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Lenz Koppelstätter
Veröffentlicht
am 08.11.2013
Meinung865 Kilometer

Fantozzi und Loriot

Veröffentlicht
am 08.11.2013
Urlaub in Italien: Warum kommen da plötzlich Heimatgefühle auf?
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Ich bin nach Italien geflogen. Ein bisschen Urlaub machen. Ein paar Tage Rom, ein bisschen Neapel und Amalfi-Küste. Kann ich nur empfehlen um diese Jahreszeit (aber nur um diese Jahreszeit). Schon komisch, dass man als Kind und Jugendlicher nie nach Rom oder Neapel gekommen ist. Kein Urlaub mit den Eltern, keine Klassenfahrt. In Innsbruck, München, Wien war ich damals mehrmals. Rom fühlt sich nicht wie meine Hauptstadt an, so wie sich für Deutsche wohl Berlin als Hauptstadt anfühlt. Und trotzdem: Kaum steige ich in Fiumicino aus dem Flughafen, komme ich mir auf eine bestimmte Art zu Hause vor.

Es sind Kleinigkeiten, die mich an meine Kindheit und Jugend erinnern. Kleinigkeiten, die in Rom gleich sind wie in Südtirol. Dinge, die es in Deutschland nicht gibt: Die Agip-Tankstellen, die Carabinieri in ihren schönen Uniformen und im schönen Alfa Romeo, die Fonzies-Packungen und die Gratta-e-vinci-Zettel in den Sale-e-Tabacchi-Läden.

Deutschland ist nicht mein Zuhause. Auch nicht nach all den Jahren. Ich glaube, ich könnte mich in Berlin zu Hause fühlen, wenn ich es zulassen würde. Will ich aber nicht. Ich habe meine Jugend nicht in Deutschland verbracht. Ich habe nicht die gleichen Kindheitserinnerungen wie meine deutschen Freunde. Ich habe als Kind Fantozzi geschaut. Loriot kannte ich als Kind nicht. Ich finde Loriot nicht besonders witzig. Ich glaube, ich bin der einzige Mensch in Deutschland, der Loriot nicht besonders witzig findet. Ich habe herausgefunden: Man macht sich beim Smalltalk in Deutschland nicht besonders beliebt, wenn man sagt, dass man Loriot nicht witzig findet. Das ist wiederum sehr lustig, denn man könnte sagen: Bei Loriot verstehen Deutsche keine Spaß.

Als ich als Student meine erste Nacht in Bologna verbrachte, da war das nichts Besonderes. Ich wusste, ich muss mein Italienisch verbessern und meine Kenntnisse der italienischen Geschichte erweitern. (Während meiner 13 Jahren Schulunterricht in Südtirol standen zur italienischen Geschichte immer nur die Alten Römer, Risorgimento und der Faschismus in Dauerschleife auf dem Programm.) Ich wusste in meiner ersten Nacht in Bologna auch: Steigst du in den Zug, bist du in drei Stunden zu Hause.

Als ich später, immer noch als Student, meine ersten Tage in Berlin verbrachte, fühlte ich mich in einer fremden Welt. Im Seminar für Politische Soziologie sprachen die anderen Studenten ein so kompliziertes Deutsch, es hat länger gedauert, das zu verstehen, als in Bologna mein Italienisch zu verbessern. Die Zugfahrt nach Hause, so wurde mir klar, würde elf Stunden dauern, der Flieger mich erstmal nur bis nach Bergamo bringen.

Ich musste lernen, dass es heißt: Nicht die gleichen Kindheitserinnerungen WIE meine deutschen Freunde. Aber: Andere Kindheitserinnerungen ALS meine deutschen Freunde. Dass zu Sprechstunden alle eingeforderten Unterlagen mitzubringen sind. ALLE! Da gibt es kein „Va bene professore, insomma, ma non possiamo …“ wie in Bologna.

Urlaub in Italien. Eine Trattoria in Trastevere. Ich bestelle. „Ah, ma è italiano?“, sagt die Wirtin. Was antworten? „Sì, dell' Alto Adige“, sage ich. Und dass ich aber seit zehn Jahren in Berlin lebe. „In Berlin sagst du aber schon, dass du Italiener bist, wenn dich jemand fragt, woher du kommst“, sagt meine Freundin. Nein. Das stimmt nicht. Ich sage: „Ich komme aus Italien.“ Das ist ein kleiner Unterschied.

Meine Freundin spricht kein Italienisch. Ich spiele ein bisschen Dolmetscher im Urlaub. Sie fragt mich oft, was auf irgendwelchen alten Tafeln an irgendwelchen alten Hauswänden steht. Manchmal verstehe ich es selber nicht. Dann behaupte ich einfach: „Das muss Latein sein.“ Ich hatte kein Latinum, wie man in Deutschland sagt. Kein großes und auch kein kleines. Nur das ganz kleine – die gesammelten Asterix-Hefte: Alea iacta est. Veni vidi vici. Ave Caesar, morituri te salutant. O tempora, o mores. Und das bisschen Politikstudium: Pacta sunt servanda.

Zwei Tage später. Ich liege im Bett in einer Pension in einem kleinen Bergdorf über Positano. Auf irgendeinem Rai-Sender läuft irgendeine Episode mit Totò. Ich verstehe zwar nicht alles, aber ich lache mich kaputt. „Worum geht es?“, fragt meine Freundin. „Ist ein bisschen schwierig zu erklären“, sage ich. „Ah, Latein“, sagt sie und schmunzelt. „Nein, komplizierter. Neapolitanisch.“

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