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Roller Derby ist ein Rollschuhsport und eigentlich Frauensache. Aber keine Angst, diese Mädels drehen keine verkrampft-eleganten Pirouetten auf Rollschuhen. Nein, dieser Sport ist alles andere als spießig: Es wird gerempelt und gekämpft, es geht um Schnelligkeit und Strategie. Und, wer genauer hinsieht, entdeckt eine richtige Lebenseinstellung.
In Bozen gibt es so eine Gruppe, sie nennen sich Alp'n Rockets. Dabei sind in Südtirol sowohl der Sport als auch die Alp'n Rockets ziemlich unbekannt. Auch wenn Roller Derby in Europa erst langsam an Zuwachs gewinnt – in Amerika hat der Sport bereits Tradition. In den 30er-Jahren fuhren die Sportler zunächst Marathon. Dann wurde daraus ein recht aggressiver Sport mit hartem Körperkontakt, der den Amerikanern zu gefallen schien: Roller Derby war in den 40er-Jahren mit richtigen Stars und ausverkauften Stadien unglaublich erfolgreich. Dann kam die Flaute. Bis die Frauen 1999 den Sport für sich entdeckt haben. Viele kamen aus der Punk- oder der „third wave femminism“-Bewegung. Heute gibt es rund 14.000 Rollergirls. Vor sieben Jahren entstanden die ersten europäischen Teams.
Alp'n Rockets Roller Derby
Die Alp'n Rockets aus Südtirol gibt es seit eineinhalb Jahren. Ich besuche die Mädels bei einem Training. Bereits in der Umkleidekabine stelle ich fest: Keine einheitlichen, langweiligen Jogginghosen mit den drei Streifen. Stattdessen trägt man hier Leggins, bunte Strümpfe, darüber Hotpants. Das sieht alles ziemlich cool aus. Ich komme mir fast ein bisschen langweilig vor. Dabei sind alle überraschend normal, sie besprechen die nächste Tupperware-Party. „Wir finden immer einen Grund zum Feiern“ sagt Alex, eine der Mitgründerinnen.
Dann geht's ab in die Halle. Die Alp'n Rockets haben noch keinen Trainer, bringen sich alles selber bei. Wer die Stunde leitet, wird davor ausgemacht. Zuerst wird aufgewärmt. Auf ihren Rollschuhen flitzen die Mädels durch die Halle, drehen, stoppen, fahren rückwärts, auf einem Bein … Zwischendurch fällt immer wieder jemand hin. Blaue Flecken gehören hier dazu. Dann geht's zur Sache und das Spiel beginnt.
Vollkontaktsport
Und so funktioniert das Ganze: Auf einer ovalen Bahn spielen zwei Teams in zwei Hälften, je 30 Minuten gegeneinander. Ein Team besteht aus fünf Spielerinnen. Eine Spielerin aus jedem Team startet auf der Bahn etwas weiter hinten und versucht dann die gegnerischen Spielerinnen zu überholen. Sie wird Jammerin genannt. Die restlichen vier Spielerinnen versuchen, die eigene Jammerin durchzulassen und die gegnerische Jammerin zu blockieren, das heißt am Überholen zu hindern. Hat die Jammerin das Pack, so werden die restlichen Spielerinnen genannt, überholt, fährt sie einmal um die ganze Bahn und kämpft sich wieder durchs Pack. Für jede überholte Spielerin erhält die Mannschaft einen Punkt. Roller Derby ist ein Vollkontaktsport. Das heißt Schubsen und Abdrängen sind erlaubt, aber streng geregelt: Schlagen und Ellbogeneinsatz sind verboten, Kopf oder Rücken attackieren ist auch Tabu. Wer sich das alles noch nicht richtig vorstellen kann, dem hilft vielleicht dieses Video:
Der Spaßfaktor
Bei den Südtiroler Alp'n Rockets fing alles damit an, dass Giada ein Roller Derby-Spiel in Schweden gesehen hatte. Dass die gegnerischen Mannschaften auch nach dem Spiel so freundlich, ja freundschaftlich miteinander umgingen, hinterließ bei ihr einen bleibenden Eindruck. Wieder daheim, leistete Giada offensichtlich echte Überzeugungsarbeit und schaffte es, zusammen mit zwei weiteren Freundinnen, ein Team aufzubauen, Hallen zum Üben zu finden und sich einige Techniken selbst beizubringen.
Vor kurzem haben sie den „Minimum Skills“-Test gemacht. Dabei mussten alle ihre Sicherheit auf den Rollschuhen beweisen. „Das ist wichtig, auch damit man keine Gefahr für andere darstellt“, sagt Alex. Nicht alle haben den Test bestanden, aber das wird schon noch. Bis dahin darf die Mannschaft an Freundschaftsspielen teilnehmen. Dabei werden die Teams auch mal aufgelöst und neu zusammengestellt. „So lernt man sich und seine Stärken am besten kennen“, ist Alex überzeugt. „Das ist auch das Schöne am Sport: Dass man sich austauscht, Strategien und Erfahrungen nicht nur für sich behält, sondern sie auch an andere Mannschaften weitergibt.“ Ein schöner Gedanke, überlege ich, und versuche mir vorzustellen wie das wohl wäre, wenn Bayern-München Spieltipps an Manchester-City weitergäbe?
Nun sei man hier ein bisschen „wie eine große Familie“, sagen die Spielerinnen etwas verlegen ob der Wortwahl. Aber doch, ja, man kauft das denen wirklich ab. 13 Spielerinnen sind es mittlerweile, im Alter zwischen 20 und 37 Jahren. Sie sprechen italienisch und deutsch, eine Mitstreiterin ist aus Peru, anfangs war auch eine Französin mit dabei. „Egal ob klein oder groß, dick oder dünn, jeder findet seine passende Rolle im Team”, erklärt Alex. Diese Mädels müssen sich nicht nur bei einem Match durchsetzen, sondern auch für ihren Sport eine Lanze brechen. Das schweißt zusammen.
Der Zuschauerfaktor
Noch etwas. Es gibt Sportarten, denen man lieber zusieht als anderen. Die Ansicht, dass Beachvolleyballspieler und Kletterer ein kleines bisschen sexier sind als Kugelstoßer und Samurai-Kämpfer – wer will das bestreiten? Auch Roller Derby gehört eindeutig zu den augenschmeichelnden Sportarten. Wer mir nicht glaubt, sollte einfach einen Blick in die Fotostrecke werfen.
Übrigens: Die Alp'n Rockets suchen noch Spielerinnen und einen Trainer. Wer mitmachen will, kann sich melden.
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