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Illustrations by Sarah
Wolfgang Mayr
Veröffentlicht
am 11.02.2025
MeinungKommentar

Wenn Schutz zur Bedrohung wird

Die FPÖ fordert das Recht auf Selbstbestimmung für Südtirol – doch wie ernst sind diese Forderungen? Historiker Hans Heiss sieht in einem blauen Bundeskanzler eine Gefahr für das Land. Ein Blick in die Geschichte offenbart Parallelen zur Gegenwart.
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Durchgestrichenes Gesicht von FPÖ-Chef Herbert Kickl auf einem Aufkleber der Sozialistischen Jugend (SJ)

Die FPÖ fordert das Recht auf Selbstbestimmung für Südtirol – doch wie ernst sind diese Forderungen? Historiker Hans Heiss sieht in einem blauen Bundeskanzler eine Gefahr für das Land. Die Geschichte zeigt: Österreichs rechte Regierungen waren selten Südtirols Freunde. Ein Blick zurück offenbart Parallelen zur Gegenwart.

Bei einem blauen österreichischen Bundeskanzler sieht Hans Heiss schwarz. Nicht zu Unrecht. Damit steht Heiss nicht alleine da. So kanzelte in seinem „Standard“-Kommentar Hans Rauscher eine ganze Reihe freiheitlicher Programm-Punkte für die künftige österreichische Regierung ab. Er nannte sie „verrückte Forderungen“, besonders die Zurückholung Südtirols über die Anerkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft für die echten Südtiroler:innen.

Die Doppelstaatsbürgerschaft ist in Südtirol nicht nur ein Thema der Südtiroler Rechtsparteien, sondern auch ein Anliegen der SVP und ihrer Bürgermeister:innen. Sonderlich ernst betrieben wurde dieses Anliegen aber nicht.

Während die Zentrumsparteien zwischen ÖVP und NEOS die Autonomie-Politik der SVP unterstützen, hielten und halten die Freiheitlichen immer am Recht auf Selbstbestimmung fest. Immerhin ist das Recht auf Selbstbestimmung auch im Statut der SVP verankert.

Die Austrofaschisten und Südtirol
Wie ernsthaft sind die freiheitlichen Südtirol-Forderungen? Die geistig-politischen Vorväter der Freiheitlichen, die Austro-Faschisten und die Nazis, waren allesamt keine Südtirol-Freunde.

Austrofaschistisch war die Ära von 1933 bis 1938, Bundeskanzler Engelbert Dollfuß errichtete einen „Ständestaat“ und ging gewaltsam gegen die Sozialdemokratie, Kommunisten und die Gewerkschaften vor. Manche Historiker:innen präzisieren und verwenden den Begriff Klerikalfaschismus, paktierten doch die katholische Kirche und die rechtskonservativen Parteien.

Dieser österreichische rechtsrechte und antisemitische Ständestaat stand im Bündnis mit dem faschistischen Italien. In den „Römischen Protokollen“ sicherte der faschistische Diktator Benito Mussolini Österreich wirtschaftliche Hilfe zu, um den Einfluss des nationalsozialistischen Deutschlands einzudämmen.

Zu den Partnern in diesem Fascho-Verbund zählt auch das Ungarn der Pfeilkreuzler. Eine doch überraschende Ähnlichkeit mit der heutigen Lage. In Ungarn und in Italien regieren rechtsrechte Parteien, Österreich steht kurz bevor, von den Freiheitlichen übernommen zu werden.

Das faschistische Italien der 1930er Jahre, seit 1922 verfolgte der Staat eine radikale Politik der „Entnationalisierung“ der Südtiroler:innen, agierte als Schutzmacht für das klerikalfaschistische Österreich. Im Gegenzug schwieg Kanzler Dollfuß, für ihn war das schikanierte Südtirol kein politisches Thema.

„Geben wir den Italienern das Land …“
Dollfuß warb kurz vor Kriegsende 1918 für einen Kompromissfrieden mit Italien. „Geben wir den Italienern das Land bis zur Salurner Klause. Es war ja der ewige Zankapfel zwischen Österreich und Italien”, eine Dollfuß-Aussage, belegt in einem Dokument des Österreichischen Staatsarchivs. Dollfuß meinte damit das italienischsprachige Trentino, das begehrte Objekt national-italienischer Begierde.

In seiner Amtszeit erhob Dollfuß seinen Land-Sager zu seinem Leitmotiv. Geben wir den Italienern das Land vom Brenner bis zur Salurner Klause, war wohl seine Überlegung und im Tausch erhielt Österreich den faschistischen Schutz gegen den nationalsozialistischen Nachbarn.

Ähnlich wie Dollfuß hielt es auch der deutsche „Volkskanzler“ Adolf Hitler. Er und seine NSDAP proklamierten in ihren Anfängen die „Heimholung“ „aller Deutschen“. Es waren Deutsche, die seit der Niederlage im Ersten Weltkrieg außerhalb der deutschen Staatsgrenzen lebten, in der neuen Tschechoslowakei, in Ungarn, in Rumänien, in Polen, in Italien, usw.

Für Südtirol galt diese NS-Maxime aber nur bis 1922, damals putschte sich Benito Mussolini an die Macht. Hitler suchte offensiv die Nähe zum Duce, kopierte erfolgreich sein Tun. Erst in den späten 1930er-Jahren gelang es Hitler, auch weil die westeuropäischen Demokratien Front machten, mit dem faschistischen Italien einen Bund zu schließen: den „Stahlpakt“.

Hitler gegen Südtirol
Für diesen Pakt opferte Hitler Südtirol. Schon 1924 formulierte im Auftrag Hitlers sein Beauftragter Hermann Göring in einem Memorandum den „Verzicht auf die Deutschen in Alto Adige“. Am 9. März 2006 berichtete die Tageszeitung „Dolomiten“ über die Entdeckung dieses Memorandums. Dieses mündete in den Optionsvertrag von 1939, in die „Aussiedlung“ der Südtiroler:innen ins „Großdeutsche Reich“. Hitler brandmarkte Südtirol-Freunde, besonders die Sozialdemokratie, als Agenten des „internationalen Judentums“, also als zu verfolgende Feinde Deutschlands.

Trotzdem hielten damals viele Südtiroler den Nazis die „Treue“, engagierten sich im nationalsozialistischen „Völkischen Kampfring“, jagten 1939 Dableiber:innen, die sich gegen die „Aussiedlung“ wehrten, beteiligten sich an der Verfolgung der Meraner Jüdinnen und Juden durch die 1943 entstandenen Nazi-Behörden in der Operationszone Alpenvorland. Der Rest der braunen Geschichte in Südtirol ist bekannt.

Was ist also, mit dieser Geschichte im Hintergrund, von den FPÖ-Forderungen nach Südtiroler Selbstbestimmung zu halten?

Ist Herbert Kickl endlich „Volkskanzler“, wird er nicht nur mit seinen Kumpanen paktieren, mit dem Serben Vucic, dem Ungarn Orban, dem Slowaken Fico und dem Russen Putin. Er wird wohl auch die Nähe zur politischen Enkelin von Benito Mussolini, Giorgia Meloni, suchen. Südtirol ist dabei nur im Weg.

Nicht von ungefähr sagte Hans Heiss, der ehemalige Landtagsabgeordnete und Historiker, im Grantler-Gespräch auf BARFUSS, dass sich dann Südtirol vor der österreichischen Schutzmacht schützen muss.

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