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Christoph Franceschini war 17 Jahre lang Politikjournalist bei der „Neuen Südtiroler Tageszeitung“ und immer wieder für einen Scoop gut. So war er an der Aufdeckung des SEL-Skandals mitbeteiligt. Seit kurzem arbeitet er freiberuflich für das Nachrichten- und Communityportal salto.bz, das zwar noch in den Kinderschuhen stecke, aber großes Potential habe, so er selbst. Franceschini ist auch Filmemacher mit einer besonderen Vorliebe zur Südtiroler Zeitgeschichte (für seine Dokumentation „Bombenjahre“ erhielt er den renommierten Claus-Gatterer-Preis), war Gemeinderat in seiner Heimatgemeinde Eppan und singt seit Jugendtagen in verschiedenen Rockbands. Ich treffe den Vater von drei Kindern, der heuer 50 wird, im „Nadamas“ am Bozner Obstmarkt, er bestellt einen Weißwein.
Du bist der Aufdeckungsjournalist in Südtirol. Was macht einen guten Journalisten aus?
Die Primärtugenden sind Neugier, die ist ganz wichtig, und eine gewisse Seriosität, auch im Umgang mit den Gegnern. Aber jeder Journalist ist nur so gut wie seine Informanten. Ich habe einige gute Informanten und hoffe, dass das auch so bleibt.
Du warst viele Jahre zusammen mit Arthur Oberhofer, dem jetzigen Chefredakteur, das Aushängeschild der „Südtiroler Tageszeitung“. Warum bist du weg?
Nach 17 Jahren bei einem Medium war eine Luftveränderung nötig, man hat alles schon mal gesehen und wird nicht mehr besser. Dazu kommt, dass ich mit der Linie der Zeitung nicht wirklich einverstanden bin. Es ging in den letzten Jahren immer mehr in Richtung Boulevard, das ist nicht meines. Man verkauft gut, aber für mich ist Journalismus etwas anderes.
Welche Pläne hast du nun?
Ich möchte im Journalismus bleiben. Ich habe aber immer Filme gemacht und werde das auch weiterhin tun. Ich bin auch dabei ein Buch zu schreiben, über die Geheimdienste in und rund um Südtirol in den Jahren von 1945 bis 1972.
Deine Vorliebe für Zeitgeschichte ist bekannt. Du hast dein Studium kurz vor dem Abschluss geschmissen, weil du dich mit dem Historiker Rolf Steininger, der damals dein Diplomarbeitsbetreuer war, überworfen hattest.
Dass ich mich mit ihm überworfen hätte, ist eine Legende. Wir sind heute noch in gutem Kontakt, wir stänkern uns halt ein bisschen an. Er wollte, dass ich aus meiner 550 Seiten starken Diplomarbeit, die nur er kennt und die nie offiziell eingereicht wurde, eine Dissertation mache. Aber ich hatte andere Lebenspläne. Er hat dann in seinem mehrbändigen Werk sehr viel aus dieser Diplomarbeit zitiert, hat das aber korrekt gekennzeichnet. Es gibt kein Zerwürfnis. Ich sehe viele Dinge anders als er, aber das gehört dazu.
Wie siehst du die Medienlandschaft in Südtirol? Gibt es die Dominanz der Athesia noch?
Die Medienlandschaft ist sehr vielfältig und bunt, die Dominanz der Ebners ist aber noch absolut da. Die Familie Ebner führt sich auf wie die Kaiser im Feudalsystem. Hier ist Missbrauch der Medienmacht, aber auch der wirtschaftlichen und politischen Macht an der Tagesordnung. Ich habe oft genug mit Michl Ebner prozessieren müssen, ich weiß, wie das ist. Manchmal fürchte ich mich. Nicht vor den Ebners, aber vor den Zuständen, die in diesem Land herrschen.
Ein Ebner auf dem Titelblatt verkauft sich immer sehr gut.
Das ist keine Polemik. Es kann nicht sein, dass in einer Demokratie eine Familie so eine Machtfülle in sich vereint. Der Vergleich mit Berlusconi hinkt, weil Berlusconi in Italien nicht so einen Einfluss hat wie die Ebners in Südtirol. Das ist so.
SEL-Skandal, nun der Rentenskandal, Selbstbestimmungsdebatte, römischer Zentralismus und Europafeindlichkeit. Wohin bewegt sich Südtirol?
Ich darf meinen früheren Uni-Professor Anton Pelinka zitieren, der sagte: „Wir erleben in Südtirol eine Phase der Normalisierung.“ Manche Leute meinten, und meinen heute noch, wir leben in einem Paradies und die Südtiroler sind die Besten. In Wirklichkeit ist es hier nicht anders als auf dem Rest der Welt, es gibt Skandale, Korruption und Misswirtschaft, und es gibt auch gute Sachen. Langsam wachen die Leute auf und merken, dass es bei uns auch nicht anders ist als anderswo. Momentan schlägt das Pendel in die andere Richtung aus, jetzt regieren die Wutbürger, aber das wird sich legen. Irgendwann bekommen wir hoffentlich auch etwas Pluralität in der Politik, weg von der dominierenden Partei, und dann wird auch bei uns die Normalität Einzug halten.
Warum hat man mit 50 einen Vollbart und lange Haare?
Das ist eine Frage, die mir oft gestellt wird. Ich denke, man soll so sein, wie es einem gefällt. Ich fühle mich wohl dabei, es ist mein Leben. Ich muss nicht allen gefallen, es gibt so viele schöne Menschen auf der Welt, da braucht es nicht mich auch noch (lacht).
Siehst du dich selbst als Revoluzzer?
Nein. Ich habe meine Ideen, zu denen ich stehe und an denen ich mein Leben ausrichte. In meiner Arbeit bin ich manchen zu polemisch, aber es ist wichtig im Leben Positionen zu haben und auch dafür einzustehen.
Die Jungen rebellieren nicht mehr, sagt man. Gegen was sollten sich die Jungen auflehnen, oder geht es uns eh gut?
Das Gejammer über die Jugend ist totaler Blödsinn. Ich habe Kinder im Alter von 21, 16 und 9 Jahren und kann ihnen nichts vorwerfen. Sie haben ihre Ideen, leben anders als wir gelebt haben, aber ich habe die Weisheit ja nicht gepachtet. Ich habe kein Problem mit der Jugend, schon eher mit meiner Generation. Viele Revoluzzer von damals sind brave Schafe geworden, die dem Geld hinterherlaufen.
Du bist auch Sänger, trittst du noch manchmal auf?
Ja, ich tu das sehr gern, aber leider nur mehr selten, weil wir alle in der Weltgeschichte verstreut sind. Wenn alle hier sind versuchen wir einen Gig zu bekommen und dann spielen „Tony Spinell & die Schneekatzen“.
Wie ist es mit den Nachwuchsmusikern in Südtirol bestellt?
Die Szene ist sehr vielfältig, ich sehe sehr viele gute Bands. Color Collectif hat mal als Vorgruppe bei uns gespielt, das war ein Riesenerfolg, es ist eine super Band. Wir alten Säcke müssen die Jungen auf die Bühne lassen.
Was würdest du einem jungen Menschen raten, der Journalist werden will?
Es braucht Neugierde, Enthusiasmus, und eine dicke Haut. Wenn jemand eine ruhige Kugel schieben will, soll er Beamter oder Bankangestellter werden. Ohne Leidenschaft ist das absolut der falsche Beruf.
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