakten über, was jetzt alles passiert und was zu organisieren ist. Die Leute haben eine große Unsicherheit, was auf sie zukommt.

Was kann ich zu Angehörigen sagen, die einen lieben Menschen verloren haben? Kann man überhaupt etwas sagen?
Es kommt darauf an, in welchem Verhältnis man zu dem Angehörigen steht. Oft sind ein Händedruck, eine Umarmung, wenn sie angebracht ist, und das Kraft wünschen viel mehr Wert, als das übliche Beileid.

Vor einer Woche ist in Innsbruck eine Südtiroler Studentin mit gerade einmal 22 Jahren gestorben. Wie gehen Angehörige damit um, wenn jemand so jung aus dem Leben gerissen wird?
Je jünger der Mensch ist, desto schwieriger die Situation. Wir haben das klassische Bild im Kopf: Wir werden geboren, wachsen heran, leben unser Leben, werden alt und gehen erst dann. Dies sind Extremsituationen, mit denen die Leute konfrontiert werden. Sie passen nicht in unser Bild, deswegen ist es umso wichtiger, dass man nichts überstürzt. Man muss den Angehörigen den Zeitdruck nehmen und nicht sagen: innerhalb von drei Tagen muss die Beerdigung sein. Es können fünf Tage aber auch sieben Tage sein, damit man einerseits realisieren, was passiert ist und andererseits bewusst Abschied nehmen kann.

Wieso ist der Tod ein solches Tabuthema?
Der Tod ist wieder zu einem Tabuthema geworden. Früher war es eigentlich nicht so, der Tod war realer. Durch medizinische Unterversorgung und Kriege sind mehr Leute gestorben. Die Zeiten haben sich zum Glück geändert, aber das ist auch der Grund, dass wir uns heute alle jung und gut fühlen und den Gedanken an den Tod verdrängen. Man befasst sich nicht damit. Heute kommt eine Person im Laufe seines Lebens mit durchschnittlich drei bis vier Todesfällen in Kontakt und wir versuchen uns alle davor zu drücken. Es gibt einen schönen Spruch: „Wir sahen lange die Sonne untergehen und erschraken doch, als es Nacht war.“ Das zeigt viel von der heutigen Mentalität.

Wie sollte man mit dem Tod umgehen?
Man soll nicht die Augen davor verschließen und nicht negativ über den Tod denken, sondern einfach offen über seine Ängste sprechen. Das ist auch Aufgabe der Religion. Die ältere Generation hat einen ganz anderen Bezug zum Tod, das erfahre ich ganz oft und das liegt glaube ich an der Prägung durch den Glauben, die sie erfahren haben. Das fehlt heute in Bezug auf den Tod.

Welche Erfahrungen machen Sie, wenn Sie zu einem Todesfall gerufen werden?
Es ist ganz unterschiedlich. Ich komme zu Leuten, die gefasst sind, zu Leuten, die mit dem Verstorbenen viel geklärt haben und sehr ruhig sind. Manchmal komme ich aber auch in Situationen, die sehr schwierig sind, wo die Leute aufgelöst sind und weinen. Besonders dort ist es wichtig, Ruhe hineinzubringen.

Kann man sagen, dass es schlimmer ist, einen Menschen unerwartet zu verlieren, als wenn man darauf vorbereitet ist?
Man kann nicht sagen, es ist schlimmer oder weniger schlimm. Wenn jemand plötzlich verstirbt, hat man sicher nicht die Zeit, sich zu verabschieden oder noch das ein oder andere zu sagen. Aber wenn jemand schwer krank ist, lange Zeit leidet und im Sterben liegt, muss man dabei zusehen. Oft sagen die Leute: „Er war ja schon 90 Jahre alt.“ Das finde ich ganz schlimm, weil auch wenn jemand 90 Jahre alt ist, ist er eine Mama, ein Tata oder ein Opa. Der Bezug ändert sich nicht und wird teilweise auch noch stärker, weil die Bindung intensiver ist.

Wie teuer ist ein Bestatter? Kann man sich heutzutage überhaupt eine Beerdigung leisten?
Der Preis ist etwas ganz Schwieriges. Es gibt einige, die sagen, eine Beerdigung kostet soundsoviel. Aber das kann man nicht pauschalisieren. Wenn jemand in Innsbruck stirbt, dann ist die Beerdigung teurer. Man muss die Überführung zahlen, braucht einen Zinksarg. Wenn jemand in der Stadt stirbt, ist es teurer, als wenn jemand auf dem Land stirbt. Dann kommt es auf die Menge der Kränze an und auf die Größe der Todesanzeige. Der Bestatter hat viele Fremdleistungen in seinem Preis drin und er finanziert die gesamte Beerdigung vor. Auch spielen die Grabkonzessionen, welche ein Bestatter teilweise vorstreckt, eine beachtliche Rolle, was dann auch mehrere tausend Euro sein können. Das ist dann auf der Rechnung des Bestatters, hat mit ihm aber nichts zu tun. Ich lege mich deswegen nicht fest, weil jede Preisgarantie vorab gelogen wäre.

Vor allem in Deutschland tauchen immer wieder unseriöse Bestatter in den Schlagzeilen auf, die die Trauer der Menschen ausnutzen. Gibt es solche schwarzen Schafe auch bei uns?
Generell gibt es in jedem Beruf schwarze Schafe. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, hier ist alles in Ordnung. Im Verhältnis zu anderen Regionen Italiens oder anderen Ländern muss man aber sagen, Südtirol ist ein gutes Land. Es läuft transparenter und in geregelteren Bahnen ab.

Wie hart ist es, als Bestatter zu überleben?
Es ist schwierig, heute als Bestatter bestehen zu können, weil es viele gibt. Außerdem braucht es große Investitionen, bis man alle gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Man hat keinen Urlaub und der Beruf wirkt sich stark auf das soziale Umfeld und vor allem auf die Beziehung aus. Ich glaube, das macht den Beruf schwierig. Außerdem ist es eine körperlich harte Arbeit, man muss technisch versiert sein und hat keinen geregelten Ablauf. Bei mir kann es sein, dass ich den ganzen Tag über nichts zu tun habe und von acht Uhr abends bis sechs Uhr in der Früh bin ich dann auf den Beinen, schlafe eine Stunde und dann geht es weiter. Das ist belastend. Man muss mit der Situation umgehen können, mit dem Tod, der sich in all seinen Facetten zeigt.

Wie gesund ist es, tagtäglich und ständig mit dem Tod konfrontiert zu sein?
Abgesehen von der körperlichen Belastung, die sicherlich zu schaffen macht und an der alle Bestatter leiden, geht es auf die Psyche, wenn man nicht darüber redet. Wenn jemand zu mir sagt, er könne mit jeder Situation umgehen und es mache ihm nichts aus, ist das nur ein Verdrängen. Wenn man Sachen verdrängt, kommen sie eines Tages wieder. Wenn man aber darüber redet und den Bezug zum Glauben hat … Ich will kein religiöses Gespräch führen (lacht), aber der Glaube ist einfach ein wichtiges Element, zumindest für mich.

Gibt es Leute, die vor ihrem Tod alles geregelt haben wollen?
Es gibt sie, aber leider zu wenige. Die Angehörigen würden sich dann nämlich in ihren Entscheidungen viel leichter tun. Es waren schon einige Leute hier, mit denen ich alles besprochen habe. Sie sagten mir, ich möchte da und da aufgebahrt werden, ich möchte dieses Lied, dieses Foto … Die Angehörigen wissen dann, wenn es so weit ist, was sich der Opa oder der Vater gewünscht haben. Das wirkt befreiend. Sonst machen sie sich Gedanken, ob die Mutter zum Beispiel lieber rote oder violette Blumen mochte oder ob ihr das Foto gefallen würde. Es wäre also für alle von Vorteil: einerseits, weil man sich selbst damit auseinandersetzt und andererseits, weil man den Angehörigen viel erspart.

Haben Sie selbst schon einige Dinge geregelt?
Jein. Ich gehöre auch ein bisschen zu der Kategorie, die das Thema noch ein bisschen verdrängt. Ich habe aber schon meine Sachen, die mir gefallen, über die ich auch mit meiner Frau spreche, weil wir recht viel darüber reden. Ich bin eher der schlichte Typ. Wir sagen oft, wenn es mal so weit ist, dann möchte ich es so und so haben. Dann hat man schon ein gewisses Bild vom Beerdigungsablauf.

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