BARFUSS LogoDas Südtiroler Onlinemagazin
BARFUSS LogoSüdtiroler Onlinemagazin

Support Barfuss

Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus

BARFUSS LogoDas Südtiroler Onlinemagazin
Lucia Baumgartner
Veröffentlicht
am 12.02.2025
LeuteVergessene Frauen in Südtirol

Die erste Designerin? 

Veröffentlicht
am 12.02.2025
Wer war Hedwig Fröhner-Amonn? Über ihr Leben als Innenarchitektin in Bozen gibt es kaum Aufzeichnungen. BARFUSS über eine vergessene Frau und Südtirols mangelndes Verständnis für Baukultur. Eine Spurensuche.
Damit BARFUSS weiterhin hinterfragen, aufklären, erzählen und berühren kann, brauchen wir DEINE Unterstützung!
Werde Teil unserer Community.
Teile unsere Story

Artikel anhören

IMG_8550
Die Freundinnen Helene Fröhner, Gabriele Münter, Hedwig Fröhner und Olga Stanukowitsch im Hotelzimmer in Kochel, 1902.

Über Hedwig Fröhner-Amonns Leben gibt es genau zwei Dokumente. Einen Briefwechsel mit der international anerkannten Künstlerin Gabriele Münter und einen kurzen Artikel in einer Fachzeitschrift über Innenarchitektur. Trotzdem zweifelt die Architektin Veronika Mayr, die in einem Architektenbüro in Basel arbeitet, nicht daran, dass Fröhner-Amonns Arbeiten und Entwürfe für Südtirols Kulturverständnis wichtig sind. 

Warum überhaupt Hedwig Fröhner-Amonn? 
Veronika Mayr stellt gleich zu Beginn des Gesprächs klar: „Ich bin keine Historikerin, das ist eigentlich nicht mein Fachgebiet, ich bin Architektin.“ Allerdings weiß sie mehr über Hedwig Fröhner-Amonn, eine vergessene Frau in Südtirol, als sonst jemand. Mit Mayr rollen wir die Geschichte von vorne auf.

2019 kuratierte der Architekt Christoph Mayr Fingerle eine Ausstellung mit dem Titel „Die Liebe für das Haus. Zwischen Architektur, Kunst und Alltag“. Ihm ging es unter anderem um die Geschichte eines Architekturbüros in Bozen, welches sein Großvater August Fingerle gemeinsam mit Marius Amonn und dessen Frau Hedwig Fröhner-Amonn leitete und das besonders Anfang des 20. Jahrhunderts große Anerkennung genoss. Seinen realisierten Projekten wurde ein gutes Gefühl für Raum und Proportion, solide technische Kenntnisse und eine präzise Detailarbeit nachgesagt. Veronika Mayr wurde damals beauftragt, Hedwig Fröhner-Amonn genauer zu beleuchten. Dies gestaltete sich als schwierig – Dokumente und Grundlagen für eine ausführliche Beschreibung für dieses Frauenleben fehlten. 

Was wir wissen
Hedwig Fröhner wurde 1878 in Oberkochen bei Stuttgart geboren. Ihre bayrische Familie stammte aus dem gehobenen Bürgertum, sie hatte mehrere Geschwister. Bereits in jungen Jahren reiste sie mit ihrer Schwester nach München und schon bald fanden sich beide in Künstlerkreise ein. Zwischen 1901 und 1904 besuchte Hedwig Fröhner die „Phalanx“, eine Privatschule des russischen Malers und Grafiker Wassily Kandinsky. Kandinsky war Fröhners Lehrer und Gabriele Münter bald schon ihre gute Freundin. In jener Zeit lernte sie auch den Bozner Marius Amonn kennen. Die beiden heirateten noch in München, bevor sie um 1900 nach Bozen übersiedelten. 1906 realisierten Marius Amonn und Hedwig Fröhner das erste gemeinsame Projekt, das Landhaus Amonn in Oberbozen am Ritten. Später gründeten sie gemeinsam mit August Fingerle das Architekturbüro Amonn & Fingerle. Das Landhaus Amonn sollte das architektonische Manifest der Bürogemeinschaft bleiben. Fröhner zeichnete im Büro und war verantwortlich für die Möbel- und Innenraumgestaltung. Als Marius Amonn in den 1940er Jahren starb, zog Hedwig Fröhner nach Zürich zu ihrer Schwester, 1962 verstarb sie dort. Das Paar blieb kinderlos. 

Zwei Dokumente für ein gesamtes Leben
Zwei Dokumente konnte Veronika Mayr über Hedwig Fröhner-Amonn ausfindig machen: einen Artikel in einer Fachzeitschrift, der das Landhaus Amonn in Oberbozen am Ritten porträtiert, und einen Briefwechsel. Im Zeitschriftenartikel wird Hedwig Fröhner-Amonn namentlich genannt. Ihr wird die Innenarchitektur bzw. Innengestaltung zugesprochen, ihr Mann, Marius Amonn, hat das Haus entworfen. Mayr: „Das ist eigentlich der einzige offensichtliche Beweis, der belegt, dass Hedwig im Büro als Innenarchitektin gearbeitet hat.“ Zwar gibt es zahlreiche Möbelzeichnungen, die im Büro Amonn & Fingerle entworfen wurden, allerdings stets ohne Namen. Mayr: „Wir können davon ausgehen, dass sie diese Möbel entworfen hat, aber belegen kann man dies nicht.“ Grundsätzlich sei klar, dass sie im Innenbereich und künstlerischen Bereich gearbeitet hat, schließlich hatte sie die Phalanx-Schule besucht. August Fingerle kam eher aus dem Ingenieurwesen.

Kandinsky mit seiner Malklasse in Kochel, Sommer 1902. Von links nach rechts: Wassily Kandinsky, Gabriele Münter, x x, Hedwig Fröhner, x x, Karl Palme

Warum erwähnt Marius den Namen seiner Frau nicht? 
Veronika Mayr erklärt, dass dies schwierig nachzuvollziehen sei, aus mehreren Gründen: „Ich weiß nicht, ob Marius sie wirklich nie erwähnt hat – es gibt wenige Dokumente über das Büro Amonn & Fingerle selbst.“ Außerdem erwähnt Mayr, dass die Idee der Autorenschaft heute vermutlich wichtiger sei als vor 100 Jahren. Vor allem aber war man weit von einer rechtlichen Gleichstellung entfernt.

Die Architektin beleuchtet die Dinge gern von mehreren Seiten: „Hedwig Fröhner-Amonn hatte eine künstlerische Ausbildung. Noch heute ist es bei Projekten von Architekten und Architektinnen so, dass der- oder diejenige mit dem eigenen Namen unterschreibt, der oder die die volle Verantwortung übernimmt.“ Das habe rechtliche Gründe. Fröhner hätte als Frau nie eine Ausbildung zur Architektin in München machen und somit auch keine Unterschriften setzen können. Wenige Südtiroler Chroniken erwähnen Hedwig Fröhner-Amonn – einmal, als ein neues Gebäude eingeweiht wird, wird sie als feinfühlige Gestalterin von Innenräumen bezeichnet. Und im Nachruf auf ihren Mann heißt es in der Zeitung etwa so: „Marius hinterlässt seine Frau, die ihm stets eine geschickte Gehilfin war.“    

Kandinsky, die Phalanx und Münter
Der zweite Beweis, dass Hedwig Fröhner-Amonn gezeichnet und designt hat, geht aus der Kandinsky Schule hervor, nämlich aus dem publizierten Briefwechsel zwischen Wassily Kandinsky und Gabriele Münster während ihrer Zeit als Paar. Münter und Fröhner lernten sich in der Malklasse von Kandinsky kennen und wurden enge Freundinnen. Münter war zu dieser Zeit bereits eine anerkannte Künstlerin, was für eine Frau recht ungewöhnlich war. Münter schreibt in ihren Briefen immer wieder, dass ihre Freundin Hedwig Fröhner zu Besuch kommt, mit der sie dann Dinge unternimmt, zeichnet usw. Münter schreibt auch, dass sich Hedwig Fröhner gut mit dem Kunsthandwerk auskennt und dass sie sich immer wieder von ihr beraten lässt. Aus den zusammengetragenen Dokumenten sowie den Erzählungen entfernter Verwandter, die sich an ihre langen Arbeitstage im Architekturbüro erinnern, schließt Mayr, dass Fröhner gestalterisch tätig gewesen ist und diese Kompetenz im Büro Amonn & Fingerle eingebracht hat.

Die erste Designerin in Südtirol
Veronika Mayr stößt sich ein wenig an der Bezeichnung „die erste Designerin Südtirols”: „Fröhner-Amonn hat zwar hier gearbeitet, aber geboren und gestorben ist sie woanders – der Referenzrahmen bei solchen Personen ist immer der Alpenraum.“ Wovon Mayr allerdings überzeugt ist: „Es gab nicht viele Professionelle in jenem Bereich, überhaupt nicht in Bozen, überhaupt nicht Frauen. Und so unterscheidet sich Hedwigs Beruf als Innenarchitektin massiv von der gesellschaftlichen Norm jener Zeit – auch weil sie aus einem großstädtischen Kontext kam.“  

Und was hält eine solche Frau in Südtirol? Mayr vermutet neben dem privaten auch einen beruflichen Grund:  Fröhner hat vermutlich gemerkt, dass sie hier trotz aller Einschränkungen etwas mitgestalten, beruflich tätig sein kann, allerdings ist sie sich sicher: „Es muss eine bestimmte Einsamkeit da gewesen sein.“ Das Umfeld der Familie Amonn war bestimmt anregend, „aber diese Gesellschaft war überschaubar.“  

Die politische Dimension
Veronika Mayr treibt eine weitere Frage um: Wie ist das Büro zu den politischen Umbrüchen zu jener Zeit gestanden, wie gestalteten sich die politischen Dimensionen des Ganzen? Die Architektin hat für sich selbst folgende Antwort gefunden: „Man kann lange darüber diskutieren, wie politisch Architektur ist. Aber wenn man bedenkt, dass das Paar in den 1910er Jahren nach Bozen gekommen ist und bis nach dem Zweiten Weltkrieg durchgearbeitet hat, stellt man sich schon die Frage, wie sie die politische Situation navigiert haben.“ Architektur sei immer zu einem gewissen Grad opportunistisch, dennoch wäre eine Beleuchtung der Südtiroler Baukultur in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vermutlich lohnend. Bisher gibt es dazu keine Recherchen.

Architektin Veronika Mayr beschäftigte sich im Rahmen einer Ausstellung intensiv mit Hedwig Fröhner-Amonn.

„Besonders im Bereich der Baukultur gibt es in Südtirol wenig Interesse für Archivbildung. Das ist ein Problem“, stellt Mayr fest und meint damit vor allem jene Menschen, die in den ländlichen Gegenden gearbeitet haben. Gerade hier sei das Bewusstsein dafür, dass man etwas aufbewahren und dokumentieren muss, nicht so stark da. Die meisten der wenigen Dokumente landen in Südtirol meist in Privatarchiven, was einerseits gut ist, andererseits beschäftigt sich niemand damit. Was fehlt, ist ein geeigneter, öffentlich zugänglicher Ort und ein professionelles Personal.
Auch wenn Südtirol klein ist: Veronika Mayr ist davon überzeugt, dass man jene Nachlässe schützen sollte, die für die lokale Kultur wichtig sind. „Die Kultur ist immer noch allzu oft in den hinteren Reihen angesiedelt. Leider.“  

Dienste

  • News
  • Wetter
  • Verkehrsbericht

BARFUSS


Support BARFUSS!
Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus:
https://www.barfuss.it/support

© 2023 SuTi GmbH
© 2023 SuTi GmbH . Rennstallweg 8 . 39012 Meran . MwSt: 02797340219
DatenschutzNetiquetteCookiesImpressum