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Petra Schwienbacher
Veröffentlicht
am 24.10.2016
LeuteAuf a Glas'l mit einer angehenden Bierbrauerin

„Bier ist gesund”

Veröffentlicht
am 24.10.2016
Biersommelière Andrea Armellini über den Rülpsgeschmack beim Verkosten, den Unterschied zwischen kleinen und großen Brauereien und die Arbeit in einer Männerdomäne.
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Andrea ist Biersommelier und angehende Braumeisterin – obwohl ihr Bier vor einem Jahr noch nicht schmeckte.

Andrea Armellini hat einen Traumberuf, den meist Männer ausüben: sie möchte Braumeisterin werden und ihr eigenes Bier brauen. Die quirlige junge Frau hat gerade ihren Arbeitstag hinter sich. Acht Stunden lang Hefe wiegen, Flaschen befüllen, Lagertanks, Schankanlagen und Gärbottiche putzen und Anlagen überwachen. Heute in der Brauerei Pfefferlechner in Lana. Die halbe Woche in der Biobrauerei AH-Bräu in Franzensfeste. „Putzen und desinfizieren ist das wichtigste. Ein Brauer ist eine Putzfrau mit Zusatzausbildung“, sagt sie und lacht. Armellini macht gerade die Lehre als Bierbrauerin. Biersommelière ist sie bereits seit zwei Jahren.

Welches Bier empfiehlst du mir?
Ich würde das normale Helle nehmen. Wir hätten aber auch Kastanienbier …

Und wie soll ich das Bier nun trinken?
Einfach ganz normal trinken. Die richtigen Verkostungsgläser für Bier ähneln Weingläser, damit man das Aroma besonders gut riecht. Grundsätzlich gibt es für jeden Bierstil ein eigenes Glas, in Belgien hat sogar jedes Bier ein eigenes. Dort gibt es Biere in vielen verschiedenen Geschmacksrichtungen. Einige schmecken nicht nach herkömmlichen Bieren. Die spontan vergorenen Sauerbiere schmecken nach Kirschen oder Beeren. Man trinkt sie mit Eiswürfeln.

Worauf kommt es bei Bierverkostungen an?
Bier verkosten ist nicht wie Wein verkosten. Das Trinken ist erwünscht. Von der Kohlensäure muss man aufstoßen, das nennt man die retronasale Aromawahrnehmung oder einfach gesagt: der Rülpsgeschmack.

Gibt es beim klassischen Bier auch gute und schlechte Jahrgänge?
Natürlich. Bier ist ein Naturprodukt. Beim Wein hat man es schon länger verstanden, dass Bier aber genauso einen guten und einen schlechten Jahrgang haben kann, versteht keiner. Die Leute erwarten immer die selbe Qualität. Aber das Wetter beeinflusst den Geschmack vom Hopfen. Zudem gibt es sehr viele verschiedene Arten von Malz und Hopfen.

Armellini zeigt ein Bild mit verschiedenen Malzsorten. Farbmalz, Roggenmalz oder Karamellmalz heißen sie. Dann bringt sie zwei blickdichte Aluminium-Säcke mit Hopfenpellets. Einmal Bitter- und einmal Aromahopfen.

Beim Bitterhopfen riecht man besonders die Zitrusnote heraus. Alle Hopfensorten haben unterschiedliche Namen. Da gibt es die Perla, die Brauereischlampe (lacht) – weil die für alle sein soll. Dann gibt es Cascade, Mandarina Bavaria, Chinook, Saphir oder Polaris. Ich habe schon gesagt, ich werde meine Kinder mal nach Hopfensorten benennen. (lacht) Je nachdem, welchen Hopfen man zu welchen Teilen einsetzt, schmecken die Biere anders.

Bis vor eineinhalb Jahren mochte sie noch kein Bier – jetzt will Andrea Armellini Braumeisterin werden.

Welche Geschmacksnuancen haben Biere und wie unterscheidet man diese?
Es gibt ein Flavour-, also ein Geschmacksrad. Außen sind die gängigsten Geschmäcker angegeben, die jeder kennt – wie Apotheke, nasser Karton, Nelken, Bananen, Äpfel, Butterkekse …

Biere können nach Apotheke und nassem Karton schmecken?
(lacht) Ja, es gibt wirklich alles. Man soll die Biere mit Wörtern beschreiben, die man mit etwas verbindet. Zum Beispiel bei dem Bier, das du gerade trinkst, riechen viele Gras oder frisches Heu. Weizenbier riecht zum Beispiel nach Bananen und Nelken, Pilsner Urquell nach Butterkeksen. Das schlimmste ist Brettanomyces, ein Pilz, der Pferdeschweißaroma erzeugt. (lacht) Das wären zum Beispiel Biere wie Heineken und Becks.

Wer lässt sich so etwas einfallen? Gibt es Leute, die sagen: Genau so riecht Pferdeschweiß?
Das habe ich mich ehrlich gesagt noch nie gefragt. Manchmal ist es aber schwer zu beschreiben, wie ein Bier schmeckt. Hier haben wir zum Beispiel ein Holzbier. Das wurde mit Eichenholzspänen gelagert. Zu meiner Mutter habe ich gesagt, es schmeckt, als würde man eine alte Kirchenbank ablecken. (lacht)

Welche Temperatur sollte ein gutes Bier haben?
Die ideale Trinktemperatur ist sechs Grad. Je kälter aber das Bier, desto weniger schmeckt man die Bitterstoffe. Man sagt deshalb, ein gutes Bier schmeckt auch warm.

Warum willst du Bierbrauerin werden?
Als ich die Ausbildung als Biersommelière gemacht habe, habe ich nicht mal Bier getrunken. Mir hat es einfach nicht geschmeckt. Ich trinke erst seit eineinhalb Jahren Bier. Mich hat das Brauen aber total interessiert. Meine Mutter hat schon als Kind gesagt: „Du bist ein Pantscher“. Mit Wasser spielen war immer schon meins.

Armellini hat ein Praktikum bei der Brauerei Forst gemacht, als sie die Fachoberschule für Tourismus und Biotechnologie Marie Curie besuchte. In dieser Zeit fing sie an, sich für Bier zu interessieren. Ein weiteres Praktikum in der Brauerei Riegele in Augsburg folgte. Die Arbeit faszinierte sie und sie wollte mehr über Bier erfahren. Mit 19 Jahren machte Armellini im November 2014 den ersten Südtiroler „Diplom Bier-Expert”, eine Art Biersommelier. Sie war die jüngste Teilnehmerin und eine von wenigen Frauen. Zurzeit macht sie den Brauer-Gesellen.

Wenn du nicht die Schule besuchst, arbeitest du die Hälfte der Woche bei AH-Bräu in Franzensfeste, die andere Hälfte bei Pfefferlechner in Lana. Beides kleine Brauereien. Mit dem Praktikum in der Forst hast du den Vergleich: Was haben kleine Brauereien, was große nicht haben?
Bei kleineren Brauereien legt man mehr Wert auf sein Produkt und hat einen ganz anderen Bezug dazu. In großen sieht man das Bier so gut wie nie. Das tolle bei den kleinen Brauereien ist, dass ich auch selbst Versuche machen kann. Zurzeit probiere ich ein dunkles Bier mit Glühweingeschmack und ein helles mit Früchten aus. So etwas könnte man in einer großen Brauerei nicht machen.

Obwohl es mittlerweile neun Wirtshausbrauereien in Südtirol gibt, wird in den meisten Lokalen nur Forstbier angeboten …
Ja, das ist total schade. Mehr kann ich dazu nicht sagen, denn ich darf mich öffentlich nicht mehr zum Thema Forst äußern. Vor dem ersten Weltkrieg gab es auch bei uns noch viel mehr Brauereien. Aber ich glaube, es tut sich langsam wieder etwas im Bereich Bier. Einmal im Monat findet ein Bier-Stammtisch im Batzenhäusl in Bozen statt, bei dem aktuelle Südtiroler Biere verkostet werden und im November findet zum dritten Mal der Bier-Expert in Bozen statt, der aufgrund der hohen Nachfrage in Zukunft zweimal im Jahr angeboten wird.

Wie ist es, in einer Männerdomäne zu arbeiten? Respektieren dich deine männlichen Kollegen?
(lacht) Mittlerweile habe ich mir den Respekt erarbeitet. Als ich angefangen habe, wurde ich aber schon ein bisschen belächelt.

Welches Bier trinkst du am liebsten?
Das beste Bier ist sicher das eigene, das muss ich ja sagen.Am liebsten trinke ich das Helle. Beim Ausgehen trinke ich aber nicht so viel Bier, obwohl es sehr gesund ist.

Bier ist gesund?
Ja, fast gesünder als Wasser. (lacht) Es enthält viel Vitamin B, was gut für Haare und Nägel ist und es ist isotonisch. Zum Beispiel nach dem Sport ist ein Bier ideal. Am besten natürlich ein alkoholfreies, wegen des Alkohols und der Kalorien, obwohl Bier weniger Kalorien hat als ein Orangensaft.

Und was ist mit dem Bierbauch?
Das ist ein Mythos, der sich hartnäckig hält. Dieses Bier hat zum Beispiel 90 Kalorien, das ist nicht viel. Das Problem ist, dass die Bitterstoffe im Bier den Appetit anregen. Zudem gibt es in einem Biergarten meist fettige Speisen zum Bier.

Wie sehen deine Zukunftspläne aus?
Ich möchte jetzt den Brauer-Gesellen fertigmachen und dann sicher noch den Meister. Irgendwann möchte ich mein eigenes Bier brauen. Ich weiß nicht, ob ich in den Brauereien durchsetzen kann, auch etwas Besonderes für junge Leute zu machen. Das wäre toll. Es gibt hierzulande kein Reinheitsgebot wie in Deutschland. Deshalb kann man bei uns alle möglichen Biere machen, mit allen Geschmäckern. Eine eigene Brauerei ist sicher ein hochgestecktes Ziel, aber ich denke, irgendwann könnte das vielleicht klappen.

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