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An Empathie mit Tieren fehlt es dem Südtiroler Bauernbund ja nicht. Vor allem, wenn es um das Thema Bär oder Wolf geht. Dann können sich die Vertreter des Bauernbunds plötzlich so gut in die eigenen Tiere einfühlen, dass sich auch ihre Wortmeldungen kaum noch vom angstvollen, hysterischen Geblöke einer Herde Schafe unterscheiden.
Jedes Mal, wenn ein Wolf oder Bär die heilige Grenze zu Südtiroler Boden überschreitet, folgt das gleiche Schauspiel: Bauernvertreter, die vor Aufregung rot anlaufen, Hexenjagden auf gegenteilige Meinungen und nicht zuletzt die Wölfe selbst – blutrünstig, Zähne bleckend und mit weit aufgerissenen, schäumenden Mäulern. Nein, keine echten Wölfe natürlich. Sondern diejenigen, die immer wieder auf realistische Weise in der Tageszeitung „Dolomiten“ abgedruckt sind. Da mag es geradezu verwundern, dass es nicht die Gebrüder Grimm sind, die hinter dieser Tageszeitung stehen, sondern lediglich die Gebrüder Ebner.
Diesmal ist es ein Wolfspaar am Deutschnonsberg, das die Gemüter erhitzt. Die beiden Wölfe scheinen schon seit einiger Zeit hier ansässig zu sein. Sorge bereitet die Tatsache, dass es sich um einen Rüden und ein Weibchen handelt, weshalb man baldigen Nachwuchs erwartet. Auch im Gadertal sind zwei Wölfe vor kurzem in eine Fotofalle getappt. Doch wie gefährlich sind die Wölfe wirklich?
Entgegen den kontraproduktiven Bemühungen einiger Naturschützer, den Wolf zu verharmlosen und zu romantisieren, steht fest: Der Wolf ist kein Kuscheltier und eine Begegnung mit ihm kann nachweislich tödlich enden. Die Angriffe auf Menschen sind allerdings äußerst selten, denn der Mensch passt nicht ins Beuteschema des Wolfes. Wissenschaftliche Datenerhebungen wie der Linnell-Report zeigen: Meist war es Tollwut, die den Wolf zum Angriff bewegte. Westeuropa ist inzwischen aber so gut wie tollwutfrei, dementsprechend sind auch problematische Begegnungen seltener geworden.
Wo es ideologisch zugeht, da muss auch die richtige Propaganda her.
Wenn die Angst vor dem Wolf in Südtirol begründet sein will, dann kann sie sich nur auf die Angriffe auf Nutztiere beziehen. Laut dem Direktor des Amtes für Jagd und Fischerei Luigi Spagnolli wurden aufgrund der Wölfe durchschnittlich zwischen 15.000 und 25.000 Euro Schadenersatz jährlich gezahlt. Zum Vergleich: In der Toskana beliefe sich der Schadensersatz bei 700 Wölfen auf über eine Million Euro jährlich. Dass einige zehntausend Euro nicht gerade jene finanzielle Last sein kann, die das Land Südtirol in den Bankrott treibt, legt nahe, dass der Widerstand gegen den Wolf eher ideologisch motiviert ist.
Wo es ideologisch zugeht, da muss auch die richtige Propaganda her. Das hat beim Thema Wolf oder Bär bisher immer sehr gewissenhaft die Tageszeitung Dolomiten übernommen. Dort liest man das karg begründete und wahrscheinlich im selben Maße qualifizierte Urteil: Wolf und Südtirols Berglandwirtschaft passen einfach nicht zueinander. Dabei scheut man sich auch nicht, die elementarste Einhaltung von Naturschutzgesetzen in Frage zu stellen:
„Welche Blüten der Naturschutz in Italien treibt, zeigt ein Gesetzentwurf, den drei Senatoren nun in Rom eingebracht haben. Dieser sieht vor, dass hinter Gitter muss, wer einen Bären unrechtmäßig abschießt.“
Aussage: Wer eine Straftat begeht, indem er ein strenggeschütztes Tier tötet, sollte lieber ungestraft davonkommen. Dass Wolf und Bär nicht nur in Italien, sondern in beinahe jedem zivilisierten europäischen Staat unter strengem Schutz stehen, das übersieht die Tageszeitung großzügig. Stattdessen hofft man, nationale sowie internationale EU-Gesetzgebung zu umgehen und für Südtirol ein Sonderrecht für den Umgang mit Wildtieren herauszuschlagen.
Die Sehnsucht nach Wildnis und die naive Freude darüber, endlich wieder Wölfe in unseren Wäldern zu haben, sind genauso irrational wie die Angst vor dem Wolf.
Spagnolli, der auf die Unsinnigkeit dieser Forderungen aufmerksam macht, wurde als Wolfsbefürworter angegriffen. Die Einladung zu einer Pro und Contra-Diskussion des Senders Rai Südtirol hat er dennoch klugerweise abgelehnt. Denn die Frage, ob man nun für oder gegen den Wolf ist, ist in der Tat unangebracht. Die Sehnsucht nach Wildnis und die naive Freude darüber, endlich wieder Wölfe in unseren Wäldern zu haben, sind genauso irrational wie die Angst vor dem Wolf. Beide Gefühle entspringen letztlich einer ganz bestimmten, meist städtischen Unerfahrenheit. Die eine Unerfahrenheit romantisiert, die andere dämonisiert. Die Rückkehr des Wolfes ist aber eine Tatsache, die sachliche Maßnahmen erfordert, wie etwa den Wolfsplan, der gerade in Rom erarbeitet wird. Und ob Südtirol zu ihm passt, weiß der menschenscheue Wolf wohl am besten zu entscheiden.
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