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Thomas Vonmetz
Veröffentlicht
am 14.03.2022
LebenInterview zur Pflege

Vergessene Helden

Veröffentlicht
am 14.03.2022
Mattia Ricci studiert Krankenpflege an der Claudiana und setzt sich für ein positiveres Image der Berufsausbildung ein. Warum das notwendig ist, erklärt er im Interview.
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Zum Berufsbild des Krankenpflegers herrschen viele Vorstellungen in der Gesellschaft vor – die meisten aber seien verzerrt, ist Mattia Ricci, Studentenvertreter an der Claudiana, überzeugt. Für das Gesundheitssystem hat das weitreichende Folgen, unter anderem einen Mangel an Nachwuchs. Im Interview spricht Mattia Ricci über die öffentliche Wertschätzung seines Berufs und darüber, wie junge Menschen animiert werden können, diesen Beruf zu ergreifen.

Wie siehst du die momentane Situation der Krankenpflege in Südtirol?
Absolut verbesserungsfähig. Sie war schon vor der Pandemie nicht so rosig. Wir sind zwar noch in Ausbildung, aber durch die Praktika haben wir schon einen kleinen Einblick, was die Berufsprobleme anbelangt. Vor allem die Pandemie hat ein chronisches Problem wieder akut gemacht.

Mattia Ricci

Sprichst du dabei das Berufsimage an?
Ich glaube, das Image war nie besonders gut. Wenn ich meinen Freunden berichtet habe, dass ich Krankenpfleger werde, dann haben sie alle gleich von „Arzthelfer“ gesprochen. Das mag zwar früher so gewesen sein, heutzutage aber nicht mehr. Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung werden stetig mehr. Klar befolge ich als Krankenpfleger auch Anweisungen des Arztes, aber nicht nur.

Welchen Einfluss hatte die Pandemie darauf?
Das Image hat unter der Pandemie meiner Meinung nach nicht gelitten. Doch viele Krankenpfleger fühlten sich im Stich gelassen. Die Pandemiemaßnahmen rund um den Green Pass wurden als zu rigoros angesehen. Wir als Studenten haben das aber nicht direkt mitbekommen.

Gibt es einen Pflegenotstand in Südtirol?
Es gibt einen Pflege- und Fachkräftemangel. Ob das bereits ein Notstand ist, weiß ich nicht. Sicher ist, dass der Trend in Richtung Notstand geht. Nächstes oder spätestens übernächstes Jahr gehen 1.600 Pfleger in Pension. Das hat mit Sicherheit Folgen für die Krankenversorgung. In der Claudiana schließen etwa 50 bis 70 Studenten jährlich das Studium ab. Diese 1.600 Krankenpfleger sind also nicht zu kompensieren.

Es gibt also zu wenig Pflegenachwuchs?
Richtig. Das Angebot an Stellen ist hoch, die Nachfrage ist gering.

Kann man dem doch entgegenwirken, indem man Krankenpfleger aus dem Ausland einstellt?
Ich kenne viele süditalienische Kollegen, die nach Südtirol kommen. Meist bleiben sie aber nur temporär im Lande. Ausländische Pflegekräfte habe ich keine kennengelernt, die effektiv dableiben. Über 90 Prozent sind sicherlich Südtiroler bzw. Italiener.

Viele jungen Leute denken sich, ich will nicht drei Jahre studieren, um danach nur Körperpflege durchzuführen. Das ist aber ganz und gar nicht der Fall.

Laut Medienberichten habt ihr Studenten nun Forderungen zur Verbesserung des Berufsimages gestellt.
Ich habe mitbekommen, dass einige Dinge nicht ganz richtig dargestellt wurden. Es sind nicht wir Studenten der Claudiana gewesen, die Forderungen erhoben haben, sondern wir wurden dazu aufgerufen, zum Image- und Nachwuchsproblem Stellung zu beziehen. Die SABES und die Landesverwaltung haben konkrete Vorschläge auf den Weg gebracht, die wir Studentenvertreter kommentiert haben. Wir haben dann unsere Vorschläge eingebracht. Es war also nicht so, dass wir Studenten Forderungen direkt eingebracht haben.

Wie soll dem Berufsstand zu mehr Ansehen verholfen werden?
Man muss zwei Dinge unterscheiden: Erstens die Nachwuchsförderung und zweitens die Zufriedenstellung der aktiven Pfleger. Bei Letzterem bilden die Forderungen der verschiedenen Gewerkschaften den Hauptfokus. Alle Gewerkschaften fordern eine Anpassung des Gehalts auf europäisches Niveau. Da spielen wir mit Sicherheit nicht in der Oberliga. Was die Nachwuchsförderung betrifft, ist es entscheidend, das Image aufzuwerten. Krankenpflege ist wichtig und soll cool sein. Viele jungen Leute denken sich, ich will nicht drei Jahre studieren, um danach nur Körperpflege durchzuführen. Das ist aber ganz und gar nicht der Fall, denn das ist nur ein kleiner Teil der Aufgaben. Es muss einfach attraktiv sein, Krankenpfleger zu werden.

Wie wollt ihr das erreichen?
Dazu gehört die Aufwertung der Uni an sich. Heute ist die Ausbildung ein Bachelorstudium und das ist gut so. Wir haben uns deswegen gegen periphere Ausbildungsstandorte ausgesprochen, weil die Ausbildung sonst wieder wie eine Schule wahrgenommen würde. Der Campus der Claudiana sollte aber aufgewertet werden. Viele junge Studierende gehen nach Österreich und teilweise in die Schweiz. Das gilt es zu verhindern. Eine wichtige Rolle spielen dabei der soziale und interkulturelle Austausch. Zu Studienbeginn waren wir 120 Studenten und bezüglich der Sprachgruppen ausgeglichen. Um in Südtirol zu arbeiten, muss man beide Landessprachen beherrschen. Aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen, dass das Studium die Sprachkompetenzen enorm steigert. Periphere Standpunkte würden dem entgegenwirken, da dieser Austausch nicht stattfinden würde.

Gibt es noch andere Dinge, die zur Aufwertung beitragen können?
Auf jeden Fall braucht die Claudiana eine Mensa. Es für eine universitäre Außenstelle nicht tragbar, keine eigene Mensamöglichkeit anzubieten. Die wenigen vorhandenen Mikrowellen und Sitzplätze für mitgebrachtes Essen sind auch keine langfristige Lösung.
Weiters sollten Heimplätze aufgewertet und ausgebaut werden. In Bozen eine WG zu finden, ist so gut wie unmöglich und sehr teuer. Bis jetzt haben Personen je nach Wohnort einen prioritäreren Anspruch auf einen Heimplatz. Wer weiter weg von Bozen wohnt, bekommt also einen Heimplatz. Durch den Ausbau würden mehr Studierende diesen Dienst in Anspruch nehmen und die Diskussion um periphere Standpunkte würde auch wegfallen. Bei unserem Heim in der Bozner Fagenstraße besteht Luft nach oben. Vor allem platzmäßig müsste es ausgebaut werden.

Wenn sich das Bild in der Gesellschaft nicht ändert, werden junge Menschen diesen Beruf nicht anstreben.

Du hast die Sprache angesprochen, haltet das manche vom Studium ab?
Ja, das habe ich bei einigen Bekannten gesehen. Sie sind ins deutschsprachige Ausland gegangen, um Italienisch zu vermeiden. Sie müssen sich aber bewusst sein, dass sie Schwierigkeiten bei der Berufsausübung haben werden, sollten sie nach Südtirol zurückkehren. Vor allem fachlich. In Südtirol ist es üblich, beide Sprachen im Berufsalltag gleichzeitig zu verwenden. Fachbegriffe werden da vermischt.

Welche Rolle spielt die Gesellschaft?
Es braucht auf jeden Fall die Anerkennung. Wenn ich negative Dinge über die Pflege höre, dann ist das demotivierend. Es müssen, wie gesagt, Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Attraktivität zu steigern. Wenn sich das Bild in der Gesellschaft nicht ändert, werden junge Menschen diesen Beruf nicht anstreben. Es stimmt, dass die Arbeitsbelastung hoch ist. Aber das ist auch eine Folge des Fachkräftemangels. Ein Teufelskreis also.

Was kann die Politik tun?
Aus der Sicht eines Auszubildenden haben wir so gut wie nichts mit Politik zu tun. Wir sind eine Partneruniversität der Universität Verona. Was wir der Politik zu verdanken haben, ist beispielsweise ein Taschengeld für unsere Praktika. Das gibt es nirgendwo in Italien. Beim Übergang in das Berufsleben wird die Rolle der Politik dann gewichtiger. So weit sind wir aber noch nicht.

Ein konkreter Vorschlag war die Sensibilisierung in den Oberschulen. Dort sollen Studenten in höheren Semestern Aufgaben, Kompetenzen und den Berufsalltag vermitteln.

Und die Gewerkschaften?
Bei der oben erwähnten Sitzung waren auch Gewerkschaftsvertreter anwesend. Sie waren sehr interessiert am Standpunkt von uns Studierenden. Deren Rolle ist zentral, da sie Forderungen an die Politik stellen und unsere Interessen vertreten. Wir Studenten haben diese Sitzung mit Gewerkschaftsvertretern sehr positiv aufgenommen.

Du willst als Studentenvertreter für diese Themen sensibilisieren. Wie genau?
Das Wichtigste ist Aufklärungsarbeit. Ein konkreter Vorschlag war die Sensibilisierung in den Oberschulen. Dort sollen Studenten in höheren Semestern Aufgaben, Kompetenzen und den Berufsalltag vermitteln. Wir Studenten wären dazu gut geeignet. Viele junge Menschen wissen nicht genau, was sie im Leben machen wollen. Vielleicht können wir den einen oder anderen dazu animieren, diesen Beruf zu ergreifen. Hier spielt das Image des Berufes eine zentrale Rolle.

Welche eurer Forderungen könnten in naher Zukunft umgesetzt werden?
Alle sind realistisch. In naher Zukunft wird die Aufwertung des Images nicht so schnell umgesetzt werden können. Dazu braucht es Zeit. Die Aufwertung des Campus ist hingegen zeitnah möglich. Die Claudiana könnte in Zusammenarbeit mit dem SABES eine Kampagne starten. Alle würden profitieren und wir Studenten stünden hierfür gerne zur Verfügung.

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