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Schon als kleines Kind konnte ich die Lieder „Zettl“ und „Affn Ball“ auswendig, noch Jahre bevor ich mein erstes Formular ausgefüllt habe, oder auf einem Ball gewesen bin. Die CDs von Sepp Messner Windschnur habe ich rauf und runter gehört, bis meine Eltern es wahrscheinlich bereuten, sie jemals gekauft zu haben. Dass die Südtiroler HochschülerInnenschaft Innsbruck dann nach gefühlten 20 Jahren – ganz so viele waren es vielleicht dann doch nicht – gerade meinen Kindheitsheld zum mittlerweile schon traditionellen Südtirolerfestl im Weekender Club einlud, konnte ich kaum glauben. Dass er auch noch mit Markus Dorfmann, allen als dr Doggi bekannt, auf der Bühne stehen wird – ein Sahnehäubchen der Extraklasse.
Schon um 22 Uhr ist der Weekender Club voll, etwas später ist auch schon Einlassstopp – Sepp Windschnur und Doggi wirken wie Magneten auf die Südtiroler Studenten. Es fühlt sich unwirklich an, als Erstsemester mit ihrem Bier in der Hand ihre Liederwünsche euphorisch einem bald 70-Jährigen entgegenrufen: „Beppo del Trentin! Seppl spiel au! Dai Sepp, uan muasch nou spieln! SEPP, SEPP, SEPP!!“ Dieser lacht auf der Bühne und versucht die Wünsche – jene, die er von den schon etwas lallenden „Tscheggln“ verstehen kann – zu erfüllen. Er und Doggi wirken wie ein eingespieltes Team. Schon vor acht Jahren hätten sie zusammen in Innsbruck auf der Bühne gestanden, bis heute sicherlich schon 30 Auftritte zusammen bestritten.
Nach der letzten Zugabe kann ich nicht anders. Ich überfalle die beiden Liedermacher im Backstage-Bereich. Ein kleines Interview für BARFUSS, na sicher sei das drin, meinen sie und ich darf mich zu ihnen auf das Ledersofa gesellen.
Wie ist es, vor so vielen besoffenen Studenten zu spielen?
Sepp Messner Windschnur: (lacht) Ach, ein wenig feiern, das gehört doch dazu, oder?
Wie viele Tscheggl hast du heute gezählt?
Markus Doggi Dorfmann: So viele, wie Leute da waren. (schmunzelt)
Doggi, wie ist es für dich, mit Sepp auf der Bühne zu stehen?
Doggi: Wir haben schon so viel getanzt, gesungen, zusammen gelitten und zusammen gelebt. Es könnte nicht besser sein.
Ist er für dich ein Vorbild?
Doggi: Absolut! Ich habe mit den Liedern vom Sepp mit 16 Jahren angefangen zu singen.
Glaubst du, dass du mit fast 70 Jahren auch noch auf der Bühne stehst?
Doggi: Ich hoffe sehr, ich hoffe sehr. Wenn die Prostata bis dahin in Ordnung ist. (lacht)
Wie lange machst du noch weiter, Sepp, und erfreust deine Fans mit Live-Shows?
Windschnur: Das kann man nicht sagen. (lacht) Solange es noch Spaß macht, und das tut es. Das hat man heute doch gesehen? Wenn so viele nette Leute da sind und man seine Lieder richtig rüberbringen kann, dann ist das ein tolles Erlebnis – immer wieder.
Was gibt dir das Singen auf der Bühne?
Windschnur: Das baut mich auf. Ich habe auch manchmal so eine Art Krise im Alltag, wie es halt so ist. Und wenn ich dann zum Singen geh – überhaupt an solchen Abenden wie heute – da tankt man wieder Energie, da bekommt man Freude am Leben.
Wir sind auf dieser Welt dafür bestimmt, das zu tun. Der Herrgott hat gesagt: „De zwoa Manndr solln awia singen.“
Wie ist es bei dir, Doggi?
Doggi: Ich glaube, bei mir und Sepp ist das das Gleiche. Wir sind auf dieser Welt dafür bestimmt, das zu tun. Der Herrgott hat gesagt: „De zwoa Manndr solln awia singen.“
Wo seht ihr die Herausforderungen als Liedermacher, das ist ja kein einfaches Geschäft?
Doggi: Wie du sagst, es ist nicht leicht. Südtirol hat kein so großes Potential, aber ich glaube, solange die Freude dahinter ist, geht es immer weiter. Ich mache das jetzt seit zehn Jahren und ich bin noch nicht verhungert, also das passt schon.
Was bedeutet das Liedermachen für dich, wie bist du dazu gekommen?
Windschnur: In den 70ern hatte ich mal das Interesse, Liedermacher zu hören, Reinhard Mey, Hannes Wader, und auch durch die Austro-Popper sind wir Südtiroler aufs Dialektsingen gekommen, was ja unsere Muttersprache ist. Und das macht halt Spaß. Wir haben dann zuerst Lieder gecovert und dann in den 80ern habe ich meine eigenen Lieder geschrieben und mein eigenes Programm beisammen gehabt, um einen Abend zu gestalten. Die Liedermacherei war immer eine Nischenmusik, aber man ist zurechtgekommen. Die Leute haben immer eine Freude gehabt, wenn man im passenden Rahmen die Lieder gesungen hat. Es ist keine Musik für die Masse, uns macht es Spaß, weil das etwas Besonderes ist. Und man kann das singen, was man denkt.
Siehst du Unterschiede zu damals, als du angefangen hast, und vor zehn Jahren, als Doggi gestartet ist?
Windschnur: Unterschiede gibt es große und viele. Wenn ich zurückdenke an meine Anfangszeit, da hat es noch nicht so viele Medien und neue Technologien gegeben. Es war weniger los. Man hat Radio gehorcht, CDs gekauft. Heute ist das nicht mehr so. Heute kann man alles runterladen. Es ist sozusagen ein Überangebot, an allem, auch an Sängern selbst, deshalb ist es schwieriger geworden. Was mich freut: Meine alten Klassiker sind ja inzwischen schon 30 Jahre alt. Die Eltern der heutigen Kinder haben das früher gerne gehört und heute singen das die Kinder auch. Also hat das schon Bestand. Das hat sich ausgezahlt.
Viele, die beim Konzert lautstark ihre Liederwünsche bei ihm anbringen, könnten wahrhaft seine Enkel sein. Sepp Messner Windschnur findet das toll. Seine Musik überdauert Generationen – und ihn selbst scheint das auch jung zu halten. Trotz seiner mittlerweile 68 Jahre schwingt er auf der Bühne mit Doggi lässig das Tanzbein und wirkt alles andere als altbacken.
Glaubst du, dass dialektale Lieder, wie du sie singst, etwas Beständiges sind?
Doggi: Die Tendenz geht jetzt ganz stark in Richtung Dialekt und neue Volksmusik. Man will wieder zurück zur Region, zum regionalen Denken, weil man mit der ganzen EU eh nicht mehr zurecht kommt, mit dem ganzen Globalen, das ist ein wilder Stress. (schmunzelt) Die Leute wollen deswegen Sicherheit, wollen Boden unter den Füßen, wollen ihre Sprache reden und die Lieder hören, die sie verstehen. Das wirkt sich dann schon auch auf die Musik aus.
Was macht ihr mit diesem angebrochenen Abend noch? Feiert ihr noch mit den jungen Südtirolern da draußen?
Doggi: Schnell schlofn, odr wo sogsch, Sepp? Dass mr morgn widr fit sein.
Zum Abschluss des Gesprächs gibts noch ein Selfie, wie es sich gehört: unscharf, verwackelt und ohne Filter.
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