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Ujep Runggaldier ist in Gröden aufgewachsen und studierte in Wien „Umwelt- und Bioressourcenmanagement“. Runggaldier ist derzeit als Grundschullehrer tätig und engagiert sich bei der Umweltbewegung „Lia Natura y Usanzes“, die sich seit vielen Jahren für den Umweltschutz in Gröden einsetzt. Runggaldier und seinen Mitstreiter:innen geht es vor allem darin, den „derzeitigen Konsumismus auf Kosten der jungen Generationen zu überdenken“, wie er sagt. Dazu gehört auch der Umgang mit Moorgebieten und den damit einhergehenden Abbau von Torf, über den sich Runggaldier Sorgen macht. „Es gehe ihm nicht darum, zu schimpfen, sondern Fakten aufzuzeigen“, so der Grödner im Interview.
BARFUSS: Ujep, warum sind Moore so wichtig?
Ujep Runggaldier: Moore leisten nicht nur einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt, tatsächlich sind sie die effektivsten Kohlenstoffspeicher aller weltweiten Landlebensräume. Obwohl Moore weltweit nur drei Prozent der globalen Landfläche einnehmen, speichern sie laut WWF und NABU (Naturschutzbund Deutschland, Anm. d. Red.) ein Drittel des terrestrischen Kohlenstoffes – doppelt so viel wie alle Wälder dieser Erde zusammen.
Moore bestehen aus Torf. Weshalb ist Torf so wertvoll für den Klimaschutz?
Im wassergesättigten Milieu werden abgestorbene Pflanzenreste unter Sauerstoffausschluss nicht vollständig zersetzt und es kommt zur Torfbildung. Dadurch wird der Kohlenstoff für Jahrtausende im Moor festgelegt. Auf diese Art wachsen lebendige Moore langsam in die Höhe, etwa einen Millimeter pro Jahr.
Bei der Entwässerung der Moore verbindet sich der über Jahrtausende im Torf gebundene Kohlenstoff mit Sauerstoff, er oxidiert. Damit gelangen nicht nur riesige Mengen CO2 in die Atmosphäre, sondern auch das über 300-mal klimaschädlichere Lachgas (N2O).
Werden Moorgebiete weltweit und speziell in der EU ausreichend geschützt?
Nein, sie werden meiner Meinung nach nicht ausreichend geschützt. Im weltweiten Vergleich verursacht die Europäische Union die zweithöchsten Treibhausgasemissionen aus der Zerstörung von Moorgebieten. Damit liegt sie hinter Spitzenreiter Indonesien, aber noch vor Russland, das weltweit die ausgedehntesten Moorflächen besitzt. In Indonesien existieren die bedeutendsten Torfwälder der Welt, welche allerdings in rasantem Tempo für Ölpalmenplantagen Platz machen müssen oder verheerenden Moorbränden zum Opfer fallen. Es werden somit Urlandschaften durch Monokulturplantagen ersetzt. Diese gigantische Quelle von Treibhausgasen zu „versiegeln“ ist eine der großen Herausforderung des internationalen Klimaschutzes.
Wie ist das in den Griff zu bekommen?
Dies ist angesichts der globalen Wirtschaftsweise sehr schwierig. Wir haben nur eine Chance, wenn wir lokale Produkte kaufen und Produkte aus fremden Ländern sparsam konsumieren.
Wie schaut es in Südtirol aus: Wieviele Moorgebiete gibt es hierzulande?
Im Jahr 1991 wurde die geografische Lage der Feuchtgebiete erfasst, aber nicht dessen Größe und Grenzen. Auch wenn zahlreiche Gesetze zum Schutz der einheimischen Feuchtgebiete verpflichten, gibt es kein Monitoring zur Entwicklung des Bestandes und es fehlen die zuständigen Kontrollbehörden, wenn beispielsweise auf der Seiser Alm die Moore durch angrenzende intensive Landwirtschaft beschädigt werden. Eine Kooperation mit der Uni Bozen soll nun die südtirolweite Lebensraumkartierung beschleunigen. Auf der Seite „Landschaftspläne online – Newplan“ sind die Kartierungen der Seiser Alm jedoch immer noch nicht ersichtlich und daher der notwendige Schutz ausständig.
Wo wird derzeit in Südtirol Torf abgebaut?
In Südtirol gibt es zurzeit sieben Torfabbaustellen, alle befinden sich im Unterland. Laut EURAC erlauben die derzeit aktiven Konzessionen von Torfstichen im Unterland einen Abbau von bis zu 1,5 Millionen Kubikmeter, was zu einer weiteren Emission von rund 300.000 Tonnen CO2 führen würde.
Die EURAC hat im letzten Jahr eine Studie zum Torfabbau veröffentlicht. Was besagt sie?
Die Ergebnisse der EURAC 2022 unterstützen eindeutig das Ziel der Südtiroler Landesregierung im Klimaplan 2024: eben, keine neue Torfgrube in Südtirol mehr zu genehmigen.
Wie schaut die gesetzliche Regelung aus?
Hierzulande kann Torf nur auf Flächen abgebaut werden, die bereits trockengelegt wurden. Fehlen diese, werden große Mengen an Torf importiert. Zum Beispiel aus nördlichen Ländern wie Estland, wo 22 Prozent der Landesfläche aus Mooren besteht und weniger strenge Regelungen für den Torfabbau gelten. Hier werden lebendige, kohlenstoffbindende Moore wegen Südtirols Blumenkonsums zerstört.
Gibt es Gesetze, die den Torfimport und -konsum regeln?
Nein. Daher hat der Landtag 2021 die Landesregierung beauftragt, eine Studie in Auftrag zu geben, um herauszufinden, welche umweltfreundlichen Substrate Torf im Gemüse- und Blumenanbau ersetzen könnten – und außerdem Wege zu finden, damit ab 2030 in öffentlichen Grünzonen Torfsubstrat nicht mehr zum Einsatz kommt, weder aus eigener Produktion noch importierte Ware.
Was hat Torfabbau mit unseren Blumen zu tun?
In Deutschland kommen für die Produktion sogenannter Kultursubstrate für den professionellen Gartenbau jährlich etwa siebeneinhalb Millionen Kubikmeter Torf zum Einsatz. Rund zweieinhalb Millionen Kubikmeter hingegen decken den Bedarf von Hobbygärtner:innen, welche die Torfeigenschaften nicht dringend benötigen und unwissend die Billig-Erde kaufen. Neben den Umweltkosten des Torfabbaus kommen zusätzlich die Umweltkosten des Transportaufwands hinzu. Ich frage mich: Ist es wirklich notwendig, Erde über so weite Strecken herumzuschleppen?
Warum ist Torf für Gärtnereien so attraktiv?
Weil es wegen seiner Leichtigkeit, Wasser-Aufnahmefähigkeit und sehr zusammenhaltenden Struktur kaum ersetzbar ist.
Und was ist mit Hobbygärtner:innen? Gibt es für sie keine Alternativen?
Ja, torffreie Komposterde. Man zahlt vielleicht ein paar Euro mehr, tut damit aber nicht nur im eigenen Garten etwas Gutes, sondern leistet aktiven Arten- und Klimaschutz. Noch besser wäre es einen eigenen Komposthaufen zu betreiben, um den Nährstoffkreislauf vor Ort zu schließen.
Wer „konsumiert“ diese ganzen Blumen?
Es gibt landesweit keine torffreie Gärtnerei und trotzdem werden Torfblumen wie Einwegplastik verwendet, um zahlreiche Hotelbalkone, Gemeindeblumenkisten und Straßenkreisverkehre auszuschmücken. Ich frage mich, ob all dies angesichts der Klima- und Energiekrise zeitgemäß ist. Für mich sind Blumenmonokulturen langweilig und billig.
Hast du einen Vorschlag, um das Problem in den Griff zu bekommen?
In unseren Köpfen muss ein Umdenken bezüglich Blütenmenge und Ordnung stattfinden, den Sinn für Perfektionismus müssen wir der Natur überlassen. Meine Lösungsvorschläge sind weniger und mehrjährige Pflanzen. Diese müssten nicht mehrmals im Jahr ausgetauscht werden. Wie es die Natur bestimmt hat, blühen alle Pflanzen einmal im Jahr, um sich zu vermehren. Ich würde winterharte Gewürze wie Ysop, Salbei, Bergbohnenkraut und Erdbeeren usw. in den Blumenkisten setzen. Diese verzaubern nicht nur mit Blüten, sondern auch mit Düften und Früchten, wie es das Konzept der Essbaren Stadt zeigt. Dabei verlaufen Spielplätze und Straßen zwischen Kräuterkisten, Beerensträuchern und Streuobstwiesen, um die lokale Sortenvielfalt zu erhalten.
Was wünscht du dir von der Politik?
Ich wünsche mir, Fakten zum weltlichen Allgemeinwohl einer globalisierten Welt angesichts des lokalen Wohlstandes nicht zu ignorieren. Diesmal geht es „nur“ um die Reduktion bzw. Verzicht von Blumen. Es geht darum, im Vorhinein zu denken und zu handeln als im Nachhinein „Feuerwehr“ spielen zu müssen.
Der umstrittene Torfabbau im Südtiroler Unterland zeigt die Fehler auf: Gärtnereiblumen sind umweltschädlich. Trotzdem zeigen sich die Südtiroler Dörfer in den prächtigen, mittlerweile langweiligen, saisonalen Blumenmonokulturen.
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