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Der 12. Mai markiert den internationalen Tag für ME/CFS. Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom, kurz ME/CFS, ist eine komplexe Erkrankung, die durch anhaltende Erschöpfung, Muskelschmerzen, Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen und andere Symptome gekennzeichnet ist. Die genauen Ursachen der Krankheit sind noch unklar, weshalb es keine Heilung gibt. Die Behandlung konzentriert sich darauf, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Mindestens 2.000 Menschen in Südtirol leiden an dieser Krankheit, rund 25 % von ihnen können deswegen das Haus nicht mehr verlassen. Lisa Weis erkrankte im Alter von zwölf Jahren an ME/CFS. Zehn Jahre dauerte es, bis sie 2021 endlich eine Diagnose erhielt. Mit 25 Jahren gründete sie 2022 die Initiative ME/CFS Südtirol, um anderen Betroffenen zu helfen.
BARFUSS: Lisa, könntest du uns etwas über deine persönliche Erfahrung mit ME/CFS erzählen und wie es dich dazu motiviert hat, eine Initiative in Südtirol zu gründen?
Lisa Weis: Vor 13 Jahren bin ich an ME/CFS erkrankt. Zehn Jahre lang suchte ich vergeblich nach Hilfe bei verschiedenen Ärzten, wurde jedoch ständig abgewiesen oder mit Vorurteilen konfrontiert wie „Jeder ist manchmal müde“. In Südtirol wurde meine Erkrankung nicht ernst genommen. Nachdem ich eine Doku über ME/CFS sah und feststellte, dass meine Symptome übereinstimmten, suchte ich erneut nach Hilfe. Doch man sagte mir, meine Erkrankung sei psychisch und ich solle zum Psychiater gehen. Die Long-Covid-Station in Sterzing erklärte, dass sie mit der Komplexität einer weiteren Krankheit nicht umgehen könnten. Deshalb suchte ich weiter und fand schließlich den nähest gelegenen ME/CFS-Spezialisten in Wien, bei dem ich 2021 meine Diagnose erhielt. Niemand sollte so lange auf eine Diagnose warten müssen. Diese Odyssee bis zur Diagnose hat niemand verdient, weshalb ich 2022 die Initiative ME/CFS Südtirol gründete.
Was genau ist ME/CFS Südtirol? Welche Ziele hat deine Initiative?
Die Initiative diente als Anlaufstelle für Betroffene und Angehörige sowie als Austauschplattform und Selbsthilfegruppe. Aus pragmatischen Gründen habe ich die Selbsthilfegruppe ME/CFS Südtirol aufgelöst und mich der Rheuma Liga Südtirol angeschlossen. Die Gründung eines eigenen Vereins ausschließlich für ME/CFS in Südtirol wäre zu komplex gewesen. ME/CFS Südtirol ist nun Teil der Rheumaliga. Als Vorstandsmitglied vertrete ich die Interessen der ME/CFS-Patient:innen. Im Herbst startet eine neue Selbsthilfegruppe mit einer spezialisierten Psychologin, in der Betroffene und Angehörige sich austauschen können. Zusätzlich wird wöchentlich Yoga für ME/CFS angeboten.
In Südtirol wurde meine Erkrankung nicht ernst genommen.
Lisa WeisWie sieht die aktuelle Situation von ME/CFS in Südtirol aus?
Leider hat sich wenig verändert. Öffentliche Anlaufstellen für ME/CFS in Krankenhäusern fehlen immer noch. Es gibt einen einzigen Privatarzt für ME/CFS, Dr. Tischler in Meran, aber nur den einen. Die Rheuma Liga kämpft seit langem für die Ticketbefreiung bei ME/CFS. Für Fibromyalgie, eine häufig auftretende chronische Schmerzerkrankung, wurde erst nach zehn Jahren die Ticketbefreiung erreicht. Der 12. Mai ist übrigens sowohl für diese Krankheit als auch für ME/CFS der internationale Tag, da die Leidenswege ähnlich sind. Bei beiden Krankheiten konnte noch kein Biomarker gefunden werden, sodass die Behandlung symptomatisch mit Off-Label-Medikamenten erfolgt.
Welche Maßnahmen würdest du in Südtirol gerne in Bezug auf ME/CFS sehen, um die Situation zu verbessern?
Es ist entscheidend, dass sowohl die Gesellschaft als auch die Politik und die Medizin für die Herausforderungen von ME/CFS sensibilisiert und aufgeklärt werden. Obwohl wir seit einigen Jahren mit dem Team K in Kontakt stehen, wurden unsere Beschlussanträge bisher abgelehnt, da die Politik meint, es gäbe ausreichende Anlaufstellen. Die SVP hat sich bisher nicht für die Belange der ME/CFS-Betroffenen interessiert. Es ist dringend erforderlich, ME/CFS stärker in die politische Agenda zu integrieren und Ärzte besser zu schulen. Finanzielle Unterstützung und soziale Absicherung sind ebenfalls unerlässlich, da viele Betroffene nicht in der Lage sind, zu arbeiten, und oft auf die Pflege durch Angehörige angewiesen sind. Es ist an der Zeit, diese Angehörigen zu entlasten und die Betroffenen angemessen finanziell abzusichern.
Gibt es spezifische Projekte, an denen du und die Rheuma Liga derzeit arbeiten, um das Bewusstsein für ME/CFS zu erhöhen oder den Betroffenen zu helfen?
Ja, am internationalen Tag von ME/CFS wird das Landhausgebäude nun zum dritten Mal blau beleuchtet. Die Initiative heißt „Light up the night for ME/CFS“. Dies ist eine internationale Geste, um auf die Krankheit und das Leiden der Betroffenen aufmerksam zu machen. Zusätzlich organisieren wir am 10. Mai ein Symposium mit Dr. Michael Stingl aus Wien und Professor Johannes Peter Haas aus Garmisch-Patenkirchen. Diese haben in Deutschland die erste ME/CFS-Spezialsprechstunde für Kinder und Jugendliche eingerichtet. Auch Dr. Tischler aus Meran wird beim Symposium über die Situation in Sdütirol sprechen.
Es ist entscheidend, dass sowohl die Gesellschaft als auch die Politik und die Medizin für die Herausforderungen von ME/CFS sensibilisiert und aufgeklärt werden.
Lisa WeisWie geht’s dir mittlerweile, zwei Jahre nach der Diagnose?
Mir geht es den Umständen entsprechend gut. Die Diagnose war für mich eine Art Rettung, da das Schlimmste an der Krankheit war, dass mir so lange nicht geglaubt wurde. Ich habe das Glück, ein Off-Label-Medikament einnehmen zu können, das für eine andere Krankheit entwickelt wurde, aber bei mir und meinen Symptomen gut wirkt. Dieser Weg hat meine Lebensqualität deutlich verbessert. Es ist kein normales Leben, aber definitiv wieder mehr Leben.
Hilfreiche und weiterführende Links:
Österreichische Gesellschaft für ME/CFS (freiwillig-engagiert.at)
ME/CFS Verein Schweiz (mecfs.ch)
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