Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus
Wenn Herr Doktor Brenner nach seiner erfolgreichen Promotion an einer österreichischen Universität stolz – weil er gerade vom Magister zum Doktor geupgraded wurde – sein Südtiroler Heimatdorf besucht, wird er blöd schauen: All seine früheren Bekannten, die sich von ihren kurvigen Sekretärinnen Doktor nennen lassen. Seit Jahren schon streichen sie satte Gehälter ein, während er dem Doktortitel seine Nächte opferte. Und er, der echte Doktor, ist südlich des Brenners nicht besser als all die BA’s und MA’s und Mags.
Studieren ist heute en vogue: Um Erfahrungen zu sammeln, um sich ein paar Jahre auszuleben und natürlich für den Titel, schmucke Namenszierde als Eintritt in die Berufswelt. Spätestens seit der Bologna-Reform ist ein Bachelor nicht mehr als eine Matura mit Sternchen. Das hat damit zu tun, dass sich heute mit geringem Aufwand fast jeder den BA an den Namen hängen kann. Der Umstieg vom Diplomstudium auf den kürzeren Bachelor hat auch den Titel entwertet. So zumindest sieht man das in Österreich. In gewissen Kreisen muss schon ein MA folgen, gekrönt von der Königsdisziplin: dem Doktor. Ein steiniger Weg nach oben, den man mit Respekt und Anerkennung honoriert.
Hätte Doktor Brenner nicht sechs Jahre seines Studiums im titelnärrischen Österreich verbracht, dem Land der über 900 Titelbezeichnungen, hätte er wohl nicht so viel auf seinen Doktor gegeben. So aber ist er über die Jahre auch ein wenig titelverliebt geworden und lässt keine Gelegenheit aus, den Doktor wie ein Schmuckstück vorzuführen. Kaum hatte er den Doktor in der Tasche, mussten Pass und Personalausweis geändert werden. Und seit das „Dr. Brenner“ an der Haustür prangt, grüßt auch der Herr Diplomingenieur von gegenüber freundlich. Die Titelhierarchie, ja in Österreich lebt sie und geliebt wird sie erst recht.
Nur in Südtirol, da ist dieser Doktor nichts wert. Die italienweite Unterscheidung zwischen dottore , dottoremagistrale und dott orediri cerca wird oft gönnerhaft übergangen und der dottore durch ein generalisiertes Doktor ersetzt. Passiert man den Brenner, werden BA und MA und Mag. zum Doktor. Solche Wunder vollbringt nur das heilige Land Südtirol. Was ist ein Titel also noch wert, dies- und jenseits der Brennergrenze? Südtirol entwertet den Doktor dank Titelinflation, Österreich nimmt am elitär-hierarchischen Denken der Donaumonarchie Maß. Was ist besser: Der strenge österreichische Titelkodex oder die laxe Südtiroler Übersetzungspolitik?
Für Herrn Dr. Brenner ist klar: In einem Land voll mit Brennerdoktoren, da ist kein Platz für die wahren Helden universitären Intellekts. Südtirol, das muss der eitle Doktor einsehen, ist ihm über die Jahre zu klein geworden.
Support BARFUSS!
Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus:
https://www.barfuss.it/support