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Veröffentlicht
am 29.09.2023
LebenBetroffene sprechen: Die Realität von Schwangerschaftsabbrüchen

Ein Schicksalsschlag im Mondschein

Veröffentlicht
am 29.09.2023
Mitten in ihren 20ern, nach einem One-Night-Stand und einem folgenschweren Verhütungsfehler, sah sich eine junge Frau mit einer unerwarteten Tatsache konfrontiert: Sie war schwanger. Im Text teilt sie ihre intime Reise eines Schwangerschaftsabbruchs.
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Im zarten Alter von Mitte 20, zwischen einem Strudel aus Unsicherheiten und spontanen Entscheidungen, traf mich die Nachricht wie ein Donnerschlag: Ich war schwanger. Ein One-Night-Stand bei Vollmond, ein verpasster Moment der Verhütung und plötzlich war ich in einer Realität gefangen, die ich mir zu diesem Zeitpunkt nicht vorstellen konnte.

In dieser Phase meines Lebens fühlte ich mich verloren, antriebslos und ohne klaren Lebensplan. Vermutlich hatte mich eine Depression fest im Griff und ich konnte nicht einmal sagen, wohin ich mit mir selbst oder meinem Leben wollte. Doch eines war mir von Anfang an klar: Ich konnte einem Baby nicht das bieten, was es brauchte, um gesund und stabil aufzuwachsen.

Glücklicherweise erfuhr ich Unterstützung von meinem engsten Umfeld. Meine Eltern versicherten mir, dass sie hinter mir stehen würden, unabhängig von meiner Entscheidung. Das Beratungsgespräch im Krankenhaus war aufklärend, frei von Werturteilen und sehr unterstützend. Ich fühlte mich in der Lage, die Entscheidung zu treffen, die für mich am besten war.

Trotz dieser Unterstützung konnte ich nicht ignorieren, was ich von verschiedenen Seiten gehört hatte. In katholischen Aufklärungsvorträgen und im Internet hatte ich von moralischen Vorwürfen gegenüber Frauen gehört, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen. Man sagte mir, dass sie Mord begehen würden und dass sie mit Depressionen und Schuldgefühlen zu kämpfen hätten, vielleicht sogar nie wieder Kinder bekommen könnten.

Obwohl ich wusste, dass meine Entscheidung nicht einfach war und dass ich besser hätte verhüten können, war ich fest davon überzeugt, dass es die richtige Entscheidung war – für mich und für das ungeborene Kind, zu dem ich in diesem Moment “Nein” sagte. Ich glaubte daran, dass diese Seele, die bei mir nicht den richtigen Platz gefunden hatte, anderswo ein besseres Zuhause finden konnte.

Während dieser Zeit erzählte mir eine gleichaltrige Bekannte, dass sie zu einem Schwangerschaftsabbruch gezwungen wurde und danach von Albträumen, selbstverletzendem Verhalten und anhaltender Trauer geplagt wurde. Bei mir war das nicht der Fall, vielleicht weil ich die Entscheidung ganz alleine treffen konnte. Dennoch plagte mich zeitweise ein schlechtes Gewissen, weil die Gesellschaft das von mir erwartete.

Eine andere Bekannte berichtete von einem unangenehmen Abbruchserlebnis im Ausland, bei dem sie abwertend behandelt wurde. Im Gegensatz dazu wurde ich im Krankenhaus Bozen freundlich und respektvoll behandelt. Vor der Operation streichelte mich ein Pfleger behutsam am Arm und Kopf und versicherte mir, dass alles gut werden würde. Dieser Moment berührte mich tief. Vor dem Aufwachen nach dem Eingriff überkam mich jedoch die Angst. Was, wenn ich meine Entscheidung bereuen würde?

Zum Glück war das nicht der Fall. Stattdessen fühlte ich Erleichterung und die Gewissheit, dass es an der Zeit war, mein Leben in die Hand zu nehmen. Die Schmerzen nach der Operation waren stark, trotz der Schmerzmittel. Meine beste Freundin war für mich da und legte ihre Hände auf meinen Bauch, bis die Schmerzen nachließen.

Während der Entscheidungsfindung und danach suchte ich therapeutische Unterstützung. Mir war wichtig, eine bewusste Entscheidung zu treffen und diese frei von Schuld und Scham zu reflektieren. Ich hatte Trauer in mir, wenn auch anders, als es oft gesellschaftlich erwartet wurde. Um dieser Trauer Raum zu geben und mich von diesem ungeborenen Wesen zu verabschieden, fand ich gemeinsam mit meiner Therapeutin ein Ritual. In einer kleinen Schachtel legte ich Babysöckchen und andere Erinnerungen und vergrub sie an einem schönen Ort im Wald. Hier konnte ich weinen und wann immer ich wollte zurückkehren, was bisher nur zwei- oder dreimal der Fall war. Es war mir wichtig, diese Seele “frei zu lassen”.

Inzwischen sind 20 Jahre vergangen. Ich führe ein erfülltes und vielfältiges Leben und habe eine Familie. Der Schwangerschaftsabbruch ist selten präsent, aber er erinnert mich daran, bewusst zu leben…

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