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18 Jahre lang prägte Klaus Widmann das Jazzfestival Südtirol als Präsident und künstlerischer Leiter. Letztes Jahr gab er die Zügel weiter – einer jungen Generation, die ihn bereits in den vergangenen Jahren tatkräftig unterstützt hatte und das Festival nun weiterentwickeln soll. Stefan Festini Cucco, Roberto Tubaro und Max von Pretz verantworten dieses Jahr erstmals das Jazzfestival, das am 30. Juni beginnt. Max von Pretz ist bereits seit 2015 mit der Geschäftsführung betraut. BARFUSS hat ihn zum Interview gebeten.
BARFUSS:Wie bist du zum Jazz gekommen?
Max von Pretz: Mit zehn Jahren habe ich eine CD von Chris Costa und Alex Trebo geschenkt bekommen. Es war ein erster Kontakt mit improvisierter Musik. Anschließend hörte ich viel Swing, Blues und auch Frank Sinatra. All das hat mir unglaublich gut gefallen. Durch das Jazzfestival bin ich aber erst auf den zeitgenössischen Jazz gestoßen. Ich war begeistert von dieser extrem kreativen Musik. Seitdem bin ich ihr treu geblieben und höre fast ausschließlich solche Musik.
Was reizt dich an dieser Musikrichtung?
Sie ist so vielfältig. In anderen Genres gibt es oft wenige Überraschungsmomente. Im zeitgenössischen Jazz geht es häufig darum, unübliche Dinge zu machen, vorgegebene Muster zu brechen und die Hörer:innen unvorbereitet zu treffen. Ich selbst werde immer noch regelmäßig überrascht von dieser Kreativität im Jazz und es ist für mich persönlich die spannendste Musikrichtung.
Du selbst hast nie in einer Jazzband gespielt?
Ich habe selbst jahrelang in einer Band Blues, Rock´n Roll und Rockabilly gespielt. Wir spielten viele Konzerte, ich war und bin aber kein Profi-Musiker. Ich habe keine Ausbildung als Jazz-Pianist. Professionelle Jazzmusiker:nnen spielen täglich viele Stunden und beherrschen ihre Instrumente mit Bravour. Es ist wahnsinnig aufwendig und schwierig. Ich wage zu behaupten, dass sie mit zu den besten Musiker:nnen der Welt gehören.
Wie bist zum Mitorganisator des Jazzfestivals geworden?
Über ein Praktikum. Ich war dabei mein Studium in Sport-, Tourismus- und Eventmanagement abzuschließen und musste noch ein Pflichtpraktikum absolvieren. 2014 habe ich dann mithelfen dürfen, dass Jazzfestival auf die Beine zu stellen. Ich war sofort begeistert.
Was motiviert dich so ein Festival zu organisieren?
Wir haben den Fokus auf den zeitgenössisch-experimentellen Jazz. Es ist also nicht ein „traditionelles“ Jazzfestival. Wir möchten jungen talentierten MusikerInnen eine Plattform bieten, sie aus den „Underground“ holen und eben neue Dinge präsentieren. Unsere Künstler:innen wollen oft nicht in irgendeine Kategorie eingeordnet werden. Vielen Musiker:innen bietet sich die Chance Kollaborationen einzugehen und mit Wunschpartner:nnen auf der Bühne zu stehen. Das alles zusammen motiviert unheimlich.
Und genau solchen Jazz wollt ihr auch präsentieren?
Ja, genau. Es kommen viele alteingesessene Jazzfans zum Festival und erwarten sich ein klassisches Jazzkonzert. Viele davon treffen nicht auf das, was sie suchen. Es ist eben meistens kein „straight-ahead Jazz“, denn häufig kommen zum Beispiel ausgefallene elektronische Elemente und Rockeinflüsse mit hinzu. Auf der anderen Seite kommen gerade junge Leute aufgrund der Marke nicht zum Festival, das Wort Jazz schreckt sie ab. Diejenigen, die trotzdem kommen, kommen aber meistens wieder.
Ist dieser zeitgenössische-experimentelle Jazz das Zugpferd des Festivals?
Ja, wir schließen aber auch traditionelle Richtungen nicht aus. Es ist für jeden etwas dabei. Der Jazz unterliegt einen extremen Wandel und vor allem die jungen Wilden treiben diese Entwicklung voran. Wir setzen überhaupt nicht auf die großen Namen und jedes Konzert ist für uns gleich wichtig. Der Begriff Jazz ist grundsätzlich sehr dehnbar.
Glaubst du, dass die Bedeutung des Jazz abklingen wird oder steht uns ein Revival bevor?
Das ist ein Thema, das weltweit Jazz-Veranstalter beschäftigt. Vor allem das Gewinnen von einem jungen Publikum ist wichtig. Deshalb sehe ich es als eine der Hauptaufgaben, junge Menschen für diese Musik zu begeistern. Die Hauptbarriere ist wirklich dieser Erstkontakt, diese Berührungsängste. Ich bin überzeugt, dass er für viele junge kreative Menschen eine Bereicherung darstellen könnte. Das Potential ist durchaus gegeben. Die Besucherzahlen, auch unter den Jungen, waren in den letzten Jahren zufriedenstellend. Trotzdem müssen wir versuchen, aktiv den Jungen das Festival schmackhaft zu machen.
Trotzdem ist Jazz anspruchsvoll und schwierig zu tanzen. Wenn ich an Drum&Bass- und Ravepartys denke, da ist alles viel simpler…
Mit Sicherheit! Deswegen muss man auch Formate ändern. Wir setzen dies um, indem wir das Festival zum Beispiel nicht in Konzertsälen ausrichten. Meistens sind es bestuhlte Situationen wie im Kapuzinergarten, unserem Basecamp. Wir wollen uns aber auch neue Formate überlegen. Am Eröffnungskonzert steht auch mit Sinularia ein Act auf dem Programm, dass von sich selbst sagt, dass sie Beatmusik des dritten Jahrtausend spielen. Das ist schon was zu tanzen. Es ist sicherlich oft schwierig, denn es sind manchmal anspruchsvolle Konzerte, auf die man sich erst einlassen muss, wie ein schwieriger Film oder ein Theaterstück. Viele wollen unterhalten werden und nicht einem Begräbnischor begegnen. Der Anspruch ans Publikums muss aber schon sein, sich eine Stunde lang auf ein Konzert einzulassen.
Welche Orte und Locations spielen eine größere Rolle?
Es ist jetzt die dritte Ausgabe mit einer Hauptlocation, dem Kapuzinergarten in Bozen. Wir sind aber in jedem Südtiroler Bezirk vertreten wie dem Poschhausstollen in Ridnaun, im Vinschgau, in Bruneck, in Brixen, Meran, Tramin, Ritten oder dem Stanglerhof in Völs. Auch unkonventionelle Locations wie dem Bunker H in Bozen haben wir ausgewählt. Es sollen keine klassischen Sitzkonzerte sein, sondern Erfahrungen, wo man auch Südtirol neu entdecken kann.
Gibt es eine Gruppe, auf die du dich heuer besonders freust?
Ich tue mich gewaltig schwer, eine besondere Gruppe herauszufischen. Ich möchte bei so vielen Konzerten wie möglich anwesend sein. Besonders freue ich mich auf das Eröffnungskonzert mit Kid Be Kid und Leïla Martial, die noch nie zusammen gespielt haben. Letztere ist eine Stimmkünstlerin. Das wird sicherlich super. Ich freue mich auch auf Sun-Mi Hong, Teis Semey, Don Kapot with Fulco Ottervanger, La Litanie des Cimes oder Ghost Horse. Ich bin zudem gespannt auf unser Projekt, dass wir mit Lukas Kranzelbinder ins Leben gerufen haben: Kabarila. Dabei spielt er selbst als Bassist mit Delphine Joussein (Flötistin), Julian Sartorius (Schlagzeuger), Johnny Schleiermacher (Saxophonist) und begleitet durch zwei Tänzer für fünf Stunden lang durch. Wenn es gut läuft soll dieses „Ritual“ jährlich wiederholt werden.
Wie würdest du das heurige Programm beschreiben?
Es ist bunt gemischt. Es ist die erste Ausgabe seit langem, wo kein Länderschwerpunkt herrscht. Die letzten zehn Jahren hatten ja einen aber heuer wollten wir uns gar keine Einschränkung auferlegen. Wir haben Künstler:innen und Projekte, die uns taugen, gebucht. Mein Tipp an die Besucher ist, da viele unserer Musiker:innen nicht unbedingt so bekannt sind, sich einfach eine Gruppe auszusuchen, die einen anspricht, und sich unvoreingenommen darauf einzulassen.
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