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Ich treffe Roland Gruber in der Bar Exil, in der es einst den ersten Hugo Bozens gegeben haben soll. Das war im Jahr 2005, nachdem Roland Gruber ihn in seiner Bar San Zeno in Naturns als Hausgetränk auf die Karte gesetzt hat – und damit gigantischen Erfolg in Südtirol und einige Zeit später auf der ganzen Welt hatte. Der Hugo-Erfinder gesteht bereits beim Bestellen, dass er selbst nie Hugo trinkt – er habe den Hugo für Frauen kreiert. Nach einem Blick in die Bar korrigiert er sich grinsend: „Für Frauen kreiert, aber von allen getrunken“ – und bestellt einen Veneziano.
Veneziano und Hugo stehen mittlerweile auf gleicher Höhe – hättest du dir je gedacht, dass dein Cocktail die Welt erobert?
Nein, ich habe keine Ahnung, wie der Hugo das hinbekommen hat. Jährlich werden zig neue Cocktails von Profis erfunden, die auf keiner Karte landen. Ich bin erstens kein Profi – ich habe mir alles, was ich kann, selbst beigebracht. Und zweitens wurde der Hugo von niemandem gepusht. Man muss wissen, dass der Veneziano extrem beworben worden ist, nachdem die Aperol-Flaschen jahrelang in den Regalen verstaubt sind. Hinter dem Veneziano steht jede Menge Geld und Werbung. Der Hugo ist im Alleingang bekannt geworden. Er hat einfach überzeugt.
Wie ist denn dein Hugo dann tatsächlich geboren worden?
In meinen drei Jahren im San Zeno in Naturns habe ich immer wieder neue Kreationen gemixt und sie meinen Stammgästen und Freunden zum Verkosten serviert. Der Hugo hat allen geschmeckt – also sollte er als Hausgetränk auf die Cocktail-Karte. Wir sind an einem Abend dann gemeinsam in der Bar gesessen, haben Cocktails getrunken und über den Namen des neuen Cocktails nachgedacht. Das Brainstorming uferte dermaßen aus, dass irgendwann jemand gemeint hat: „Na, hem konsch nen jo glai Hugo nennen!“ Der Hugo hätte auch „Otto“ heißen können, es war einfach der blödeste Name, der uns eingefallen ist. Wer hätte denn gedacht, dass den Namen mal jeder kennen würde!
Der Kellner bringt einen Veneziano für Roland Gruber und einen Hugo für mich. Ich bitte um eine Analyse des Cocktails: „Ich will da jetzt keine Beurteilung abgeben … Ich könnte hochstens feststellen, dass die Zitrone fehlt und er vielleicht zu süß sein wird – das sieht man an den Sirupfäden im Getränk.”
Wie muss denn nun ein echter Roland-Gruber-Hugo zusammengestellt sein?
In meinen Hugo müssen 15 cl gekühlter Prosecco, 2 cl Zitronenmelissensirup, einige Blätter Minze und ein Spritzer Soda hinein. Die verrührt man in einem Weinglas mit Eiswürfeln und garniert das Ganze mit einem Stück Zitrone. Ich habe von Anfang an Zitronenmelissensirup verwendet, da ich finde, dass sich der Holundersirup mit der Minze beißt – die meisten Barkeeper sehen das aber anders.
Hast du deinen Hugo patentieren lassen?
Ich hatte das vor, aber Mischgetränke patentieren zu lassen, ist sehr schwierig und de facto nur möglich, wenn sie bereits gemischt verkauft werden. Ich müsste dafür einen Dosen-Hugo in Auftrag geben. Ich habe eine Weile in Zusammenarbeit mit einem Südtiroler Unternehmen an einem solchen Hugo experimentiert, aber das Ergebnis hat mich einfach nicht überzeugt. Der Hugo lebt von seiner Frische, den kann man nicht abfüllen. Ich habe deshalb beschlossen, das sein zu lassen, auch wenn mich manche Barkeeper dafür verfluchen: Der Hugo ist relativ günstig, aber aufwändig zu machen. Sie würden den sofort kaufen.
Ruhm ist also das Einzige, was dir bleibt?
Könnte man so sagen, auch wenn ich Ruhm als ein zu großes Wort empfinde. Ich hatte Glück den richtigen Cocktail im richtigen Moment zu mixen. Am Hugo selbst habe ich aber tatsächlich keinen Cent mehr verdient, nur weil ich ihn erfunden habe.
Du bist für das Interview aus der Schweiz angereist – was hat dich dorthingezogen?
Ich bin noch nie länger als drei Jahre an einem Ort geblieben, ich bin ein Weltenbummler – wenn auch nur auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt. Ich habe im Vinschgau, Pustertal, München und anderen Städten Deutschlands, St. Moritz und auf Sylt gearbeitet. Vor knapp zwei Jahren habe ich eine Auszeit gebraucht, da bin ich von Frankreich bis nach Santiago de Compostela auf dem Jakobsweg gewandert. Das hat unglaublich gut getan. Zurzeit betreibe ich mit meiner Partnerin in Wallis das Berghotel Riederfurka. Ich spiele mit dem Gedanken, nach Südtirol zurückzukehren, da ich als waschechter Südtiroler unser Landl schon vermisse. Doch leider wird es einem hier durch Gesetze und Regelungen fast unmöglich gemacht, eine rentable und erfolgreiche Bar aufzuziehen.
Ist die schwierige Gesetzeslage ein Grund für das relativ kümmerliche Angebot an Bars und Clubs in Südtirol?
Ja, es ist hier schon sehr schwierig. Ich bin als Wirt für die Lautstärke der Gäste verantwortlich. Doch wie erkläre ich das einer Gruppe gut gelaunter Leute, die beim dritten Bier sitzen? Die lachen nun mal laut. In Südtirol wird das nicht toleriert. Dazu kommen extrem frühe Sperrstunden, hohe Steuern und nachts kaum Verbindungen – mit dem Auto kann man nicht fahren, mit dem Taxi wird man arm, Busse gibt es nicht. Kein Wunder, dass viele junge Barkeeper auswandern.
Aber du wirst trotzdem wieder nach Südtirol zurückkommen?
Ja, in ein paar Jährchen. Ich bin jetzt 42, falls ich noch Kinder haben werde, will ich nicht, dass sie in der Schweiz aufwachsen. Es tut so gut, mal wieder eine normale Sprache zu hören. Ich könnte es ja nicht zulassen, dass meine Kinder das Schweizer „kchkchkch“ übernehmen, wenn Südtirolerisch doch so schön ist.
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