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Wenn Margit und Ingrid Schwärzer arbeiten, dann sprühen Funken in Orange-, Gelb- und Blautönen und kein Gehörgang bleibt verschont. Die beiden Schwestern sind Schlosserinnen. Ihr tägliches Brot ist das Schweißen, Sägen, Stanzen und Schleifen. Ich treffe sie im Büro der Schlosserei und Schmiede Schwärzer in Gais. An der Wand hängen metallene 3-D-Bilder, die Bäume darstellen. „Die haben wir gemacht“, sagt Margit Schwärzer und beginnt zu erzählen. „Die stammen aus unserer neuen SteelArc-Serie.“ Die 24-Jährige hat gemeinsam mit ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester Ingrid das Angebot der Schlosserei um eine Serie mit kleinen Kunstgegenständen erweitert: Laternen, Schlüsselanhänger, Bilder, Weihnachtsschmuck und Wanduhren. Die Idee dazu kam ihnen, als sie für eine Freundin eine Wanduhr als Geburtstagsgeschenk geschweißt hatten, die sehr gut ankam. Dass sie ihre eigene, kreative Linie entwickeln konnten, verdanken sie der Tatsache, dass sie Teil eines seit 13 Generationen bestehenden Familienunternehmens sind.
Die Schlosserei und Schmiede Schwärzer blickt auf eine lange Tradition zurück. 1611 wurde der Betrieb das erste Mal als Huf- und Waffenschmiede erwähnt. Seit damals ist er in den Händen der Familie, und seine Zukunft ist gesichert: Margit und Ingrid sind seit ihrer Lehre Teil des Betriebes. Dass sie Schlosserinnen werden würden, war dabei gar nicht so sicher.
Margit besuchte nämlich zuerst die Lehranstalt für Wirtschaft und Tourismus (Lewit) in Bozen und absolvierte die Matura. In den Sommerferien versuchte sie sich an verschiedenen Berufen, war Kellnerin, arbeitete in einem Büro – aber auch im elterlichen Betrieb. Das gefiel ihr am besten. Deshalb war für sie im Maturjahr bereits klar, dass sie noch eine Lehre draufsetzen würde. Als Maturantin hatte sie dabei ihren Mit-Lehrlingen gegenüber einen großen Vorteil: Die theoretischen Fächer wurden ihr anerkannt, und sie konnte im zweiten Lehrjahr einsteigen. Vor zwei Jahren legte sie dann die Gesellenprüfung ab, ihr Gesellenstück – ein Kästchen aus Metall. Seitdem arbeitet Margit in der Schlosserei und hebt täglich Treppen, Geländer, Türrahmen und manchmal sogar Gipfelkreuze aus der Taufe – die Haupterzeugnisse der Schlosserei.
Ihre zwei Jahre jüngere Schwester Ingrid hat einen sehr ähnlichen Weg hinter sich. Sie besuchte die Lewit in Sand in Taufers mit Ausrichtung auf soziale Dienste. Eigentlich wollte sie Kindergärtnerin oder Grundschullehrerin werden, aber nach der Matura hatte sie keine große Lust mehr auf eine universitäre Ausbildung. Auch sie war von klein auf immer wieder im Betrieb gewesen, um auszuhelfen. Bei einem Praktikum bei einer Kunstschmiedin tat sich ihr die gute Vereinbarkeit von Kreativität und Schlosserei auf. Ihre Lehre hat sie im heurigen Herbst abgeschlossen, ihr Gesellenstück: ein Couchtisch. Der steht jetzt in ihrer Wohnung.
Ingrid wohnt mit ihrem Freund, der ebenfalls arbeitet, in einer eigenen Wohnung. Auch Margit hat sich bereits eine Wohnung in Sand in Taufers gekauft. Nichts mit Fünfer-WG und finanzieller Abhängigkeit von den Eltern: Die stehen komplett auf eigenen Füßen. Davon sind viele in ihrem Alter noch weit entfernt. „Das ist der Vorteil, wenn man einen Handwerksberuf ergreift“, sagt Margit. „Und das bedeutet ja nicht, dass man sich nicht mehr weiterbildet. Wir besuchen jedes Jahr neben den Pflicht-Fortbildungen freiwillig noch weitere Kurse, zum Beispiel zu Teambildung, zum Computerprogramm Autocut oder wir machen den Staplerführerschein. So schnell lernt man da nicht aus.“ Ingrid fügt hinzu: „Wir müssen ja auch konkurrenzfähig bleiben. Es geht ja nicht bloß darum, ein Geländer zu machen, sondern auch, es gut und schön zu machen. Das kommt mit der Übung, aber auch durch Fortbildungen – oder wenn man den Meister macht.“
Das ist nämlich das Ziel der beiden Schlosser-Gesellinnen. Margit hat sich schon genau erkundigt, was sie vorweisen muss, um sich in den Meister-Kurs einschreiben zu können. Eine längere Berufserfahrung gehört dazu, und die hat sie bald erreicht. Dann kann es mit der zweijährigen Ausbildung losgehen. Dabei werden Themen, die in der grundlegenden Gesellenausbildung nur angeschnitten wurden, weiter vertieft, spezielle Materialien besser behandelt.
Bei der Führung durch die zwei Hallen der Schlosserei merkt man den beiden die Freude an, die sie mit ihrer Arbeit haben. Begeistert zeigen sie mir die olympischen Ringe, an denen sie gerade arbeiten. Die im Durchmesser einen Meter großen Ringe sind schon aneinandergeschweißt und gute drei Meter hoch. „Da kommen innen noch LED-Lampen in den olympischen Farben rein“, sagt Margit. „Und dann wird das im Skigebiet Speikboden aufgestellt. Für Christoph Innerhofer, der hat bei den Olympischen Spielen eine Silber- und eine Bronzemedaille gewonnen. Der kommt auch aus Gais, wie wir.“ Und ihre Schwester fügt hinzu: „Genau das ist es, was mir an dieser Arbeit so gut gefällt: Wir zeichnen etwas, setzen es dann um, und dann stellen wir es irgendwo auf. Und jedes Mal, wenn ich daran vorbeigehe, bin ich stolz, weil ich weiß: Das habe ich gemacht.“
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