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Ihre Mutter war eine Pionierin der Südtiroler Frauenpolitik und die erste Frau im Landtag – Waltraud Gebert Deeg war zehn Jahre lang Landesrätin für Soziales und Gesundheit. Mit 15 starben Waltraud Deegs Eltern an Krebs, sie selbst fiel in ein gesundheitliches Tief. Die Anorexie, an der sie litt, bekam sie aber wieder in den Griff. Jetzt gilt die Lehrerin und Anwältin selbst als Newcomerin in der politischen Neuordnung Südtirols. Ihre politische Karriere startete Deeg vor vier Jahren als Gemeinde- und Stadträtin von Bruneck. Nun soll sie die Ressorts Familie, Informatik, Personal und Verwaltungsreformen übernehmen.
Frau Deeg, wie fühlen Sie sich als designierte Landesrätin?
Ich muss mich erst in meine neue Rolle hineinleben. Man verändert sich nicht als Mensch dadurch, dass man eine andere Bezeichnung hat. Man ist dieselbe wie vorher. Es geht um die Aufgabe, die man übernimmt und die Herausforderung, die mit ihr einhergeht. Ich werde aber versuchen, beiden gerecht zu werden.
Was wollen Sie in der Landesverwaltung verbessern?
Oje [lacht]. Grundsätzlich will ich meine vier Bereiche verbessern, für die ich eingesetzt werde: das Personal, den Informatikbereich, die Verwaltungsorganisation und natürlich die Familie. Ich möchte bestehende Strukturen ein wenig anpassen und moderner gestalten. Wichtige Bereiche wie die Ämterordnung sind schon etwas in die Jahre gekommen und die gilt es zu überarbeiten.
Sie sind ehrenamtliche Rechtsanwältin bei „Frauen helfen Frauen" und bei der Familienberatung: Ist Südtirol emanzipiert genug?
Sie meinen, ob Männer und Frauen in Südtirol gleichgestellt sind? Der Begriff Emanzipation ist nicht unbedingt positiv behaftet. Ich glaube, es muss einfach darauf hinauslaufen, dass Mann und Frau – unabhängig von ihrem Geschlecht – die gleichen Chancen haben. Es wird zwangsläufig immer jemanden geben, der bei der Familienplanung zurückstecken muss, nur leider sind das meistens die Frauen. Bei „Frauen helfen Frauen“ und bei der Familienberatung gibt es viele Frauen, die viel Zeit in die Erziehung oder in ihre Familie gesteckt haben aber irgendwann am Ende ihrer Ehe stehen. Diese Frauen tun sich oftmals sehr schwer, wieder ins Berufsleben zurückzukehren. Sie können sich sicher vorstellen, dass es alles andere als leicht ist, nach 17 Jahren Berufsabstinenz wieder in die Erwerbswelt einzusteigen. In solchen Sachen hinkt Südtirol im europäischen Vergleich noch hinterher.
Was halten Sie von der Frauenquote? Hätte Sie Arno Kompatscher auch ohne Frauenquote mit ins Regierungsboot geholt?
Das traue ich mich jetzt nicht zu sagen, das müssen sie bitte den Herrn Kompatscher fragen [lacht]. Grundsätzlich finde ich Quotenbegriffe unschön. Weil sie die Probleme eben nicht auf den Punkt bringen. Es ist so, dass Frauen in vielen Bereichen unterrepräsentiert sind. Gerade in Führungspositionen, aber eben auch in politischen Gremien auf Gemeinde- und auf Landesebene. Die Frauenquote ist ein Instrument, um ein Ziel zu erreichen. Es wäre schön, wenn wir sie irgendwann nicht mehr brauchen. Aber momentan, glaube ich, braucht es sie schon noch in gewissen Bereichen.
Wie kommen Sie als Frau in der Männerdomäne Politik zurecht?
Bis jetzt habe ich auf Landesebene positive Erfahrungen gemacht. Was ich aber immer wieder feststelle, ist, dass Männer oftmals ein besseres Netzwerk als Frauen haben. Das wäre vor allem in der Politik sehr wichtig. Frauen sind in der Südtiroler Politik aber schon rar. Auch auf Gemeindeebene.
Thema Familie: Wie sieht es mit der Förderung der Kitas aus?
Da kann ich Ihnen noch nicht allzu viel sagen, weil wir uns momentan in der Einarbeitungsphase befinden. Tatsache ist aber, dass ich mir die Zahlen, wie viel wir in diesen Bereichen schon ausgegeben haben, ein wenig angeschaut habe und ich muss sagen, dass wir dort keine Weltmeister sind. Wir haben also Aufholbedarf. Im Moment haben wir relativ wenige finanzielle Mittel zur Verfügung. So ist die Lage nun einmal. In den Zeiten, in denen wir uns befinden, müssen wir schauen, wo man Finanzmittel umpolen kann, damit man auch wirklich einiges machen und verbessern kann. Es ist schließlich ein wichtiger Bereich.
Die Wirtschaftskrise hat auch Südtirol erreicht. Junge Menschen finden immer schwerer oder gar keine Arbeit. Was raten Sie diesen?
Was ich meiner Tochter immer auf den Weg gebe, ist, dass sie das machen soll, was sie gerne tut und wo sie gut darin ist. Sie kann einen handwerklicher Beruf erlernen, die Matura machen oder natürlich auch ein Uni-Studium beginnen. Man muss heutzutage damit rechnen, dass man über 40 Jahre im Erwerbsleben tätig sein wird. Auch wenn man den Beruf mittlerweile öfter wechselt, muss man schon von dem überzeugt sein, was man tut. Natürlich darf man nicht nur auf die eigenen Vorlieben achten, man muss den Arbeitsmarkt auch im Blickfeld haben. Mit der Möglichkeit, dass man den Beruf, den man gelernt hat, nicht ausüben kann, muss man leider rechnen, das ist sicherlich eine Herausforderung. Es ist wichtig, die Berufsbildung und Berufsfindung für unsere Jugendlichen zu verbessern und auszubauen. Jugendliche sind, bis sie 15 Jahre alt sind, zum Nichtstun verdammt und das ist natürlich ein entscheidender Faktor bei der Berufsfindung.
Viele junge, gut ausgebildete Menschen sind heute zu jahrelanger Praktikumsarbeit verdammt.
Das ist ein wichtiger Punkt. Es ist auf jeden Fall wichtig, dass junge Menschen die Gelegenheit bekommen, Erfahrungen zu sammeln. Es kann aber nicht sein, dass junge, voll ausgebildete Menschen sich von einer Arbeitsstelle zur nächsten hangeln müssen, in der Hoffnung auf eine Festanstellung.
Sie hatten keine einfache Kindheit und haben früh Ihre Eltern verloren. Hat Sie diese Erfahrung dorthin gebracht hat, wo Sie heute sind?
Ja, das glaube ich schon. Ich musste früh lernen, dass jede Entscheidung, die ich treffe, Konsequenzen hat. Ich bin mit 18 Jahren alleine in eine Wohnung gezogen. Man lernt einfach, viele Sachen selbst zu machen und dass man die Suppen, die man sich eingebrockt hat, auch wieder selbst auslöffeln muss. Diese Erfahrung hat mich geprägt, aber ich wünsche sie niemandem.
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