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Sarah Meraner
Veröffentlicht
am 30.10.2023
LabernTheaterrezension

Mit rosa Brille durch die Berge

Veröffentlicht
am 30.10.2023
Die Vereinigten Bühnen Bozen holen das Theaterstück „Monte Rosa“ von Teresa Dopler ins Stadttheater. Obwohl sich in der Geschichte vermeintlich alles um die Berge dreht, geht es um die Menschen. Was passiert, wenn einsame Bergsteiger:innen aufeinander treffen? Eine soziale Spiegelung.
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Monte Rosa

Eine rosarote Bank, zwei in dicke, pink-bunte Skianzüge gepackte Bergsteigerinnen und jede Menge Smalltalk in den Bergen: Es sei ungewöhnlich lau. Und dunstig. Und trotzdem: herrlich! Sofort fragt sich das Publikum: Sind die beiden völlig unterschiedlichen Persönlichkeiten froh, aufeinander zu treffen? Es tauchen noch mehr innere Fragen auf: Wer sind wir? Wonach suchen wir? Alles was im Stück „Monte Rosa“ zählt, ist schließlich nur, den Gipfel zu erklimmen, möglichst leise zu atmen und dabei aufzupassen, wo man heutzutage hinsteigt, wenn Gletscher schmelzen und Berge bröckeln. Oder?

Nur ein kurzer Moment
„Haben wir uns schon mal gesehen?“ „Keine Ahnung, ich kann mir keine Gesichter merken.“ Bergsteigerin A trifft auf Bergsteigerin B, die dann auf Bergsteiger C treffen – alle namenlos und alleine in den Alpen Richtung Matterhorn unterwegs. Damit ist der Inhalt bereits beschrieben … Und doch geht es um mehr. A, B und C hetzen – durch persönliche Leistung und von aufgesetzt guter Laune getrieben – von einer Bergtour zur nächsten. Ihre Gespräche erscheinen zum Teil wie peinliches Geplänkel über dieses und jenes. All das ohne Substanz, ohne Blick unter die Oberfläche. Doch zunehmend birgt fast jeder Satz eine tiefere Bedeutung.

„Wohin willst du gehen?“ „Bist du immer alleine unterwegs?“

Bewusst setzt die 1990 in Oberösterreich geborene Autorin Teresa Dopler oberflächliche Gesprächssituationen ein – zum Beispiel über den Hintern von Bergsteigerin A, der „überdurchschnittlich groß ist und bloß nicht größer werden soll“. Sie bringen das Publikum mal zum Schmunzeln, mal zum Lachen, und mal berühren sie unangenehm – substanzlose Gespräche und überflüssige Kommentare über das Aussehen anderer kennt schließlich jede:r aus dem eigenen Leben. 

In dieser Geschichte geht es nicht um das „Was?“, sondern um das „Wie?“, also den Umgang der Protagonist:innen mit dem, was um sie herum geschieht. Um die eigene Wahrnehmung der Welt und den Selbstschutz, sich ernsten Themen nicht zu sehr anzunähern. Bewusst kritisiert Dopler in „Monte Rosa“ – mal mehr, mal weniger subtil – gesellschaftliche Themen, die im echten Leben zu wenig Raum einnehmen: Egoismus, Schönheitsideale and other superficialities. Aber auch Feminismus, Klimaveränderungen und Tod werden thematisiert – stets mit einem für den Menschen „gesunden Abstand“. Nur wenige Situationen lassen erahnen, wie es im Inneren von A, B und C wirklich aussieht. Doch sie tragen sie in sich, die Sehnsucht nach menschlicher Nähe, nach Wahrheit, Identität und dem Wunsch, auch mal „unschöne“ Gefühle zuzulassen. 

„Ich seh nicht so genau hin“, sagt A, als B auf die schöne Aussicht verweist. Sie habe keine Zeit dafür und werde dann traurig. Doch dann schaut A doch hin, gemeinsam mit B. Sie betrachten den Sonnenuntergang in den Bergen. A fängt an zu weinen, so „als würde kurz ein Vorhang aufgehen“, doch sie weiß: „Es ist nur ein Moment. Er geht gleich vorbei.“

Die Macht der Dialoge
Regisseurin Susanne Frieling setzt bei diesem Theaterstück auf die Macht der Dialoge – und das Talent der Schauspieler:innen. Es geht um nichts weiter als um die Menschen. Dabei holt sie – anhand von Videoeinspielungen – auch die Stimmen anderer auf die Bühne: Reinhold Messners Tochter Magdalena beispielsweise, die über die Anekdoten ihres Vaters berichtet oder Bühnenbauerin Verena Mairhofer, die darüber spricht, warum es mehr Frauen in Männerberufen geben sollte. Damit greift Frieling die Messages von Teresa Dopler nochmal auf und durchbricht die oft langatmigen Berg-Dialoge mit Storytelling aus dem Hier und Jetzt. Solche notwendigen Atempausen gelingen ihr auch durch den Einsatz passender Musik, wie „Dracula“ von Wallners, das am Ende für einen lauten, emotionalen Abschluss sorgt.

„Es ist gefährlich, als Bergsteigerin unglücklich zu sein.“

(Schau)Spiel mit Tiefgang
Immer höher, um niemals in die eigene Tiefe zu blicken: A, B und C wollen nichts anderes, als Gipfel erstürmen. Die Protagonist:innen werden zwischen Geistlosigkeit und der verdrängten Suche nach dem „Mehr“ gekonnt oberflächlich von Barbara Romaner, Margot Mayrhofer und Jakob Egger gespielt. Geschickt setzen sie peinliches Lachen, übertriebenes Stirnrunzeln und sehnsuchtsvolle Blicke ein, wandeln zwischen der Identitätssuche und ihrem sicheren Horizont, dem Berg und finden beim Gespräch über das Meer „wie eigenartig eine Bergsteigerin an der Küste doch wäre“. Überzeugend lässt Romaner Figur A eine Entwicklung durchlaufen und gegen Ende „echter“ werden, während Mayrhofer ihre Bergsteigerin B zwischen glaubwürdigem und überspitztem Sein an dieser Nahbarkeit staunend teilhaben lässt. Figur C, herrlich dargeboten von Egger, versteckt sich hingegen bis zum Ende hinter seinem Lachen, lebt seine Ich-Bezogenheit und verdrängt, was nicht in sein perfektes (Bergsteiger)Leben passt. Völlig ungekünstelt eine derartige Affektiertheit spielen – das gelingt allen drei Darsteller:innen.

Hinhören. Nachsinnen.
„Monte Rosa“ ist eine Allegorie für das Leben. Ein auf knappen Dialogen, nicht auf Handlung aufgebautes Theaterstück aus der Gegenwart, das die Zuschauenden immer wieder zum Lachen, vor allem aber zum genauen Hinhören zwingt. Ein Stück, bei dem man nicht sofort weiß, wo und wie man es für sich und den persönlichen Geschmack einordnen soll – denn es benötigt Zeit, dort anzukommen, wo es hingehört.

Eine soziale Spiegelung, die einen dazu bringt, die metaphorisch rosarote Brille abzunehmen, um über den eigenen, ganz individuellen Berg zu resümieren.

Termine und Tickets gibt es auf der Website der Vereinigten Bühnen Bozen.

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