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Wie bist du zum Organisator des Jazzfestivals geworden?
Heuer feiern wir das 40-jährige Jubiläum. Ich bin 1983 zum Organisationskomitee hinzugestoßen. Ich bin damals als junger Arzt von Wien heimgekehrt. Da ich seit jeher musikalisch interessiert war und in Wien mit der Jazzszene in Berührung gekommen bin, wollte ich mich organisatorisch engagieren. Es reizte mich, was anderes zu machen sowie die tolle internationale Musik zum Festival zu bringen. In den 1980er-Jahren gab es in Südtirol noch keine Festivals, da war die Ambition, als heimgekehrter Südtiroler etwas auf die Beine zu stellen, groß. Doch erst ab dem Jahr 2000 war ich dann federführend tätig.
Was motiviert dich, ein solches Festival für so viele Jahre zu organisieren?
Um das Jahr 2000 verlor das Festival an Bedeutung und es bestand die Notwendigkeit, die Sichtbarkeit zu erhöhen, aber auch mehr Geld aufzutreiben. Ich änderte ein wenig das Konzept und wollte es international ausrichten. Entscheidend war, ein Netzwerk zu schaffen und Partner zu finden. In Südtirol entstand somit eine Community, die mit der Zeit größer wurde. Dadurch entstand ein modernes Produkt, das durch gute Werbung öffentlich sichtbar wurde. Es kamen nicht unbedingt große Namen zum Festival, sondern junge Leute, die motiviert waren, selbst kreativ zu werden. Mein Motto war immer: In Südtirol können wir auch international sein und über unsere Grenzen hinausschauen. Es geht darum, etwas Zeitgenössisches zu schaffen.
Hat dich in all den Jahren die öffentliche Hand unterstützt?
Ich habe immer viel Unterstützung bekommen, vor allem vom Land, den Gemeinden, aber auch vom Tourismusbereich. Südtirol hat für das Jazzfestival, was wirklich nicht jedermanns Sache ist, viel Verständnis gezeigt. Man musste sich die Unterstützung zwar erst suchen, aber das Konzept wurde von Beginn an unterstützt. Das Festival wollte in all den Jahren nicht in erster Linie Geld verdienen, sondern ein eigenständiges künstlerisches Profil entwickeln. Die künstlerische Freiheit hatten wir nur, weil wir immer eine finanzielle Basis hatten. Dadurch war diese Innovation möglich, für die uns viele andere Veranstalter beneideten und schlussendlich zu dem werden ließ, was dieses Festival auszeichnet.
Ab dem 26. Juni findet die 40. Ausgabe des Festivals statt, sie ist dem europäischen Gegenwartsjazz gewidmet. An über 30 Spielorten in allen Südtiroler Landesteilen bietet das Festival 56 Konzerte an, die zeigen, “wie der europäische Jazz auf Genres, Stile und Traditionen zurückgreift”, schreiben die Veranstalter, aber auch wie er sich ständig weiterentwickelt.
Was ist der „alte“ und was der „neue“ Jazz?
Jazz entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den USA. Ein Merkmal dieser Musik ist es, sich rasch weiterzuentwickeln. Es gab immer einen bestehenden Jazz und den neuen. Da war seit jeher ein gewisser Kontrast und es gab immer wieder einen neuen Jazz. Als Festival sind wir auf der Suche nach diesem Jazz. Wir wollen keinen „musealen“ Jazz, sondern präsentieren neue Richtungen, die den Musikerinnen und Musikern erlauben, ihre Interpretation miteinzubringen. Natürlich müssen sie mit der Grundidee und der Sprache des Jazz vertraut sein. Weiters ist das Ethnische zu berücksichtigen. Wir sind durch Europa gereist, um junge Musiker zu finden. Dabei ist uns aufgefallen, dass Europa mittlerweile multikultureller als die USA ist. Diese kulturelle Vermischung hat einen enormen Einfluss auf die europäische Jazzszene. Genau diese Musik will das Festival präsentieren.
Gibt es deiner Meinung nach ein Revival des Jazz?
Ich höre oft, wie cool Jazz doch ist. Er macht gute Laune und eignet sich hervorragend als Lounge-Musik. Der Jazz macht im Musikbusiness vielleicht drei Prozent des Gesamtvolumens aus. Da ist wenig Potential drin. Jazz ist keine Populärmusik. Ich war immer musikbegeistert und hörte jegliche Art von Musik, von Klassik über Schlager bis hin zu Rock. Trotzdem fehlte mir etwas, das ich im Jazz fand. Er ist einfach für Abenteurerinnen und Abenteurer gemacht, die ein Risiko eingehen und Unangenehmes machen wollen. Deshalb kann Jazz nur eine Minderheitenmusik sein.
Was zeichnet den „neuen“ Jazz aus und kannst du ihn anhand einer Band erläutern?
Da tue ich mich schwer, denn alle Bands versuchen auf ihre Art Neues zu machen. Einige bringen Rock-Elemente mit ein oder fügen etwa durch eine Vokalistin Stimmelemente sowie rhythmische Dinge hinzu. In einer Band entstehen ethnische Verbindungen und in einer weiteren Tanzkombinationen. All dies ist nicht gewöhnlich für den Jazz. Im Festival entstehen Begegnungen und wir haben auch schon Bands zusammengebracht. Es treffen Musikwelten aufeinander und die ganzen europäischen Länder weisen Unterschiedlichkeiten auf. Mir fehlen die Kriterien, wie genau ich eine bestimmte Gruppe bewerten sollte. Mir wird öfters diese Frage gestellt, doch ich kann sie nie beantworten (lacht).
Welches Programm wartet in diesem Jahr auf die Zuschauerinnen und Zuschauer?
Ich würde es als eine Art Reise durch Europa beschreiben. Mit vielen Musikern haben wir schon zusammengearbeitet und es entstanden tolle Projekte. Sie haben sich in den Jahren weiterentwickelt und genau dieser Prozess ist für mich interessant. Sie haben ihrerseits neue Künstler mitgebracht – im Sinne: “Du warst selbst neu auf dem Jazzfestival, jetzt bringst du tolle neue Musiker mit.“ Beim Eröffnungskonzert werden sie gemeinsam auftreten. Und das auch situationsbedingt, wo wir beispielsweise im Volkskundemuseum in Dietenheim eine musikalische Begehung mit Musikspots während einer Führung organisiert haben. Da habe ich die Duos zusammengestellt.
Dann gibt es die sogenannten Werkstätten wie die Euregio-Jazzwerkstatt. Da fördern wir junge Musikerinnen und Musiker aus der Europaregion Tirol, die die Möglichkeit erhalten, mit internationalen Acts auf der Bühne zu stehen. Die Jazz-Werkstatt Wien spielt mit den Strottern zusammen, das ist ein hippes, modernes Duo. Zudem haben wir eine musikalische Wanderung organisiert, die von Matthias Schriefl und Johannes Bär mit Alphörnern und Blasinstrumenten begleitet wird, was schon schräg ist. Wir haben Vokalisten-Performances, entweder im Duo oder ohne Instrumente. Als Abschluss tritt ein Jazz-Musiker als Deejay auf, sodass wir alle auch gut tanzen können.
Was treibt dich an, jedes Jahr aufs Neue das Festival auf die Beine zu stellen?
Es ist eine große Verantwortung, denn jedes Jahr muss das Finanzielle gesichert werden. Es ist ein persönlicher Anreiz, das Angebot immer origineller zu gestalten. Ich bin dabei meine Nachfolge zu organisieren und ich werde nicht mehr allzu lange weitermachen. Meine Vision, das Festival zu einem internationalen Event zu machen, hat sich verwirklicht. Es hat durchaus Vorbildwirkung für andere Festivals, vor allem was das Experimentelle betrifft. Viele Veranstalter und Veranstalterinnen kommen her, um dieses Neue zu entdecken. Das Modell der Vernetzung, überall Konzerte und die Idee, dass die Musiker länger in Südtirol bleiben, damit sie interagieren können, kommen gut an. Oft denke ich mir, man sollte aufhören, wenn es am Schönsten ist. Ich habe ein tolles junges Team auf die Beine gestellt, das gut ohne mich weiterarbeiten kann.
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