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Mit elektronischen Klängen eröffnet Musikerin Reinhilde Gamper im silbernen Glam-Outfit das Theaterstück „Der Traam“ und begleitet damit in die wortlose und in flottem Tempo gespielte Eröffnungsszene, in der sich Milena (Viktoria Obermazoner) und Alex (Renè Dalla Costa) als Paar kennen- und lieben lernen und gemeinsam in eine kleine Wohnung in der Stadt ziehen. Und während die Musikerin vor der Bühne fast futuristisch anmutet, so 1980er sind die Bühne selbst, Outfits und Haare der Protagonist:innen – ein spannender Kontrast, der das Auge irritiert und amüsiert gleichzeitig.
Men muaß lei unfreundlich sein und a einheimischen Nomen hobn
Milena MilecivicDie Story
Regisseur Dietmar Gamper schreibt nach einer Vorlage der Südtiroler Autorin Selma Mahlknecht ein Stück über den (Alb)Traum vom Wohnen: Milena Milicevic verzweifelt auf der Suche nach einer größeren und schöneren Wohnung für sich, ihren Partner, alias „Esel“ Alex und das ungeborene Baby, von dem noch nicht mal der Papa weiß. Milena begreift schnell: „Men muaß lei unfreundlich sein und a einheimischen Nomen hobn“ – dann klappt es auch mit der Erlaubnis zur Wohnungsbesichtigung. Denn erst als sie sich Huber nennt, hilft ihr die reiche Maklerin Lukrezia Froidl (Brigitte Knapp), weiter – die aber trifft mit der super-luxuriösen Penthouse-Wohnung oder der in flackerndem Neonlicht getauchte Kellerwohnung nicht unbedingt den Geldbeutel beziehungsweise den Geschmack der werdenden Mutter. Die Preise sind so oder so ungeheuer. Und Alex? Nun, der möchte eigentlich weg aus der Stadt und in sein Heimathaus ziehen, das mitten in der Natur an einem Steilhang liegt. Im Weg steht ihm dabei nicht nur sein Alt-Hippie-Onkel Dave (Georg Kaser), sondern auch Milena, die um keinen Preis aus der Stadt weg möchte. Das Beziehungsdrama ist also vorprogrammiert …
Das Ensemble
„Der Traam“ fährt mit einigen bekannten Gesichtern der Theaterszene auf, die für ihre Rollen in dem Stück eigentlich wie gemacht sind: Da ist zum einen Viktoria Obermarzoner, der man die fast immerzu präsente Rolle der sympathischen, aber sehr beziehungsdominierenden Milena mit Freude abnimmt. Renè Dalla Costa, der als naiver und gutmütiger Partner mimisch vielleicht manchmal zu sehr in Klischees abdriftet – was auch am Stück selbst liegen mag –, schmeicheln die ernsteren Szenen etwas mehr.
Des wos du hosch, zoag, wer du bisch.
Lukrezia FroidlApropos Klischees: Mit denen spart Regisseur Gamper auch mit seinen anderen geschriebenen Rollen nicht – und das wohl mit Absicht: Da hätten wir zum Beispiel die überhebliche, rassistische Maklerin Froidl, der Schauspielerin Brigitte Knapp – pretty in pink by the way – ein ordentliches Bozner Deutsch in hoher Stimmlage verpasst oder Alex’ Onkel, der alle klassischen Charakteristika eines alten Hippies in sich vereint. Oder – ebenso von Georg Kaser verkörpert – Alex’ grummeliger Papa, der immer wieder betont, „wie er mit die eigenen Händ olls aufgebaut hot.“ Aber wie das mit den Klischees meistens so ist: Sie funktionieren halt und sorgen für einige Lacher im Publikum.
Die Thematik
Das unsubtile Spiel mit den Klischees machen die ernste Thematik, die die gesamte Mittel- und Unterschicht Südtirols betrifft, etwas erträglicher: Wohnungsnot, horrende Mietkosten, ausländerfeindliche Kriterien und – auch dieses häufig ungesehene Thema wird kurz angekratzt – sexuelle „Übereinkommungen“, die in diesem Fall direkt von der Maklerin weitervermittelt würden. Kleine Grabschereien gehören zum Business dazu, wie Fleiß und Arbeit, wenn man es zu etwas bringen will. Lukrezia Froidl, weiß genau, worauf es im Leben ankommt: „Des wos du hosch, zoag, wer du bisch.“ Im Übrigen ist ein guter Job Voraussetzung, ein Kind ein absolutes No-Go, wenn es um die Wohnungsvergabe geht, aber „a Hund in der Stadtwohnung isch schon ein Muss.“ Die Rolle der Maklerin ist Sinnbild für die Wohnungssituation in Südtirol, zumal sie nur an Einheimische vermietet und verkauft oder sie hinausekelt, indem sie die Mietpreise stetig nach oben treibt. Und trotzdem: „Wer heutzutage kein Dach überm Kopf hat, isch selber schuld.“
Miasset a Frau, de a Kind kreag, net ohne Ongst sein? Miasset a Frau, de a Kind kreag, net wissen, wohin?
Milena MilecivicDas Stück zeigt zudem die Unterschiedlichkeit der Menschen und ihre ganz persönlichen Vorstellungen vom Wohnen und Leben auf. Für die einen bedeutet der Traum vom eigenen Zuhause das Sein in einer bestimmten Umgebung – „Stadt! Land!“ – für die anderen ist es Luxus, oder für wieder andere die Nähe zur Ursprungsfamilie und das Zusammensein mit den Menschen, die man liebt.
Die Aufarbeitung
Das Beziehungsgeplänkel zwischen Milena und Alex hätte insgesamt ruhig etwas kürzer ausfallen, dafür die eigentlich Thematik noch mehr in die Tiefe gehen dürfen. Die eigens von Komponist Simon Gamper geschriebenen Songs wirkten jedenfalls ausgereifter als die Story dazwischen – wobei die Dialoge im Südtiroler Dialekt aber wiederum für sehr viel Nähe und Wiedererkennung im Publikum sorgen. So haben beide Parts, die gesprochenen wie die gesungenen und getanzten, durchaus ihre Berechtigung. Der elektronische Sound hebt das Stück auf ein höheres Musical-Level, gestaltet es lebendig, bunt und abwechslungsreich. So kommt auch mal ein Bohrer zum Einsatz, den Reinhilde Gamper über die Zithersaiten wandern lässt. Bei ihrem kreativen Musizieren könnte man ab und zu glatt mal vergessen, dem Schauspiel auf der Bühne zu folgen. Die Wendung am Ende des Stücks – das hier nicht verraten werden soll – ist nicht sonderlich realistisch, und genau das ist gewollt und wird auch so besungen: „In echt warets ondersch“, aber „mir traamen, weil mirs olm no net verlernt hobn.“
Trotz spärlichen Platzes auf der Bühne der Carambolage, werden mit wenigen, wortwörtlichen Handgriffen mehrere Wohnungen hingezaubert, die bei Szenenwechsel mit dem Tausch des Lampenschirms und weiteren kleinen Anpassungen symbolisiert wurde – was sehr liebevoll und mit einer Art „Bühnengeistern“ geradezu zelebriert wurde. Ein Sofa, ein Lampenschirm, ein Wohnzimmertischchen und die passende Lichtatmosphäre – mehr braucht es oft nicht.
Fazit
Dietmar Gampers „Der Traam“ ist ein erfrischendes und humorvolles Stück, das als Musical af Südtirolerisch tatsächlich sehr gut funktioniert, auch wenn es hie und da von der Story her etwas too much, ist – aber das ist bekanntlich Geschmackssache. Sicher ist: So manch eine:r wird sich in der Wortwahl selbst wieder finden und viele Vorurteile und Aussagen vonseiten der Vermieter:innen oder Makler:innen bereits selbst gehört oder sich an die horrenden Preise hierzulande – gelinde ausgedrückt – gestört haben. Gut also, dass das Thema Wohnen endlich auf die Bühne gestellt, beschimpft und – mit wirklich großartigen Songs – besungen wird.
„Der Traam“ ist eine Produktion der Südtiroler Städtetheater und spielt noch an folgenden Tagen in der Carambolage:
Mittwoch, 16.10.
Donnerstag, 17.10.
Freitag, 18.10.
Samstag, 19.10.
Im Stadttheater Bruneck spielt das Stück an folgenden Tagen:
Donnerstag, 24.10.
Sonntag, 27.11.
Montag, 31.10.
Sonntag, 03.11.
Mittwoch, 06.11.
Donnerstag, 07.11.
Freitag, 08.11.
Reservierung: https://stadttheater.eu/spielplan/der-traam
Und im Theater in der Altstadt Meran:
Freitag, 15.11.
Sonntag, 17.11.
Donnerstag, 21.11.
Freitag, 22.11.
Sonntag, 24.11.
Mittwoch, 27.11.
Donnerstag, 28.11.
Reservierung: https://www.tida.it/de/programm-aktuell
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