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Sich auf eine Art und Weise verstehen, wie sich nur Menschen verstehen können, die sich schon ein ganzes Leben lang kennen. Mutter und Tochter eben.
S. 53Issa ist schwanger und sitzt in einem Flugzeug Richtung Douala. Sie soll in ihrem Geburtsland Kamerun ihre Ahnen besänftigen und sich heilsamen Ritualen unterziehen, damit sie und ihr Kind die bevorstehende Geburt gut überstehen. Issa glaubt eigentlich nicht an all das, wird aber nach einem Traum ihrer Mutter dazu gedrängt. Nach dem Streit mit ihrer Mutter und ihrem Freund, ist Issa am Ende froh, Abstand zu gewinnen und sich auf den Weg zu ihren beiden Omas, Namondo und Marijoh, zu machen. In Douala angekommen, werden Kindheitserinnerungen wachgerufen: das Chaos auf dem Markt. Verkäufer, die laut ihre Preise rufen. Bunte Stoffe und Früchte. Der süße Duft von Mangos, gemischt mit gebratenen Teigbällchen, hängt in der Luft. Es duftet nach Heimat. Der Besuch wird für Issa eine Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Familiengeschichte. Der Geschichte der Frauen dieser Familie.
Mein Gefühl der Verlorenheit, gefangen zwischen zu Schwarz in Deutschland und zu deutsch in Kamerun.
S. 90Sechs Generationen. Sechs Frauen. Eine Familie. „ISSA“ von Mirrianne Mahn ist ein bewegendes und eindringliches Porträt Schwarzer Frauen. Eine Familiengeschichte, die tiefe Verletzungen und Traumata zwischen Vergangenheit und Gegenwart verwebt. Die Fäden verstricken sich über Generationen von Frauenleben, fester und fester. Mehr als ein Jahrhundert liegen diese Leben auseinander und sind doch über die Linien kolonialer Ausbeutung und dem Kampf nach Selbstbestimmung verbunden.
Ich habe sehr früh gelernt, dass alle Frauen in der Familie ihre eigene Version der Vergangenheit haben.
S. 238Die Geschichte wird auf mehreren Zeitebenen erzählt, beginnend mit Issa 2006 bis zurück ins Jahr 1903, in die Kolonialzeit. Klar und gekonnt verbindet Mirrianne Mahn von Beginn bis zum Ende die einzelnen Frauenleben, verknüpft die Schicksale von Issa und ihren Ahninnen über die Jahrzehnte hinweg. Sie schreibt über Kultur und Glauben. Mütter und Töchter. Rassismus und Sklaverei. Sie beschreibt Gewalt, Unterdrückung der Frauen in patriarchalen Strukturen und Misogynie. Und gleichzeitig beschreibt sie den Zusammenhalt unter Frauen, das solidarische Band, das sie im Kampf um Selbstermächtigung verbindet. „ISSA“ ist ein kraftvoller und berührender Roman über Schwarze Frauen, die nicht aufgeben und ihr Leben selbst bestimmen wollen. Ein Buch, das ernste Themen mit humorvollen Peinlichkeiten beim Familientreffen oder bei Ritualen gekonnt zusammenführt. Diese Geschichte geht unter die Haut – ein starkes Debüt mit starken Frauenfiguren.
Ich bin nicht weniger wert als ein Mann, meine Stimme und meine Träume sind wichtig, denn in meiner Weiblichkeit liegt eine Kraft, eine Verbindung zu all den Frauen vor mir. Ich habe die Macht, mich selbst zu schätzen, zu achten und zu lieben, bis ich sterbe. […] Ich will meine Wurzeln feiern und gleichzeitig meine Flügel ausbreiten.
S. 293„ISSA“ von Mirrianne Mahn ist im Rowohlt Verlag erschienen.
Mehr feministische Lesetipps unserer Buchbloggerin Carmen Waldthaler
gibt es auf ihrem Instagram-Channel c_booksblog! #frauenlesen
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