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Lenz Koppelstätter
Veröffentlicht
am 06.12.2013
Meinung865 Kilometer

Das Knödelwirtschaftswunder

Veröffentlicht
am 06.12.2013
Südtirolerisch essen in einer Berliner WG. Der Geschmack der Heimat – Teil 3
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Wir laufen durch die dunklen Straßen des Berliner Bezirks Neukölln. Hier wohnen Menschen aus allen Kulturen der Welt, viele Studenten, viele Künstler, die Mieten sind hier noch günstig. Hier kommt man schon über die Runden, auch wenn man keinen normalen, langweiligen Bürojob hat.

Ein einfaches Ladenlokal, Licht hinter den Gardinen, Menschen, Gesprächsfetzen. Ein „Hoi! Wie geats dir?“ höre ich heraus. Wir treten ein. Ein paar unterschiedliche Tische, mit ein paar unterschiedlichen Stühlen, sehr provisorisch, sehr berlinerisch. Der Geruch von Knödel liegt in der Luft. Ein Südtiroler steht in der Küche. Er wohnt hier mit einem Freund, das ist ihre WG, nur freitags da wird die WG zum Lokal Knödelwirtschaftswunder, da laden sie über Facebook zum Knödelessen ein.

Neukölln ist so ein Bezirk, weswegen man nach Berlin gezogen ist. Weswegen einen diese Stadt immer noch fasziniert. Hier feiern Studenten auf der letzten Etage eines Parkdecks jedes Wochenende Strandpartys, hier werden alte Kellergewölbe zu Clubs umfunktioniert, ein paar Monate lang läuft der Club, dann zieht die Partygesellschaft ein paar Straßenzüge weiter. Hier spielen türkische Familienväter mit Hornbrillen-Hipstern am Kanal Boule. Die einen trinken Tee, die anderen Flaschenbier. Hier macht ein Südtiroler freitagabends aus seiner WG ein Knödelwirtschaftswunder.

Speckknödel, Kasknödel, Spinatknödel, dazu Salat und Rotwein, danach noch Zwetschgenknödel, alles für ein paar Euro. Früher in Südtirol, da habe ich einmal pro Woche Knödel gegessen, jetzt fällt mir nicht ein, wann es das letzte Mal war. Das Knödelbrot lassen die beiden WG-Bewohner aus ihrem Heimatdorf kommen. Es ist schon komisch, mitten in Neukölln Knödel zu essen, die so gut schmecken wie zu Hause, und am Nachbartisch die Leute südtirolerisch reden zu hören. Ich habe in Berlin schon oft gut gegessen, türkisch, französisch, deutsche Hausmannskost, italienisch, libanesisch, spanisch, man kann hier alles essen, hier leben Menschen aus rund 180 verschiedenen Ländern der Welt. Jetzt also auch südtirolerisch.

Schon oft wurde mir gesagt, geh mal da hin oder dort hin, da gibt es Knödel oder Wiener Schnitzel, das ist doch südtirolerisch, das esst ihr Südtiroler doch. Wenn ich dann da oder dort hin bin, gab es Knödel oder Wiener Schnitzel und dazu Gösser-Bier, der Wirt redete österreichisch und geschmeckt hat es auch wie auf einer österreichischen Autobahn-Raststätte. Schon okay, aber halt nicht so wie daheim.

Es ist spät geworden in der WG, die heute Abend Knödelwirtschaftswunder heißt. Noch eine Flasche Wein, noch einen selbstgebrannten Treber, noch einen Zwetschgenknödel. Und noch einmal dem Tischnachbar aus Bremen vormachen, wie man „Zwetschgen“ ausspricht.

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