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Hello, huhu, wir sind’s! Wir Krankenpfleger:innen, Wissenschaftler:innen, Architekt:innen, Steuerberater:innen, wir Psycholog:innen, Altenpfleger:innen, Gärtner:innen, Standesbeamt:innen, wir Verkäufer:innen, Elektriker:innen, Busfahrer:innen, Lohnabhängigen und Freiberuflichen – insomma, wir arbeitstätigen Eltern in Südtirol halt!
Wir wollten allen Landtagsabgeordneten, allen Landesrätinnen, und -räten, allen Ressortchef:innen und allen Vertreter:innen des Kindergartenpersonals nur kurz eine Postkarte aus dem Land der vergessenen Kinder schicken. Da auch die neue Landesregierung die sommerliche Upfuck-Situation der Familien bisher nicht zu interessieren scheint, wollten wir nur kurz sicherstellen, dass ihr eh wisst, dass unsere Kinder jetzt 58 Tage Schulferien am Stück und wir nur 20 Tage Urlaub pro Jahr haben? Merkt ihr selbst, oder? Jaja, schon klar, wir Mütter sollen selbst auf unsere Kinder schauen, weil die regierenden Fratelli uns eh Zuhause am Herd wollen, aber das Ding mit dem Herd ist: Muss man ja erstmal seine Miete oder seinen Kredit bezahlen können, um überhaupt einen zu haben.
Zahlt ihr die für uns? Nein? Dann schaut ihr derweil auf unsere Kinder? Nein? Ja, was machen wir denn dann? Was machen wir denn mit unseren Kindern und was machen wir mit dem Geschäft, das niemand aufsperrt, wenn wir nicht arbeiten gehen, mit den Patient:innen, die niemand versorgt, wenn wir nicht arbeiten gehen, mit euren Anträgen, die wir nicht bearbeiten können, wenn wir nicht arbeiten gehen?
Die Sommerbetreuung ist die reinste Glückslotterie.
Das Wichtigste in der ganzen Diskussion ist aber: Dem fünfjährigen Damian geht es beschissen. Die sechsjährige Sophie weint jede erste Wochenhälfte in jeder neuen Sommerbetreuung. Der Cortisolspiegel vom vierjährigen Paul geht schon morgens um acht Uhr durch die Decke. Das liegt daran, dass kleine Kinder bekanntlich eine Eingewöhnung brauchen, bevor sie bei fremden Betreuer:innen bleiben, im Sommer aber bei vier unterschiedlichen Sommercamps nach zwei Minuten Übergabe mitlatschen sollen. Es liegt daran, dass die Sommerbetreuung die reinste Glücklotterie ist, die je nach Gemeinde, Anbieter und Personal große Qualitätsunterschiede aufweist. Einige sind sehr gut, einige sind sehr schlecht. Nur ordentlich kosten tun sie alle.
Zum Abschluss noch fürs Protokoll: Ihr braucht uns nicht mit dem Muttermythos und der Drohung „wer sein Kind liebt, der kann sich zweiteilen, klonen und zwischen Kindern, Arbeitsplatz und Haushalt hin- und herbeamen“ kommen. Gaslighten war gestern, damit sind wir durch. Wir alle sind gute Eltern und wer von uns Zuhause bleiben will, soll Zuhause bleiben, wer arbeiten gehen muss oder will, soll arbeiten gehen können. Und ihr müsst mit eurem Mandat dafür sorgen, dass das möglich ist. Weil wir als Gesellschaft nämlich beides brauchen: Arbeitskräfte und glückliche Kinder.
Kleines Stimmungsbild eines Südtiroler Familiensommers, gesammelt bei den SUSIs:
„Ich arbeite Vollzeit, mein Mann Teilzeit, Kind sechs Jahre alt. Diesen Sommer ist es in fünf verschiedenen Einrichtungen. Anfang des Jahres, zur Anmeldezeit für die Sommerbetreuung, war ich reif für die Klapse: Am Wunschort bekam es keinen Platz, weil ich die Anmeldung fünf Minuten nach Anmeldungsstart verschickt habe. Deshalb sind es bis zum Schluss fünf verschiedene Betreuungsprogramme in vier verschiedenen Gemeinden geworden, das heißt fünf mal Anmeldegebühr und fünf mal Jahresmitgliedschaft, weil man natürlich im Verein, der das jeweils anbietet, eingeschrieben sein muss (was ich ja verstehe, aber wird halt viel).“
„Es kostet ein kleines Vermögen und ist für Eltern unglaublich herausfordernd, das zu organisieren und meistens hat man ja nicht nur ein Kind, wir brauchen also dann noch jemanden für Fahrdienste usw. Auch das muss bezahlt werden, wenn man es aus beruflichen Gründen oder – weil beide Kinder an verschiedenen Orten abzuholen sind – nicht selbst schafft (und sich nicht beamen kann).“
„Wir haben Glück, denn das Elki Meran bietet acht Wochen super organisierten, strukturierten und kinderfreundlichen Sommerkindergarten im Lido Meran an. Mir graut es aber schon vor dem Sommer in zwei Jahren, wenn unser Sohn in der Schule ist.“
Ich habe nachts Albträume und Gewissensbisse, weil ich mir nicht so viel frei nehmen kann und mein Kind in eine Sommerbetreuung schicken muss, wo ich noch nicht mal die Namen aller Erzieher:innen kenne und bei denen ich nicht das Gefühl habe, dass mein Kind dort auf eine liebevolle und motivierte Betreuung stößt.
„Meine Kinder sind nun erwachsen, aber es hat sich in den letzten 20–30 Jahren nichts geändert. Und ja, schon vor 25 Jahren hieß es, dass die Ferien für die Kleinen ja so erholsam sind. In der Realität sind Kinder und Eltern oft nur noch gestresster, weil ständig alles neu organisiert werden muss. Zu meinen Zeiten kam traurigerweise noch dazu, dass die nicht berufstätigen oder Teilzeit-Muttis dann auch noch die vollzeit-berufstätigen Mütter mit ihren (nicht erbetenen) vorwurfsvollen Kommentaren wie ,arme Kinder‘ beglückt haben. Warum geht das in den Niederlanden und Frankreich so viel besser? Nur im deutschsprachigen Raum kennt man das Konzept der Rabenmutter, welches, fürchte ich, auch noch viele Frauen verinnerlicht haben. P.S.: Meine Töchter sind zu selbstbewussten, erfolgreichen und emanzipierten jungen Frauen herangewachsen, und nein, sie haben keine Bindungsstörung, auch wenn ihre Mama immer Vollzeit als Ärztin tätig war.“
„In meiner Gemeinde wurde die Sommerbetreuung für Kindergartenkinder einfach kurzfristig abgesagt, zu wenig Kinder seien von der eigenen Gemeinde, zu viele aus den benachbarten Gemeinden (Wir wohnen im Grenzgebiet – 40 % der Kinder kommen aus dem Trentino hier in die Schule und Kiga). Die Kriterien zur Anmeldung waren Ortsansässigkeit, der Besuch des Kindergarten oder der Schule in der Gemeinde oder das Arbeiten im Gemeindegebiet.“
„Der Sanitätsbetrieb hat heuer übrigens eine nette Mail verschickt, dass er diverse Konventionen mit Vereinen, die Betreuungsangebote haben, gekündigt hat. Das Audit Familie/Beruf des Sanitätsbetriebes (bei dem ich mich beschweren wollte) gibt es nicht mehr.“
„Die Organisation schafft es seit Jahren nicht, kompetente Betreuungspersonen zu finden, sodass es wirklich auch fragwürdig ist, warum immer dieser Träger gewählt wird. Unterm Jahr gibt es auch keine Nachmittagsbetreuung oder anderes: Zuständigkeit habe die Gemeinde, die allerdings eher dafür sorgt, dass die Mamis zu Hause bleiben und Teilzeit arbeiten (müssen).“
„Vor zwei Jahren hat einer der jungen Betreuer im Sommerkindergarten meinem Sohn beim ,Ummerbocken‘ in der Bewegungsbaustelle eines der großen, schweren Schaumstoffteile ins Gesicht geworfen und ihm so einen Zahn rausgeschlagen. Zum Glück war es ,nur‘ ein Wackelzahn. Die Leitung der Betreuung hat darauf reagiert und der Betreuer war dann nicht mehr vor Ort. Aber auch ansonsten war die Betreuung dort eine Katastrophe, einige Kinder wollten nach ein paar Tagen gar nicht mehr hin.“
„Mein Sohn ist mittlerweile in der Grundschule und somit leichter zu händeln, da er nicht mehr im Kleinkindalter ist. Die Kindergartenzeit war aber schwierig. Jetzt muss ich das wieder mindestens drei Sommer lang mit meiner Tochter im Kindergartenalter durchstehen.“
„Meine sind neun und zwölf. Habe für den Kleinen auch zum Glück schnell genug getippt und acht Wochen in der gleichen Einrichtung ergattert, es passt super für ihn – eine relativ konstante Gruppe, immer gleiche Bezugspersonen. Für Mittelschüler ist es ein Geflicke, eine Woche hier, eine da. Es ist nicht möglich, den ganzen Sommer abzudecken. Kosten pro Woche bis zu 150€ in diesem Alter.“
„Nachträgliche Absage, dann zum Glück bei einem anderen Anbieter noch Platz bekommen, der eigentlich zweisprachig ist, dann aber doch kaum Deutsch sprechende Erzieher:innen hat. Der Wald ist dort direkt vor der Tür, Kind sagt dazu: ,Da waren wir noch nie, aber wir dürfen Räume wechseln.’ Als ich fragte, ob sie wie angekündigt den Ausflug machen, hieß es: ,Nein, zu stressig, wir bleiben heute hier.’ Und wenn die Kinder schreien oder streiten, ist die Haltung der Verantwortlichen: ,Mir egal, ich mach dann mal Sudoku.’“
Ich persönlich bin sehr müde und gestresst, fast jede Woche ein neues Programm, unterschiedliche Orte und Zeiten, zu denen die Kinder gebracht und abgeholt werden müssen, teilweise Zeiten, die unter Freizeitgestaltung fallen, von 9–12 Uhr. Wie soll man da arbeiten?
„Wir haben einen Fünfjährigen, den die Lidobesuche stressen, eine Neunjährige, die nach drei Wochen Sommeraktivität todmüde ist, eine Zwölfjährige, für die es dann bald keine Sommeraktivitäten mehr geben wird. Und eine Mama, die um sechs Uhr Nudelsalat kocht, weil das Essen mitgebracht werden muss. Außerdem entstehen Kosten, die bei drei Kindern nicht unerheblich sind. Und dann wird uns im Juni von allen Seiten ein ,schöner Sommer’ gewünscht!“
„Besonders eine von der Gemeinde organisierte Sommerbetreuung wird mir immer in Erinnerung bleiben: Die jungen Gitschen, die sich um die Kinder kümmern sollten, saßen kaugummikauend und handyspielend selbst auf den Schaukeln und überließen die Kleinen sich selbst. Und die plantschten dann auch vergnügt in Unterwäsche (nicht in der laut Liste eigens mitgeschickten Badehose) nicht eingecremt (trotz laut Liste mitgeschickter Sonnencreme) im Planschbecken und zum Abtrocknen war dann auch das (ebenfalls laut Liste) mitgebrachte, mit Namen markierte Handtuch nicht mehr auffindbar.“
„Es war sehr mühsam, das alles im Jänner zu organisieren und ich war mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Weinend habe ich daraufhin meine Mama angerufen – sie hilft mir heuer, ist aber selbst berufstätig. Auch meine Schwester springt ein. Ich wurstel mich durch und zähle die Tage bis zum Schulanfang. Das Einzige, was mich diesen Sommer beruhigt ist, dass beide schwimmen können.“
„Kind (5) weint erst seit dieser Woche nicht mehr bei der Abgabe. Die Betreuer:innen haben sich zum Glück jeden Tag bemüht. Bin froh, wenn der Sommer um ist und dabei bin ich eh noch in der glücklichen Lage und habe drei Wochen Urlaub bekommen.“
„Unsere Kinder sind elf und sieben und wir haben das große Glück, dass ich schnell genug beim Tippen – sprich Abschicken der Anmeldung – war und wir einen Platz für das Sommerangebot bei uns im Dorf bekommen haben. Unsere Tochter geht alle sechs Wochen in die altersgemischte Sommerbetreuung und Gott sei Dank liebt sie es und packt es gut. Beim Großen wird die Planung zunehmend schwieriger, denn die altersgemischte Gruppe ist ihm zu kindisch und er ist unterfordert (nächstes Jahr darf er ohnehin nicht mehr hin, weil er in die Mittelschule geht).“
„Dissoziiere. Bin hoffnungslos, machtlos. Besorgt. Ängstlich, enttäuscht, müde, überfordert. Mit dem großen ,arrangiati bzw. pedala’ im Ohr.“
„Ich habe das Glück, meine beiden Kinder in einer Spielgruppe zu haben, die das ganze Jahr offen ist. Im Herbst kommt mein ältester Sohn in den Kindergarten und ich ,freue’ mich schon auf die Herausforderungen der Sommerbetreuung.“
„Hatte leider keine Chance für meine Vierjährige die gewünschten Wochen zu bekommen (trotz pünktlicher Anmeldung). Bei meiner Achtjährigen wurden teilweise Stundenpläne kurzerhand gekürzt mit der Begründung, sie hätten noch ausstehende Beihilfen vom Land nicht bekommen.“
„Mir graut schon vor dem Tag, an dem Oma und Opa nicht mehr fit genug sind, unsere kleine Tochter an den Vormittagen durch den Sommer zu begleiten.“
„Habe heuer selbst ganz tolle Kinderkurse mit Fokus auf Wissensvermittlung geplant und wunderbare Referent:innen gefunden. Nur beim Kalkulieren der Preise … Wut und Traurigkeit über die hohen Gebühren, die wir verlangen müssen, um nicht ins Minus abzurutschen, sondern auf Null zu kommen. Nur Gutverdiener können sich die Kurse an unserer Institution leisten, wäre für mich als Kind nicht drin gewesen. Die Sommerkurse gehören stärker gefördert.“
„Echt schlimm! Mir tun die Kinder und deren Bezugspersonen leid.“
„Es ist halt einfach so ein krasses Klassismusproblem und es ist so schlimm, dass Kinder aus einkommensschwächeren Schichten, die manchmal umso mehr Förderung bräuchten, die großen Verlierer sind.“
Katastrophe! Bin froh, wenn der September kommt.
„Gestresst hat mich die Anmeldungen für das zehnjährige Kind, weil es verschiedene Sachen bei verschiedenen Vereinen machen wollte. Die Anmeldefristen für die unterschiedlichen Angebote waren unterschiedlich, wenn es bei der späteren Anmeldung bei der Wunschwoche nicht drankommen sollte, dann sind die anderen, die schon Wochen vorher anzumelden waren, alle schon voll … und dann?“
„Ich habe zur Zeit nur ein Kind in der Sommerbetreuung (weil das kleine Kind noch bis September bei der Tagesmutter ist), aber leider habe ich diese fünf Wochen mit drei verschiedenen Betreuungen abdecken müssen. Nächstes Jahr geht der Große Schule und der Kleine in den Kindergarten. Besonders beim Kleinen habe ich jetzt schon Bauchweh, wenn ich daran denke, dass ich ihn in eine Sommerbetreuung bringen muss, da er sich sehr schwer tut beim Eingewöhnen. Alles in allem wie immer ein totales Armutszeugnis für unser Land (fast so toll wie das Einschreiben und auf das Platz-Hoffen von der Nachmittagsbetreuung in Schule und Kindergarten, juchu).“
„Ich habe gemerkt, es hängt stark davon ab, welches Betreuungspersonal dabei ist. Es gibt jene, die sich weder beim Kind noch bei den Eltern vorstellen, tatsächlich immer am Handy sitzen und verantwortungslose Ausflüge planen, wie zum Beispiel Bergwanderungen mit einer Horde kleiner Kinder bei Gewitterwarnung. Dann gibt es auch jene, die sich echt bemühen. Wir haben heuer auch das erste Mal einige Aktionen beim Jugenddienst gemacht, das Kind war vollauf begeistert und die Eltern waren auch zufrieden.“
„Das Geld der Sommerbetreuung würden ich liebend gerne den Lehrer:innen und Kindergärtner:innen zahlen. Deren Job braucht bessere Entlohnung, Wertschätzung, Flexibilität – das Ganze aber als öffentliche Ganzjahreslösung!“
Freu mich jetzt schon aufs Frühjahr 2025, wenn ich mir wieder um Mitternacht den Wecker stellen kann, um dann um 00:01 Uhr auf der Warteliste den Platz 17 zu bekommen!
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