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Veröffentlicht
am 27.12.2017
LebenGastkommentar zum Doppelpass

„Nicht mein Heimatland“

Veröffentlicht
am 27.12.2017
Die neue österreichische Regierung plant die Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler. Unsere Gastautorin ist Wahl-Österreicherin – und lehnt den Doppelpass ab.
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Jetzt hat die neue Regierung der Republik Österreich also wieder mal das Thema Doppelpass für Südtiroler*innen auf den Tisch gebracht. Und wie immer, wenn es um das Thema Südtirol geht, ist es die extreme Rechte aus Österreich, Südtirol und Italien, die am lautesten schreit und ihre Meinung kund tut. Weil ich mich nicht zu diesem weltanschaulichen Flügel zähle, drängt sich mir eine Frage auf: Warum glaubt die Regierungsspitze in Wien zu wissen, dass ich einen rot-weiß-roten Doppelpass haben will?

Ich habe Österreich nie als mein Heimatland betrachtet.

Ungeachtet dessen behauptet Neo-Vizekanzler Strache, dass eine überwiegende Mehrheit der Südtiroler*innen sich für die Doppelstaatsbürgerschaft ausspricht. Um diesem scheinbar drängenden Willen aus der kleinen Nachbarregion nachzugeben, wollen er und Kollege Kurz den deutschsprachigen und ladinischsprachigen Bürger*innen dieses Privileg ermöglichen. Manch einer spricht dabei gar von einer emotionalen und politischen Annäherung an das Vaterland. Und genau an diesem Punkt beginnt es, für mich befremdlich zu werden: Ich kann zwar bestimmt nicht für meine gesamte Generation sprechen und schon gar nicht für die Gesamtheit deutschsprachiger Südtiroler*innen. Aber ich habe Österreich nie als mein Heimatland betrachtet.

Genau genommen habe ich über mein vermeintliches Vaterland so gut wie nichts gewusst, als ich noch ein Schulkind im idyllischen Pustertal war. Da gab es nur ein paar große Namen, Haider, Falco, Hermann Maier: Das war Österreich. Die Buchstabenfolge Kreisky und Dollfuß habe ich erst mit Inhalten gefüllt, als ich meinen Wohnsitz nach Salzburg verlegt habe. Wir waren auf Winterurlaub nicht in Österreich, Skilifte haben wir ja unsere eigenen und unseren Sommerurlaub haben wir aus geografischen Gründen an die Adria oder ans Mittelmeer verlegt.

Eine Zeit lang war Österreich für mich nicht viel mehr als Innsbruck: Da gab es das DEZ und da sind wir alle am 25. April zum Shoppen hingepilgert, wenn in Italien der Tag der Befreiung vom Faschismus gefeiert wurde. Nach der Matura haben die meisten von uns in Innsbruck Fuß gefasst – um später wieder ins Landl zurückzukehren. Eine emotionale und politische Annäherung an Österreich wollte in meinem Umfeld niemand.

Das mögen jetzt die einen politische Trägheit nennen und die anderen mögen vermuten, dass mit dieser Haltung „unser kleines Volk stirbt“. Aber im Grunde haben sich die meisten in meinem Umfeld an die gegebenen Umstände angepasst und sich gemäß einem Eklektizismus auf hohem Niveau nur das Beste aus ihrer Lebensrealität gepickt. Geschickt haben wir ältere und neuere Traditionen vereint. Wir tragen italienische Mode und fluchen auf Italienisch, auf den Tisch kommen Pasta und Speckknödel und ab und zu packen wir auch gerne die Tiroler Tracht aus. Aber nur die wenigsten, deren Füße in diesen ungemütlichen Trachtenpatschen stecken, heben die Fackel für rot-weiß-rot.

Versteht mich nicht falsch, ich mag Österreich. Ich wohne gern hier, bin leiwanden Menschen genauso wie Grantlern begegnet. Aber ich habe mich ihnen nicht überdurchschnittlich verbunden gefühlt. Das Thema der Staatsbürgerschaft hat mich auch nie beschäftigt, bis ich in meinem ersten Semester in Salzburg auf Partys mit liebevollem Blick von jedem zweiten Österreicher danach gefragt wurde. Die Frage, die alle Auslandssüdtiroler*innen zu gut kennen: wie man sich denn nun fühle, so als Südtirolerin.

Tatsache ist, dass sich die meisten jungen Südtiroler*innen, mit denen ich aufgewachsen bin, weder gefährdet noch vom Aussterben bedroht fühlen. Es kann daran liegen, dass ich die dritte Generation nach der Annexion Südtirols durch Italien bin und ich mein ganzes Leben von autonomischen Sonderrechten wohlgenährt wurde. Ich habe eine zweite Sprache neben meiner Muttersprache erworben und ich war live dabei, als sich die italienisch- und deutschsprachige Sprachgruppe aneinander angenähert haben – mit mal größerem, mal kleinerem Erfolg. Sicher gibt es noch viele Löcher zu stopfen und Wunden zu heilen. Aber das liegt ganz sicher nicht im Aufgabenbereich der neuen österreichischen Bundesregierung.

Ich möchte nicht, dass die Regierung in Wien aus PR-Zwecken über die hochsensible Situation vor Ort mit Privilegien für Deutschsprachige und Ladinischsprachige drüberwalzt. Ich möchte keine emotionale oder politische Annäherung an das vermeintliche Vaterland zugunsten eines verseuchten und ideologisch angespannten Klimas. Ich möchte nicht, dass eine Frage, die per se schon spaltet, hochgekocht wird, um damit eine noch größere Spaltung mit sich zu bringen. Vor allem möchte ich das Thema aber nicht der österreichischen, südtiroler und italienischen Rechten überlassen.

Gastkommentar von Veronika Ellecosta

Die Autorin ist Exil-Südtirolerin und wohnt in Salzburg. Der Beitrag ist erstmal im Salzburger Online-Medium Fräulein Floras Favourite Hangouts erschienen.

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