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Debora Nischler
Veröffentlicht
am 13.11.2019
LebenInterview zum neuen VBB-Stück

Loslassen lernen

Veröffentlicht
am 13.11.2019
Was macht es mit einem, wenn die eigene Mutter sich selbst entgleitet? „Im Treibsand - Loslassen“ bringt die Geschichte eines Alzheimer-Falls auf die Bühne.
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Einer Mutter entgleiten Stück für Stück ihr Wesen, ihre Geschichte. Eine Tochter versucht gegen das schmerzhafte Vergessen anzukämpfen. Edith Moroder schreibt in einem Buch darüber, wie sie jahrelang ihre alzheimerkranke Mutter pflegte. Schauspielerin und Autorin Brigitte Knapp macht daraus ein Kammerspiel über das Ringen von Mutter, Tochter und Enkelin mit einer Krankheit, die alle über ihre Grenzen hinaus führt. BARFUSS hat Elisa Pirone, Jungschauspielerin und Darstellerin der Enkelin im Stück, und Edith Moroder zum Interview getroffen.

Das Stück heißt „Im Treibsand“: Wer steckt denn im Treibsand – die Patienten oder die Angehörigen?
Moroder: Beide. Im Treibsand fühlen sich die Betroffenen, weil sie jede Sicherheit verlieren. Sie wissen nicht mehr, was sie erlebt haben, was sie sich nur vorgestellt haben, was ihnen jemand erzählt hat. Das ist so, wie wenn man jemandem den Boden unter den Füßen wegzieht. Und im Treibsand fühlen sich auch die Angehörigen, wenn sie am Rande zuschauen müssen und miterleben, was sich da abspielt, und dabei relativ hilflos dabeistehen und oft gar nicht mehr wissen, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Das Bild habe ich bewusst so ausgesucht, dass es für beide Seiten gilt.

Buchautorin Edith Moroder

Gab es denn in der Buchvorlage auch diese Mutter-Tochter-Enkelin-Konstellation?
Moroder: Natürlich kommt auch die Enkelin vor, aber es geht vor allem um das Mutter-Tochter-Verhältnis. Ich habe versucht, mir vorzustellen, was im Kopf meiner Mutter vorgeht. Und dann war natürlich meine Tochter auch da. Mein Sohn war damals schon auf der Uni und meine Tochter war in der Oberschule, hat also die ganze Geschichte zu Hause miterlebt.

Apropos miterleben: Die Enkelgeneration erlebt die Situation ja anders, weil nochmal eine Generation dazwischen liegt. Welche Rolle spielt denn die Enkelin in dem Stück?
Pirone: Als Enkelin im Stück habe ich eine sehr liebevolle Beziehung zur Oma und bekomme natürlich mit, wie es der Mama zu Hause geht. Und es ist dann oft meine Figur, die sie auf bestimmte Gedanken bringt, die ihr selbst gut tun. So kann meine Figur schon etwas ändern, weil sie eben auch auf die Mama schaut. Aber sie nimmt die ganze Krankheit der Oma mit einer anderen Leichtigkeit als ihre Mama, weil die in der direkten Pflege beteiligt ist, sie hingegen hat zur Oma immer noch ein Verhältnis, dass sie sagt: „Ach Omi, was machst du denn jetzt wieder?“
Moroder: Das tut dem Stück sehr gut.

“Ich habe sehr viele Fälle beraten und mitbetreut und ich stelle fest, leider: Die Pflege ist weiblich.”

Interessant ist, dass wir hier dreimal eine weibliche Perspektive haben. War das bewusst so gesetzt?
Moroder: Das kommt auch aus meiner Erfahrung. Ich bin ja inzwischen seit 20 Jahren in der Alzheimervereinigung tätig, bin Vizepräsidentin und immer in den Selbsthilfegruppen gewesen und habe sehr viele Fälle beraten und mitbetreut – und ich stelle fest, leider, es ist halt so: Die Pflege ist weiblich. Es muss auch nicht unbedingt Alzheimer sein, auch bei anderen Krankheiten, die man betreuen muss, sind es meist die Frauen – vielleicht auch deshalb, weil sie weniger verdienen, oder weil es leichter ist oder weil man das erwartet von den Frauen, dass sie zu Hause bleiben und sich wie vorher um die kleinen Kinder, nachher halt um die alten Leute kümmern. Es gibt einzelne Männer, die meistens aber für die Partnerin sorgen. Aber normalerweise trifft es die Frauen.

Wird im Stück auch thematisiert, dass das ein Problem ist?
Moroder: Nein, so weit gehen wir nicht, dass wir das irgendwie mit ideologischem Hintergrund sehen, aber es ergibt sich halt so. Zum Glück hatte ich selber damals schon meine Unterrichtstätigkeit aufgegeben, weil ich nur noch schreiben wollte. Ich sage zum Glück, denn sonst hätte ich meine Mutter ja nicht zu mir nehmen können. Das wäre unmöglich gewesen. Dann hätte ich höchstwahrscheinlich meinen Beruf aufgeben und sagen müssen: So, jetzt bin ich nur noch Betreuerin. Und das lohnt sich in keinem Fall, leider Gottes. Denn die Betreuungszeiten werden bei der Pension nicht mitgerechnet. Frauen tun sich damit nichts Gutes.

“Obwohl es eigentlich zum Weinen wäre, ist das Stück oft auch komisch”

Elisa, du hast vorhin das Stichwort Leichtigkeit genannt. Du selbst bis ja auch in der Kabarettgruppe Kühne Überetscher Bühne, also auch im komischen Fach daheim. Ist dieses Stück wirklich so todernst, wie man es sich erwarten würde?
Pirone: Es ist auf jeden Fall ein sehr ernstes Thema und wir zeigen auf der Bühne ja die ganzen Dinge, die so passieren mit der Patientin. Aber das Ganze ist oft auch so komisch, dass man darüber lachen muss, obwohl es eigentlich zum Weinen wäre. Ich denke, es gibt sehr liebevolle Momente, durch die das Ganze dann auch leichter wird, weil es etwas Schönes hat. Diese ganze Situation ist so bittersüß. Aber ich glaube nicht, dass es ein Stück ist, wo man am Ende rauskommt und sich denkt, das war jetzt wirklich nur schlimm.

“Loslassen ist etwas, das man sein ganzes Leben lang tun muss.”

Frau Moroder, wie eng haben Sie denn mit Brigitte Knapp beim Drehbuch zusammengearbeitet?
Moroder: Wir haben uns sehr eng ausgetauscht und vom ersten Moment an super verstanden. Brigitte Knapp hat es sehr geschickt gemacht, weil sie den Stoff aus dem Buch auf die drei Rollen der Mutter, Tochter und Enkelin aufgeteilt hat. Es kommt also auch die Mutter zu Wort, was sie überlegt, aber durch die Krankheit nicht mehr formulieren kann. Als innerer Monolog kommt es aber doch heraus. Und dann natürlich die Enkelin, die das Ganze nochmal auflockert. Sie kam als Letzte dazu, das war die letzte gute Idee, aber sie hat nochmal richtig Schwung gebracht.

Jungschauspielerin Elisa Pirone

Ihr seid nicht unten auf der großen Hauptbühne, sondern auf der Probebühne in einem kleineren Rahmen, wo das Publikum viel näher dran ist.
Pirone: Ich finde es sehr schön in diesem kleineren Rahmen, weil es intimer bleibt und man näher dran ist. Am Anfang war das für mich gewöhnungsbedürftig, aber es ist sicher nochmal anders, wenn man die Emotionen aus dem Publikum so nahe miterlebt und Publikum und Spieler so nah aufeinandertreffen.

Das „Loslassen“, das auch im Titel enthalten ist, klingt nach einem sehr schmerzhaften Prozess. Gibt es im Stück trotzdem auch eine positive Botschaft?
Moroder: Ja, ganz am Ende ist die Botschaft der Mutter sehr positiv. Das Loslassen war die Idee von Brigitte Knapp und ich finde sie gut, denn Loslassen ist etwas, das man sein ganzes Leben lang tun muss. Zuerst mit den Kindern, die man in die Welt hinauslässt, und irgendwann muss man dann auch die Kranken loslassen, man kann sie ja nicht zurückholen. Natürlich muss man sich auch selber entfernen und Distanz bekommen, sonst geht man selber drauf.
Pirone: Für mich drückt das Stück auf jeden Fall etwas Positives aus, so wie wir es bearbeitet haben. Das Loslassen am Ende ist ganz klar positiv besetzt.

Das Stück „Im Treibsand – Loslassen“ feiert am Mittwoch, den 13.11., an den Vereinigten Bühnen Bozen Premiere. Weitere Infos gibt es hier.

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