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Es ist 3:57 Uhr als ich mir schweißgebadet die Bettdecke vom Leib schmeiße und meinen schweren Körper nach rechts rolle. Nur mit zugekniffenen Augen kann ich in das viel zu grelle, kleine Licht des Weckers auf meinem Bettrand glotzen, um die Uhrzeit zu entziffern. Dann rolle ich zurück, liege auf meinem schmerzenden Rücken und starre mit weit aufgerissenen Augen die Decke an. Weil ich es nicht glaube, muss ich hinfassen. Aber es ist tatsächlich wahr: Ich habe sogar auf den Schienbeinen, in den Ellenbeugen und zwischen meinen Brüsten Schweißperlen. Ein Hoch auf die Hormone!
Obwohl ich ihre Namen meistens kaum aussprechen kann und – trotz der ganzen Aufgaben, die sie in meinem Körper tagtäglich übernehmen – relativ wenig über sie weiß, war ich bis jetzt gut befreundet mit den Östrogenen, Gestagenen und ihren ganzen kleinen Freunden. Die kleinen Botenstoffe, die von Eierstöcken, Plazenta und meinem Gehirn gerade en masse produziert werden, waren auch noch relativ gnädig mit mir. Meine Tränendrüse muss nicht viel härter arbeiten als vor der Schwangerschaft, übergeben musste ich mich nur ein einziges Mal und mit der ständigen Lust auf köstliches Essen war ich sowieso schon mein ganzes Leben lang vertraut. Einzig meine Haut hat sich verändert. Doch gegen jede Erwartung ist sie nun nicht von Pickeln und Mitessern übersät, sondern zart wie ein Babypopo. So gesehen bin ich wirklich gespannt auf den Höhepunkt der Hormonparty. Wenn die Stars unter den Botenstoffen die Bühne betreten und mich mit ihrer Endorphin-Show vom Hocker reisen werden. Zumindest solange, bis dann der Baby-Blues einsetzt.
Anstatt mich sauer, traurig und lustig zugleich zu machen, bekommt mir der Hormoncocktail bisher also ziemlich gut. Da hatten andere Cocktails in meinem Leben viel schlimmere Auswirkungen auf mich. Seit ich schwanger bin, ist es viel eher so, als würde ich in einer Seifenblase durchs Leben wandern. Plötzlich ist Stress ein Fremdwort. Nichts kann mich mehr wirklich aus der Ruhe bringen. Was vorher so wichtig war und schnell erledigt werden musste, scheint mittlerweile völlig belanglos zu sein. Ein voller E-Mail-Eingang kann mich nicht vor einem Mittagsschlaf bewahren und auch der Sonntagsfahrer, der vor mir langsam über die Straßen gurkt, bringt mich nicht zum Hupen. Viel eher schalte ich dann einfach einen Gang zurück. Eine Haltung, die ich mir am liebsten bis weit über die 40 Wochen hinaus beibehalten möchte.
„Ich frage mich, ob die kleinen Morsezeichen aus meinem Bauch wohl eher aus Mitleid oder doch aus Schadenfreude zu mir gelangen.”
Wenn ich mich also über die letzten paar heißen Nächte beschwere, dann ist das nichts als jammern auf hohem Niveau. Denn eigentlich sollte ich den Hormonen dankbar sein. Schließlich haben sie nicht nur dafür gesorgt, dass Herzmensch sich in mir einnisten konnte, sondern auch, dass er heute noch am Leben ist.
Mit festen Tritten gegen meine Bauchdecke lässt er mich das auch jetzt, mitten in der Nacht, deutlich spüren. Aus Schweiß und Kurzatmigkeit ist mittlerweile kalter Frost geworden, der vermutlich auch Herzmensch aufgeweckt hat. Ich frage mich, ob die kleinen Morsezeichen aus meinem Bauch wohl eher aus Mitleid oder doch aus Schadenfreude zu mir gelangen. Herzmensch lacht sich vermutlich gerade eins ins Fäustchen, wenn er daran denkt, wie er mich später mal nachts auf Trab halten wird. Dagegen sind Hitzewallungen vermutlich nur noch Zuckerschlecken. Und auch ich muss grinsen. Denn während ich mitten in der Nacht hellwach mit den Gedanken in meinem Kopf und dem kleinen Menschen in meinem Bauch kommuniziere, schnarcht Jakob neben mir wohlig in seine Decke gekuschelt vor sich hin. Aufwecken kann ihn weder heißer Schweiß, ein sich herumwälzender Mama-Wal oder kalter Frost.
Am liebsten würde ich mein Handy holen, um ein Selfie von dieser Situation zu knipsen und es all jenen unter die Nase zu reiben, die den ach so armen Papa to be immer wieder ganz besorgt danach fragen, wie es denn so läuft mit einer schwangeren Hormonbombe an seiner Seite. Tja, liebe Leute, ganz genau so läuft es!
Am Ende bleibe ich doch liegen. Ein Selfie würde nämlich bedeuten, dass ich meinen schweren Körper aufhieven und in der Dunkelheit vom Hochbett klettern müsste und das, obwohl ich – ausnahmsweise! – mal nicht auf die Toilette muss. Die Energie spare ich mir lieber für später auf, wenn die Blase dann wirklich drückt und der lustige (Sc)Herzmensch in mir kräftig dagegen tritt. Also versuche ich mich mit Kissen und Bettdecke so zu stabilisieren, dass weder Bauch noch Rücken ziehen und mit tiefen Atemzügen und trockenem Schweiß irgendwie wieder einzuschlafen. Oooooooooom!
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