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Ja, ich bin Panem-Fan – und das, obwohl Fantasy- oder Eskapismus-Sagen eigentlich so gar nicht meins sind. Aber auf den Hype der dystopischen Romanreihe von US-Schriftstellerin Suzanne Collins, die zwischen 2008 und 2010 unter dem Originaltitel „The Hunger Games“ erschienen ist, bin ich komplett aufgesprungen. In meinem Bücherregal steht eine orange-goldene Special Edition, die ich mir 2011 oder 2012 gekauft und deren Bücher ich innerhalb von fünf Tagen verschlungen habe. Was mich genau an ihnen fasziniert, kann ich bis heute eigentlich nicht so genau sagen. Der literarische Anspruch – auf den ich normalerweise besonders viel Wert lege – ist zugegeben nicht sonderlich hoch, die Sprache eher einfach gehalten, klar: die Zielgruppe der Romane sind auch in erster Linie Jugendliche.
Faszination Dystopie
Bei „Die Tribute von Panem“ ist es wohl die Faszination an der Story selbst: die Erschaffung einer Welt, die unseren vergangenen – und zum Teil auch der heutigen – sehr ähnlich ist. Ein diktatorischer Präsident, der über seine Bezirke, die sogenannten Distrikte herrscht, die Unterdrückung der Menschen und der Drang nach Revolution und der einhergehenden Freiheit sind Motive, die keinesfalls aus dem Nichts gegriffen sind, sondern nach wie vor Relevanz haben. Eine gewaltsame Politik, die Hungerspiele als grausames Mittel der Unterdrückung der Angst und junge Menschen, die mit tiefen Emotionen für ein Leben in Freiheit kämpfen. Der innere Monolog aus den ersten Romanen lässt einen eintauchen, mitfiebern und mithoffen, von der ersten Seite bis zur letzten – und so taten es auch die Filme (2012–2015), die unter Regie von Francis Lawrence spektakulär umgesetzt und weltweit zu Klassenschlagern wurden. Nach dem letzten Teil der Filmreihe dachte ich mir – ganz fan-konform: Und das soll es jetzt gewesen sein? Kein neuer Teil mehr, auf den ich hinfiebern kann? Und ja: Fünf Jahre lang sah es ganz danach aus.
„People aren’t so bad, really. It’s what the world does to them.“
Lucy Gray BairdBack to Panem
Doch im Mai 2020 war es dann tatsächlich soweit: Ein vierter Band von Panem wurde veröffentlicht, ein Prequel, das chronologisch also bereits vor der Ursprungs-Trilogie spielt. „The Ballad of Songbirds and Snakes – A Hunger Game Novel“ erzählt die Geschichte des späteren Präsidenten Panems: Coriolanus Snow. Wie schon seine Vorgänger hat mich auch Teil vier sofort gecatcht – zumal ich auch die Geschichten gemeiner Antagonisten seit jeher faszinierend finde. Was macht den Menschen böse? Steckt das Böse in jedem von uns? Ist es eine bewusste Entscheidung, auf welcher Seite man steht? Genau mit diesen Fragen setzt sich auch die Verfilmung des vierten Teiles von „Die Tribute von Panem“ auseinander, die aktuell in den Kinos läuft. Ich hab mir den Film natürlich gleich im Kino angeschaut und schon nach den ersten Minuten war ich wieder voll drin, in der von Collins geschaffenen dystopischen Welt Panems, was vor allem der zugehörigen charakteristischen Filmmusik zu verdanken ist und natürlich bereits bekannten Details aus der Story selbst.
Worum geht’s?
Zehn Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs in Panem absolviert der 18-jährige Coriolanus Snow seinen Abschluss an der Akademie des Kapitols. Da Coriolanus bei seiner Großmutter und seiner Cousine Tigris in ärmlichen Verhältnissen lebt, benötigt er das von der wohlhabenden Familie Plinth gesponserte Stipendium. Dies soll jener Absolvent erhalten, der als bester Mentor eines ihnen zugewiesenen Tributes während der Hungerspiele fungiert. Coriolanius wird der weibliche Tribut aus Distrikt 12 zugeteilt: die junge Wandermusikerin Lucy Gray Baird. Obwohl sie keine Kampferfahrungen hat, beeindruckt sie Coriolanus aber mit ihrem Selbstbewusstsein und ihrem Gesang. Snows Ziel: Lucy Gray unversehrt aus der Arena wieder rauszubringen. Als Zuschauer:in fragt man sich schnell: Will er nur siegen oder gibt er auch deshalb alles, weil er sich ganz offensichtlich zu seinem Schützling hingezogen fühlt? Immer wieder lässt Snow seine Cleverness spielen – und die spielt er oft ohne Rücksicht auf Verluste aus. Immer wieder blitzt seine skrupellose Ader hervor und doch scheint im zukünftigen Diktator der gute Junge zu stecken, der seine Eltern beide im Krieg verlor.
Weil er bei den Hungerspielen betrügt, damit Lucy Gray Siegerin wird und er das Stipendium erhält, wird Coriolanus Snow als Friedenswächter in die Distrikte geschickt. In Distrikt 12 trifft er Lucy Gray wieder. Doch ein Happy End gibt es deshalb keines. Im Gegenteil: Es ist der Beginn des Aufstiegs eines Mannes, der Panem noch mehr ins Verderben stürzen wird …
„Snow landet immer oben.“
Coriolanus SnowMagere Hungerspiele, bemerkenswerter Cast
Wie in der Romanvorlage liegt der Fokus des vierten Teils ganz klar auf der Entwicklung Snows zum Bösewichten – und nicht wie in den Vorgängerteilen auf den Hunger Games selbst. Weshalb die zehnten Hungerspiele im ersten Part des Films im Vergleich zu den uns schon bekannten Spielen womöglich etwas unspektakulär vorkommen und den einen oder anderen Zuschauenden enttäuschen mögen. Davon viel wett macht auf jeden Fall der Cast: Allen voran Hauptdarsteller und Jungschauspieler Tom Blyth, der den 18-jährigen Corolanius Snow mit weiß-blondem Haar und eisig-blauen Augen verkörpert, brilliert in seiner Rolle und schafft es – obwohl er den angehenden Bösewicht spielt – die Sympathien der Zuschauer:innen einzuheimsen. Ihm gelingt es, auf dem schmalen Grat zwischen Gut und Böse zu balancieren und lässt bis ins letzte Drittel des Films hoffen, dass er auf die gute Seite fällt – und das, obwohl man den Ausgang ja schon kennt.
Auch die junge Rachel Zegler erntet mit Sicherheit sehr viele Herzen der Kinogänger:innen – nicht zuletzt wegen ihres unbestreitbaren Gesangtalents. Sie setzt die Rolle der aufmüpfigen und doch verletzlichen Lucy Gray Baird perfekt um – ich zumindest habe sie mir im Buch ziemlich ähnlich vorgestellt.
Oscargewinnerin Viola Davis als oberste Spielmacherin Dr. Volumnia Gaul könnte auch als James-Bond-Bösewichtin durchgehen – nicht nur von der Aufmachung, sondern auch von der herrlich kaltherzigen Attitüde. Ebenfalls erwähnenswert finde ich Josh Andres Rivera – er spielt Sejanus Plinth, der trotz der Stellung seiner Familie im Kapitol gegen die Hungerspiele und die Unterdrückung im Land ankämpft und am Ende von seinem einzigen Freund, Coriolanus Snow, als Rebell verraten wird.
Fazit
Wer sich Hungerspiele à la Teil 1–4 erhofft, kommt bei „The Ballad of Songbirds and Snakes“ leider nicht auf seine Kosten. Wer sich aber für die Entwicklung einer der wichtigsten Figur der Panem-Saga interessiert, sich gerne mit der Thematik Gut und Böse befasst, einige interessante Hintergrundaspekte zur Geschichte Panems erfahren will (zum Beispiel, was es mit dem Namen Katniss oder dem Song „Hanging Tree“ auf sich hat) und wer Wert auf einen guten – wenn auch zum Teil noch unbekannten Cast legt – sowie gerne hoffnungslos mitfiebert, für den ist der dystopische Abenteuerfilm auf jeden Fall ein must-see.
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