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Lisa Maria Kager
Veröffentlicht
am 04.10.2018
Meinung40 Wochen

Ich bin ein Koala

Veröffentlicht
am 04.10.2018
Verblüffend: Mit der Schwangerschaft kommt der Glaube an Gott. Und das Verlangen nach Schlaf.
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Pille, Kondom, Ring, Spirale, Kette, Pflaster: Wir schreiben das Jahr 2018 und wissen, wie verhüten geht. Genau deshalb gehört Mut dazu, sich aktiv zu entscheiden, darauf zu verzichten und ein Baby zu zeugen. Während dieser Augenblick in vielen asiatischen Kulturen noch als heilig gilt und man sich ganz bewusst lange darauf vorbereitet, wird man bei uns nett belächelt, wenn man von der Lebensenergie erzählt, die die Eltern dem Kind bei der Zeugung mitgeben. Dabei ist es geradezu unmöglich, die Magie dieses einzigartigen Moments nicht im ganzen Körper zu spüren.

Obwohl man genau weiß, dass man nicht selbst verantwortlich ist für das Gelingen dieses Vorhabens, fühlt man sich im Moment der Zeugung als Entscheidungsträger: Als der Mensch, der genau jetzt darüber bestimmt, ob sich das eigene Leben von nun an komplett verändern wird. Das kann schon mal ein kurzes, mulmiges Gefühl im Bauch auslösen.

Doch die tiefe Verbundenheit, die mich in diesem Moment gelenkt hat, war stärker als die Angst, eine falsche Entscheidung zu treffen. Und ehrlich gesagt wurde mir diese Entscheidung dann auch einfach abgenommen. Ich denke, mit dem Augenblick der Zeugung habe ich zum ersten Mal wirklich verstanden, was Gott eigentlich ist – diese Schöpfungskraft, die wir uns irrtümlicherweise vielleicht als weisen Mann mit langem Bart auf einer Wolke vorstellen. Genau so erschafft Gott nämlich Menschen: Ohne Verhütung, durch leidenschaftlichen Sex.

„Der Herzmensch hat jetzt schon die Macht über mich ergriffen.“

Heute hat mich mein Mut wieder verlassen und die magische Kraft Gottes auch. Das Baby ist gezeugt, Gott hat seine Arbeit also erledigt. Und ich? Mich überkommt in meiner gottverlassenen Welt plötzlich die Angst.

Ich habe Angst davor, eine der Mütter zu werden, die den ganzen Tag nur noch in Cafés und auf Spielplätzen rumlungern und über Zähnchen, Milchstaus und Windeln voller Kaka jammern. Angst davor, mich dabei selbst zu verlieren und nach der Geburt nie mehr die Lisa zu sein, die ich eigentlich bin. Angst davor, meine Vorsätze für das Kind nicht in die Tat umsetzen zu können. Angst davor, dass mein Baby nicht gesund ist, wenn es auf die Welt kommt. Angst davor, mir von den falschen Menschen Angst machen zu lassen.

Aber in erster Linie habe ich jetzt gerade Angst davor, es heute noch Dornröschen gleichzutun und in einen hundertjährigen Schlaf zu fallen.

Es ist kurz nach dem Mittagessen, als mir meine Augen noch am Tisch zufallen. Ich rolle meinen hormondurchfluteten Körper mit meinen letzten verbliebenen Kräften auf die Couch und schlafe vermutlich noch auf dem Weg dorthin ein – genau weiß ich es nicht mehr. Als ich drei Stunden später vollgesabbert und bei 39 Grad Hitze verschwitzt in eine Decke gekauert aufwache, liege ich jedenfalls am richtigen Platz. Super, der Herzmensch hat jetzt schon die Macht über mich ergriffen.

Ich hasse es, wenn jemand anderes – und vor allem wenn dieser jemand meine Mutter ist – Recht hat. Mich, Lisa Maria Kager, kriegen keine zehn Pferde an einem sonnendurchfluteten Nachmittag, an dem jeder normale Mensch arbeiten sollte, auf die Couch zum Schlafen. Ich schlafe zwar gerne, aber nur an verregneten Sonntagen und solange es zu finster ist, um im Freien etwas zu sehen. Habe ich die Wahl zwischen leben und schlafen, entscheide ich mich für Ersteres. Immer. Auch wenn ich eigentlich zu müde dafür bin. Seit ich schwanger bin, wurde mir die Wahl genommen. Und ganz exklusiv für mich hat nun sogar das Verb schlafen ein Passiv: Ich werde geschlafen.

Nach dem Aufstehen habe ich Lust auf ein Nutellabrot mit extra viel Butter und auf eine Scheibe Speck und einen Espresso. Obwohl verboten, gönne ich mir den kurzen Schwarzen und schlürfe ihn in der Hoffnung auf einen Energiekick mit schlechtem Gewissen. Dabei wundert es mich, dass ich nicht auch noch Lust auf Eukalyptus habe. Die Schwangerschaft lässt mich zum kuschligen, grauen Koalabären mutieren. 99 Prozent ihrer Zeit verbringen diese süßen kleinen Tierchen mit Essen und Schlafen. 18 bis 20 Stunden Schlaf brauchen sie am Tag, ansonsten sterben sie an Erschöpfung.

Tot bin ich noch nicht. Dafür pocht mein Herz nach dem Espresso zu stark. Also lege ich mich einfach wieder hin. Was würde ein echter Koala wohl gegen aufkommende Angst machen? Schlafen natürlich!

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