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Oliver Kainz
Veröffentlicht
am 22.01.2015
LebenGespräch mit Antifa-Aktivisten

Immer wieder Widerstand

Veröffentlicht
am 22.01.2015
Ist der Faschismus in Südtirol tot? Nein, sagen die Aktivisten der Antifa und erklären, warum es die Aktionsgruppe mehr denn je braucht.
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Die Antifa genießt einen zweifelhaften Ruf. Für Kritiker ist sie eine überflüssige Gruppe von linken Chaoten und Krawallmachern. Überflüssig, weil die Idee des Faschismus scheinbar tot ist. Ein gefährlicher Trugschluss, wie zwei Antifa-Aktivisten im Gespräch mit BARFUSS erklären.

Warum braucht es eigentlich die Antifa in Südtirol?
Die Antifa braucht es für einen konsequenten Antifaschismus im Land. Immer wieder sagen die Leute zu mir: „Die Situation ist doch nicht schlimm, ich sehe keine Rechtsextreme auf der Straße.“ Aber Nazis und Faschisten sind nicht mehr an Glatze und Springerstiefel zu erkennen. Sie tragen mitunter Tattoos oder Szeneklamotten wie Thor Steinar, deren Codes nicht für jeden sofort ersichtlich sind. In letzter Zeit beobachten wir im Raum Burggrafenamt wieder einen Aufschwung der rechten Szene.

Und in Bozen?
In Bozen sind vor allem die italienischsprachigen Faschisten von CasaPound sehr präsent. Sie sind als Ultras beim Eishockeyverein HCB Südtirol aktiv, sie organisieren Konzerte in ihren Lokalen und besitzen viele Unterorganisationen, die von Kampfsport bis Unterschriftensammlungen gegen Ausländer alles Mögliche durchführen. Das Schlimmste daran: In Bozen stört sich kaum jemand daran. Wir haben den Eindruck, dass die Faschisten von CasaPound machen dürfen, was sie wollen.

Bei euren Aktionen bleibt ihr anonym. Wäre es nicht konsequenter, mit Gesicht und Namen hinter den Aktionen zu stehen?
Die Anonymität gewährt uns einen gewissen Schutz, denn der Kampf gegen Rechts ist nicht ganz ungefährlich. CasaPound ist immer noch zornig auf uns, weil wir die Ausrichtung eines ihrer Fascho-Konzerte verhindert haben.

Im Jahr 2006 gründete eine Handvoll Jugendliche die Antifaschistische Aktion Meran, um dem stark verbreiteten Rechtsextremismus im Burggrafenamt entschlossen entgegen zu treten. Das Ziel war ein richtiger Antifaschismus, der sich nicht nur gegen den italienischen Faschismus richtet, sondern auch gegen die Nazi-Szene auf deutschsprachiger Seite ankämpft. Seither beheimatet die Antifa Aktivisten der deutschen und italienischen Sprachgruppe, wobei die Anzahl der Sympathisanten bei Aktionen und Kundgebungen stark schwankt. Dies liegt daran, dass die Antifa nicht strikt hierarchisch organisiert ist, sondern punktuell und spontan auf Missstände reagiert.

Ihre widerspenstige Haltung trägt die Antifa in ihrem Namen. Warum ist die Antifa immer nur gegen etwas und nie für etwas?
Der Antifaschismus ist nur ein Teil unserer Arbeit. Wir setzen uns ja auch gegen Sexismus und Rassismus und für eine pluralistische Gesellschaft ein. Viele engagieren sich in Fußballvereinen, im Kulturbereich oder beim Organisieren von Festivals. Als Antifaschisten stehen wir für Meinungsfreiheit, Solidarität und das friedliche Zusammenleben der Sprachgruppen ein. Das sind alles Werte, die die Rechtsextremen untergraben wollen.

Ist Gewaltanwendung für die Antifa ein legitimes Mittel im Kampf gegen Rechts?
Wir sind keine Gruppe, die mit Sturmhaube und Baseballschläger eine Nazibar stürmt. Offiziell lehnen wir Gewaltanwendung ab. Es gab aber auch Situationen, in denen Gewaltanwendung zur eigenen Verteidigung nicht vermeidbar war.

Die Antifa setzt im Kampf gegen Rechts lieber auf Konfrontation als auf Dialog. Nimmt man dadurch nicht in Kauf, dass Konflikte erst recht eskalieren?
Klar, wenn jemand mit einem eindeutigen Nazilabel eine Bar betritt, dann suchen wir die Konfrontation. In einer Demokratie zu leben, bedeutet ja nicht, alles gleichgültig hinzunehmen. Es wird generell schon viel zu oft ein Auge zugedrückt. Man muss Nazis an den Pranger stellen. Dazu braucht es auch eine gewisse Radikalität.

Die Antifa Meran ist parteiunabhängig und erhält laut eigenen Angaben keine finanziellen Zuwendungen von privaten oder öffentlichen Institutionen. Sie lebt vom ehrenamtlichen Engagement der Aktivisten und finanziert sich durch den Verkauf von T-Shirts und Kleinspenden bei Festivals. Neben der Präsenz auf der Straße setzt die Antifa auf Aufklärungsarbeit über ihren Internet-Blog, versendet Pressemitteilungen und verteilt Flyer. Im vergangenen Jahr machte sie mit einem bunten Flashmob gegen den Info-Stand der neofaschistischen Partei „Forza Nuova“ auf sich aufmerksam. Außerdem erreichte die Antifa mit ihrer Aktion „Weg mit Wenter“, dass die Meraner Mittelschule nicht mehr nach dem Nazi-Kollaborateur Josef Wenter benannt sein wird.

Taugt die bloße Ablehnung von Neonazismus heute noch als programmatischer Schwerpunkt? Alle anderen Parteien und Vereinigungen machen das doch auch.
Naja, einige Vertreter der Süd-Tiroler Freiheit lehnen den Faschismus zwar immer ab, spazieren dann aber mit den deutsch-nationalen Burschenschaftlern durch Innsbruck und besuchen deren Seminare. Auch viele Schützenvereine grenzen sich zu wenig vom Rechtsextremismus ab. Als in Algund der erste Schwarze in den Reihen der Schützen aufgenommen wurde, sind einige Ex-Nazis aus dem Schützenbund ausgetreten. Das ist schon sehr bezeichnend. Und die Situation in Bozen ist mit der überaus aktiven CasaPound ohnehin eine Katastrophe. Die Faschisten sind bei jedem Punk- oder Hardcore-Konzert präsent und hauen Leuten aufs Maul.

Die Bozner Quästur scheint CasaPound als ungefährlich einzustufen. Auf die Frage, welche Maßnahmen man denn unternehme, um die Aktivitäten von CasaPound zu kontrollieren, teilte die Presseabteilung der Quästur lapidar mit: „Casapound è un movimento politico a carattere nazionale, che si presenta regolarmente alle elezioni sia nazionali che europee.” Heißt übersetzt so viel wie: Das ist eine stinknormale Partei. Macht euch keine Sorgen.

Die Antifa stellt sich klar gegen die Ideologien des Faschismus und des Nationalsozialismus. Wie klar grenzt ihr euch gegen menschenverachtende Ideologien des linken Spektrums ab?
Nicht alle Aktivisten bei uns haben denselben politischen Hintergrund. Wir sind ja nicht wie die Rechten, die allen eine Ideologie aufzwingen wollen.

Das war jetzt kein eindeutiges Demokratiebekenntnis …
Unsere Aktivisten kommen aus den verschiedenen Subkulturen und deshalb gibt es bei uns Anarchisten, Sozialisten aber auch Basisdemokraten. Klar ist aber, dass wir totalitäre Regime wie den Stalinismus ablehnen.

Kann man den Kampf gegen Rechts überhaupt gewinnen?
Der Kampf gegen Rechts wird nie aufhören. Aber er wäre erfolgreicher, wenn Geschichtsaufarbeitung und politische Bildung in Schulen und Jugendzentren noch stärker forciert würden als bisher.

Der Faschismus tarnt sich heute mit austauschbaren Deckmänteln. Es gibt nicht nur den klassischen Wald-und-Wiesen-Nazi mit Glatze und Bomberjacke. Es gibt den Etschlichter-Blog, der sich intellektuell und aufgeklärt gibt, aber die Rassenideologie der Nazis verbreitet. Es gibt CasaPound, die mit ihren Aktivitäten versucht, die italienischsprachige Zivilgesellschaft zu unterwandern. Ressentiments und soziale Kälte gegenüber Ausländern und Flüchtlingen bereiten ebenfalls den Boden für Extremisten. Wirft man einen Blick über die Landesgrenzen hinaus, dann wird klar, dass auch der religiöse Fundamentalismus als neue Form des Faschismus die demokratischen Grundwerte bedroht. All diese Spielarten des Faschismus gestalten die Situation unübersichtlich und machen den Widerstand gegen totalitäre Ideologien schwierig. Gleichzeitig heißt das aber auch: Antifaschismus ist aktueller denn je.

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