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Magdalena Jöchler
Veröffentlicht
am 30.04.2014
LebenPostings in Online-Foren

Anonym maulen

Veröffentlicht
am 30.04.2014
Am Platz vor dem Landtag hat der Volkszorn noch ein Gesicht, in Online-Foren nur noch einen Nickname.
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Wie eine Klowand, nur nicht ganz so anonym: Online-Foren.

Hansfranz* hält nach jeder Frage kurz inne und beginnt dann langsam zu sprechen. Wie ein hasserfüllter Poster, der im Affekt Kommentare in die Tasten haut, klingt er nicht. Auch wenn er, wie er sagt, wichtige Themen mit seinem echten Namen kommentiert, möchte er weder seinen Namen noch sein Pseudonym hier lesen. Wichtige Themen sind für Hansfranz vor allem Politik und Wirtschaft, dazu äußert er sich am häufigsten. „Obwohl ich oft sehr grenzwertig bin, zwischen legal und illegal, versuche ich die wichtigsten Themen immer mit echtem Namen zu kommentieren“, erklärt Hansfranz seinen Umgang mit der Anonymität. Damit gehört er nicht zur breiten Masse jener Leute, die wenn, dann nur unter einem Pseudonym schreiben. An sein erstes Mal erinnert er sich nicht mehr, nur daran, dass ihn etwas aufgeregt haben muss. Seit dem Rentenskandal regt sich Hansfranz öfter auf und umso öfter kommentiert er das Tagesgeschehen bei den Nachrichtenportalen stol.it und suedtirolnews.it.

Dass der Rentenskandal nicht nur Hansfranz dazu bringt häufiger online mitzudiskutieren, hat man auch bei tageszeitung.it bemerkt. Chefredakteur Artur Oberhofer schätzt, dass seitdem ungefähr zwanzig Prozent mehr Postings auf der Seite eingehen. Neben den Postingzahlen sind auch die für Online-Auftritte so wichtigen Seitenaufrufe nach oben gegangen: „Seit dem Rentenskandal hat tageszeitung.it etwa dreißig Prozent mehr Klicks, mit Spitzen von 140.000 Klicks pro Tag. Der März war damit seit dem Start der beste Monat“, rechnet Oberhofer vor. Anders als beim Konkurrenzportal stol.it müssen Kommentare bei tageszeitung.it erst von einem Redakteur freigeschalten werden, Registrierungspflicht gibt es hingegen keine. „Dafür haben wir uns bewusst entschieden, weil wir der Meinung sind, dass das Internet frei sein soll. Dafür kämpfen wir bis zum Schluss“, erklärt Oberhofer.

Von Politikern, die sich selbst loben

Ob Registrierung oder nicht, der verbale Schmutzkübel wird hier wie dort ausgeschüttet. So, als ob die User tatsächlich noch nie von ihrem digitalen Fußabdruck gehört hätten. Der nämlich ermöglicht es dem Betreiber einer Seite und der Polizei über die IP-Adresse den Urheber einer ehrenrührigen Meldung mit nur wenigen Schritten ausfindig zu machen und dafür zu belangen. Bei tageszeitung.it kommt es immer wieder vor, dass User gesperrt werden oder für ihre verbalen Fehltritte bei der Postpolizei angezeigt werden. Schwere Verleumdung wird mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren oder 516 Euro Bußgeld geahndet. „Es gibt einen Fall, wo ein Poster drei bis vier Accounts hatte und teilweise damit ehrenrührige Kommentare verfasste“, erzählt Oberhofer. „Auch einen Politiker hatten wir, der sich mit fünf verschiedenen Accounts in seinen Kommentaren immer wieder selbst gelobt hat.“ Die Postpolizei warnt aber auch die Betreiber: „Auch für Herausgeber von Foren, in denen es zu Straftaten kommt, kann es zivilrechtliche Folgen geben.“

Noch nie zuvor konnte so öffentlich, schnell und barrierefrei diskutiert werden wie heute. Klare und offen einsehbare Regeln, nach welchen die Diskussionen in Online-Foren ablaufen, hat in Südtirol bisher nur das Portal salto.bz. In dessen „Netiquette“ heißt es unter anderem: „Insbesondere verboten sind rassistische, sexistische, eine Religion oder sexuelle Identität herabwürdigende sowie Sprachgruppen oder sonstige (kulturelle, nationale, …) Gruppen pauschal verurteilende oder beleidigende Postings.“

Gelöscht werden Kommentare aber auch in Foren ohne Netiquette. Nicht immer bekommt der abgewiesene Poster dafür eine Begründung. Wie die Redaktionen ihre Community betreuen, hat User Hansfranz mit der Zeit gelernt: „Wenn Samstag, Sonntag niemand arbeitet, steht der Kommentar über das Wochenende drinnen. Oder wenn am Morgen jemand anderes zuständig ist als am Abend, kann es passieren, dass ein Kommentar morgens nicht, am Abend aber schon veröffentlicht wird“, veranschaulicht Hansfranz die Willkür, mit der in Südtirols Redaktionen Leserreaktionen gelöscht und freigeschaltet werden oder einfach durchrutschen.

Onlineseiten tut ein lebendiger Dialog gut. Nicht nur finanziell, auch inhaltlich könnten journalistische Produkte vom Austausch mit den Lesern profitieren. Voraussetzung dafür ist allerdings ein qualitativer Dialog, weniger ein quantitativer. Eine Studie von Wissenschaftlern der Universität Wisconsin kam zum Ergebnis, dass besonders untergriffige Kommentare auch auf die journalistischen Texte abfärben können: Je gehässiger die Postings, desto negativer wurde der Inhalt des Artikels von den Lesern bewertet, egal welche Aussage er eigentlich hatte. Artur Oberhofer von tageszeitung.it ist zuversichtlich, dass man die Communities besser steuern könnte. Für die Zukunft ist ein Moderationskodex geplant.

*Name von der Redaktion geändert

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