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Plattformen wie Facebook, Instagram, Snapchat und Co. verzeichnen jeweils mehr als eine Milliarde Nutzer*innen jeder Altersgruppe. Auf den Plattformen kursieren nicht nur lustige Bilder, sondern auch intime Momente aus dem Leben der Nutzer*innen und werden mit Freunden und Familie, aber auch mit dem Rest der Welt geteilt.
Die Möglichkeiten der Nutzung scheinen unendlich und das birgt Gefahren: Besonders Kinder und Jugendliche verbringen mehr Zeit vor den Bildschirmen, als ihnen guttut. Falschmeldungen werden schneller verbreitet, als sie widerlegt werden können. Manuel Oberkalmsteiner von Forum Prävention ist Sozialpädagoge und beschäftigt sich mit der Wirkung, aber auch mit dem Nutzen digitaler Medien auf und für Kinder und Jugendliche.
Über die „klassischen Gefahren“ des Internets, wie Viren oder Phishing, werden Nutzer*innen meist aufgeklärt. Welche Gefahren sind weniger bekannt und doch eine Bedrohung?
Das Wort „Internet“ würde ich mit dem Begriff „digitale Lebenswelt“ ersetzen: Das sind zusätzliche Welten, die neben unserer offline Welt existieren. Das können Videospiele, Social Media und Unterhaltungsplattformen, aber auch Websites sein. Jede dieser Welten weist eigene Gefahren auf, so wie es in unserer Welt beispielsweise im Straßenverkehr der Fall ist. Die größte Gefahr liegt eigentlich in der Konzipierung der digitalen Lebenswelt: Die meisten Inhalte basieren zwar auf gratis Angeboten, doch damit die Webseiten oder Plattformen sich finanzieren können, werden Daten gesammelt, welche persönliche Vorlieben und Interessen verraten. Daten sind das neue Gold. Ziel ist es, die Nutzer*innen so lange wie möglich an einen Inhalt zu fesseln und sie bestenfalls zum wiederholten Aufrufen zu bringen. Dies geschieht durch bewusst gesetzte Inhalte, welche den Menschen sozusagen manipulieren.
Wie weit reicht die Manipulation, der wir uns aussetzen?
Das beste Beispiel dafür sind Falschnachrichten, sogenannte Fake News. Diese finanzieren sich meist durch Clickbait-Nachrichten. Diese Nachrichten werden bewusst provokant betitelt, damit der*die Leser*in darauf klickt. Der Inhalt kann dann ein anderer sein, als der Titel andeutet. Dahinter versteckt sich eine ganze Industrie, welche mit Algorithmen arbeitet, die das eigene Nutzverhalten analysieren.
Besonders Kinder und Jugendliche laufen Gefahr, auf finanzierten Seiten zu landen oder vorgeschlagene Meinungen anzunehmen. Welche Gefahren der Manipulation finden sich in sozialen Medien?
Die größte Gefahr ist, länger am Gerät zu hängen als gewollt. Ein simples Beispiel ist Netflix: Ist eine Folge zu Ende, startet die nächste Folge automatisch. YouTube verwendet das selbe Prinzip. Indem die nächste Folge bereits begonnen hat, ist meine Entscheidungsfähigkeit, die Serie weiterhin zu schauen oder das Gerät auszumachen, bereits beeinflusst. Meistens wird dann weiter geschaut. Ein anderes Beispiel sind endlose Feeds auf Instagram oder Facebook: Ich kann ewig scrollen und mir werden andauernd neue Inhalte gezeigt. Viele dieser Mechanismen werden auch in der Glücksspielindustrie verwendet, um einen gewissen Suchtfaktor zu erzeugen: Es gibt keine Denkpausen, das Aussteigen wird erschwert. Die Videospielsucht ist mittlerweile von der WHO als Krankheitsbild klassifiziert.
Was macht aber das Leben im digitalen Raum so attraktiv, dass sogar schon Suchtpotential davon ausgeht?
Die Sucht kann von Spielmechanismen ausgehen, der Hintergrund liegt aber meist wo anders: Geht es mir in der offline Welt nicht gut, suche ich mir eine neue, funktionierende Welt. Die online Welt, wie etwa in Videospielen, gibt schnelle Rückmeldung auf das eigene Handeln, Erfolgserlebnisse werden relativ schnell verzeichnet. In Europa überwiegt, im Gegensatz zu Asien, eine skeptische Haltung gegenüber Videospielen. In Asien arbeiten Streetworker*innen beispielsweise in Videospielen wie Minecraft, weil die Jugend dort besser erreichbar ist.
Früher wurden einander Zettel gereicht, heute schickt man sich ein Herz über WhatsApp oder baut Flammen auf Snapchat auf.
Der Appell zur richtigen Mediennutzung wird meist an die Eltern gerichtet, obwohl besonders die junge Generation von Medien Gebrauch macht. Wie sollte man sie lehren, richtig damit umzugehen?
Ich glaube, Mediennutzung sollte Teil des Schulunterrichts sein. Besonders die junge Generation wächst mit den technologischen Geräten auf und lernt durch das Ausprobieren deren Handhabung. Die Schule sollte die digitalen Medien mehr in den Stundenplan mit einbeziehen, vielleicht sogar als eigenes Schulfach unterrichten. Indem man lernt, wie Apps designt werden, was Manipulation ist und wie sie stattfindet, können Gefahren etwas beseitigt werden. Ebenso sollte gelehrt werden, wo man sich Informationen und wo man sich Unterhaltung sucht: Privatpersonen geben auf bestimmten Plattformen Expertenmeinungen wieder. Als Nutzer*in muss gelernt werden, wie unterschiedliche Informationen bewertet werden sollen. Auf die Jungen wird immer mit dem Finger gezeigt, doch niemand lehrt sie den richtigen Umgang. Sie werden damit allein gelassen, obwohl die Zukunft digital ist.
Nicht nur die Zukunft ist digital, auch das soziale Leben wird es mehr und mehr. Welchen Stellenwert nehmen soziale Medien im sozialen Leben ein?
Besonders im Jugendalter geht es darum, Beziehungen zu pflegen. Freunde und das Suchen von Bestätigung stehen dabei an erster Stelle. Früher wurden einander Zettel gereicht, heute schickt man sich ein Herz über WhatsApp oder baut Flammen auf Snapchat auf.
Doch genau solche Plattformen, wie aktuell Tik Tok, werden häufig kritisiert. Dennoch liegen sie stark im Trend. Woher kommt das und wohin geht schätzungsweise der nächste Trend?
YouTube ist in den letzten Jahren stark gewachsen und integriert sich immer mehr in den Alltag aller Altersgruppen. Im Prinzip wird sich trendmäßig nicht viel ändern, denn junge Heranwachsende suchen sich immer Orte, die erwachsenenfrei sind. Vor einigen Jahren war es Facebook, bis Facebook von den Eltern, Trainern, Lehrern usw. erobert wurde. Dann „wandern“ Jugendliche weiter, denn sie brauchen eine Plattform, wo sie mit Ihresgleichen sind. Nach Facebook wurde Instagram erobert, was mittlerweile auch schon wieder von den Erwachsenen besetzt wurde. Zurzeit sind es Plattformen wie Tic Toc und Snapchat, welche zur Jugendzone erklärt wurden. Das Konzept ist sehr spannend, weil besonders junge Menschen das Bedürfnis haben, sich in einer gewissen Weise von den Erwachsenen abzugrenzen. Diese Orte können ohne weiteres auch digital sein.
Jungs befriedigen ihr Bedürfnis nach Kommunikation eher auf Plattformen, die sich für den Gaming-Bereich eignen.
Was macht nun aber den Hype einer Plattform aus?
Es geht vor allem um etwas Neues, etwas anderes, was bestehende Plattformen noch nicht aufweisen. Außerdem braucht es eine riesige Portion Glück oder eine wirklich gute Medienkampagne, genau die Plattform zu sein, die eine so große Fangemeinschaft aufbauen kann. Von den sozialen Medien ist WhatsApp nach wie vor das beliebteste Medium, dann folgen YouTube, Instagram, Snapchat usw.
Wird eine Plattform, sobald sie dann an Größe erreicht hat, von allen Geschlechtern in gleichen Maßen genutzt?
Zahlenmäßig nutzen mehr Mädchen die sozialen Netzwerke, während Jungs ihre Zeit überwiegend mit Videospielen verbringen. Die Zahlen liegen jedoch nahe beieinander. Warum genau die Verteilung so liegt, ist schwer zu sagen. Jungs befriedigen ihr Bedürfnis nach Kommunikation eher auf Plattformen, die sich für den Gaming-Bereich eignen. Mädchen stillen dieses Bedürfnis über andere Kanäle. In den nächsten Jahren wird sich aber sicherlich noch Einiges verändern: Zurzeit konzentriert sich die Spielindustrie beispielsweise darauf, auch junge Mädchen zu erreichen.
Ist es möglich, einen Ausblick über den zukünftigen Umgang mit digitalen Medien zu wagen?
Über die Zukunft kann nur spekuliert werden. Jede neue elektronische Technologie erzeugt auch immer etwas Angst. Ich habe aber das Vertrauen in den Menschen, dass wir das Nützliche für uns herausfiltern und das Gefährliche regulieren. Ich bin zuversichtlich, dass auch der digitale Raum reguliert wird.
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