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Es ist sechs Uhr. Wie jeden Morgen steht Nathalie Schwienbacher um diese Zeit auf. Während es draußen noch dunkel ist, macht die 23-Jährige im alten Ofen Feuer und kocht einen Kaffee für ihren Onkel. Dann geht es in den Stall. Tiere füttern, ausmisten, putzen. Alles was eben anstehe, sagt Nathalie. Mit ihren rot lackierten Fingernägeln, grünem Lidschatten und hohen Absätzen, die sie in ihrer Freizeit gerne trägt, würde man nicht vermuten, dass die junge Frau Bäuerin ist und das sogar ihr Traumberuf ist. Aber Nathalie könnte sich nichts anderes vorstellen. Sie hat sich für ein Leben in der Landwirtschaft entschieden. Sie ist auch Braunviehprinzessin, Mitglied beim Braunvieh Jungzüchterclub Obervinschgau und im Ausschuss der Bauernjugend. Zusammen mit ihrem 60-jährigen Onkel Franz Josef und ihrem Freund Fabio wohnt sie auf dem zwölf Hektar großen Oberschlummhof in Schluderns. Später wird sie den Betrieb übernehmen.
Zehn Milchkühe, zehn Kälber, drei Ziegen, 20 Schafe, ein Pferd, Hühner, Hängebauchschweine, Hund und Katze – Nathalie hat jeden Tag alle Hände voll zu tun, um sich um die vielen Tiere hier auf 1.265 Metern zu kümmern. Täglich verbringt sie etliche Stunden im Stall. Und wenn die Arbeit in der Früh geschafft ist, bleibt nur kurz Zeit für die zwei Haushalte und fürs Mittagessen-Kochen, ehe es wieder in den Stall geht. Und am Abend heißt es erneut: füttern, bürsten, melken, ausmisten.
Im Sommer steht zusätzlich die Heuernte an. Alles in Handarbeit. Darauf besteht ihr Onkel. Er hält an alten Traditionen fest. Deshalb werden auch die Kartoffeln mit Pferd und Pflug geerntet. Für Nathalie ist die harte Arbeit und das Leben hier nicht immer einfach. Es gibt keinen fixen Feierabend, kein freies Wochenende und keine Ferien. Zudem verdient Nathalie nur das, was sie zum Leben braucht. „Ich arbeite, damit ich irgendwann den Hof bekomme“, sagt sie. Vor allem im Sommer, wenn sie in brütender Hitze raus aufs Feld muss, kommen ihr manchmal Zweifel, die sie aber gleich abtut. Sie könne sich keine andere Arbeit vorstellen. Vor allem in einem Büro zu sitzen, wäre der reinste Horror für die Naturliebhaberin. „Dann schon lieber den ganzen Tag Steine tragen“, sagt sie und lacht. „Natürlich ist die Arbeit anstrengend, aber man bekommt eine Bestätigung, dass man etwas geleistet hat. Und ich könnte nie ohne die Tiere.“
Auch wenn Nathalie am Wochenende mal bis in die Morgenstunden wegbleibt, geht es danach in den Stall. Ausschlafen ist nicht. Dafür habe sie ein zu großes Verantwortungsbewusstsein, sagt sie. Party macht Nathalie ohnehin nicht mehr oft, denn am ersten Januar kam Sohn Juri zur Welt. Jetzt ist die junge Frau neben Bäuerin und Hausfrau auch noch Mama. Eine weitere Herausforderung.
Schon als Kind verbrachte Nathalie viel Zeit auf dem Oberschlummhof. Und schon damals wollte sie unbedingt Viehbäuerin werden. „Wenn ich Geld geschenkt bekommen habe, habe ich es immer gespart und gesagt: Damit will ich irgendwann einen Hof kaufen“, sagt sie und lacht. Gereicht hat das Geld dann immerhin für ihren geliebten grünen Mini, den sie sich bereits mit 16 gekauft hat.
Bis vor zwei Jahren wohnte Nathalie mit ihrer Familie in Tscherms. Hier, auf dem Hof ihres Onkels war ihr älterer Bruder Elias als Nachfolger vorgesehen gewesen. Er sieht in der Landwirtschaft aber mehr ein Hobby. Nathalie hingegen wollte Landwirtschaft in Wien studieren, hatte sich sogar bereits eingeschrieben und hoffte darauf, irgendwann einen Bauer kennenzulernen und mit ihm auf seinem Hof zu leben. Doch noch bevor sie zu ihrem Studium aufbrach, kam der Anruf ihres Onkels, der alles änderte. Ihre Tante, die auf dem Hof mithalf, hatte sich den Fuß gebrochen. „Daraufhin habe ich alles zusammengepackt und bin heraufgezogen“, sagt Nathalie.
„Die Landwirtschaft ist meine Berufung.“
Besonders am Anfang war es alles andere als einfach, denn als Mädchen müsse sie sich bei ihrem Onkel noch mehr beweisen, so Nathalie. Er ist von der alten Schule, alles muss so erledigt werden, wie er es von früher gewohnt ist und er traut seiner Nichte nicht alles zu. Traktorfahren zum Beispiel darf die 23-Jährige nicht. „Ich muss mir vieles erst erkämpfen. Auch an den rauen Umgang musste ich mich anfangs erst gewöhnen“, sagt Nathalie „Ich musste mir eine dicke Haut zulegen, aber ich glaube, ich mache die Arbeit heute ganz gut.“ Die junge Frau lacht. Sie weiß, dass ihr Onkel insgeheim froh ist, dass er sie hat. Von den Leuten im Dorf erntet sie große Bewunderung. Und auch wenn sie oft schauen muss, wie sie über die Runden kommt, aufgeben kommt für Nathalie nicht in Frage. „Die Landwirtschaft ist meine Berufung“, sagt sie bestimmt.
Nun sucht sie nach einer Nische, damit sie mit der Viehwirtschaft überhaupt eine Chance auf dem Markt hat. Mit dem Verkauf von Eiern hofft sie auf einen guten Nebenverdienst. Zudem hat sie begonnen Hängebauchschweine zu züchten. Auch wenn das bedeutet, dass sie geschlachtet werden müssen. „Das gehört auf einem Hof eben dazu“, sagt Nathalie nüchtern. „Man ist es ihnen aber schuldig, ihr Leben so gut und schön wie möglich zu machen.“
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