Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus
Verschlissene Sofas und Zigarettenstummel, so stellt man sich einen Proberaum vor. Oft müssen die Musiker den Raum aus Kostengründen auch noch mit anderen teilen. „Und auf den wackeligen Tonaufnahmen mit dem eigenen Handy ist dann das Brummen aus den Proberäumen nebenan zu hören. Zum Glück ist das hier anders“, sagt Musiker Joe Chiericati.
Ein unscheinbarer Betonkomplex in der Bozner Industriezone. Hier versteckt sich ein neues Probe- und Aufnahmestudio: die „Beat Studios“. Auf dem Weg durch das zweistöckige Studio zu Joes Proberaum riecht es nach frischer Farbe, hie und da stehen Kartons und Kabelrollen herum. Die „Studios“ wurden erst vor knapp drei Wochen offiziell eröffnet. Jetzt um 18:25 Uhr ist es hier muckmäuschenstill, dabei sollten die Proben schon in vollem Gange sein. Der Grund: Die Proberäume sind vollständig isoliert. Als die Tür zum größten der drei Räume aufgeht, zucke ich beim plötzlichen, lauten Geräusch zusammen. „Hier kannst du so laut sein, wie du willst“, erklärt Joe mit einem Grinsen.
Mit den „Beat Studios“ hat sich Andrea Polato einen Traum erfüllt. Andrea ist Tontechniker, hat in England Schlagzeug studiert und reist seither als Musiker durch Europa. Er hofft, dass die „Studios“ ein Coworking-Space für lokale und auswärtige Profis und Hobbymusiker werden: „Ich wünsche mir einen Ort, an dem man sich austauscht und von den Erfahrungen anderer lernt. Jeder soll hier die Möglichkeit haben, qualitativ hochwertige Musik zu machen.“
Abgewrackte Proberäume kennt Andrea von seinen Reisen nach London, Berlin oder Mailand nicht. „Die Bands mieten sich dort professionell ausgestattete Räume mit einem richtigen Equipment. Bei uns kommt noch hinzu, dass man die eigene Musik selbst aufnehmen und gleich sampeln kann.“ Die Beat Studios sind damit nicht nur Proberaum, sondern auch Aufnahmestudio.
Joe probt an diesem Abend mit der Schauspielerin Flora Sarrubbo für eine musikalische Lesung zu „Moby Dick“. Flora findet diese Art der Vorbereitung wichtig: „Auch wir Theaterleute müssen uns beim Aufsagen von Textpassagen zuhören. Nur so können wir den Facettenreichtum unserer Stimme kennenlernen und trainieren.“
Wer die Proberäume wie Joe und Flora nutzen will, kann sich über die Homepage anmelden, sich ein Studio aussuchen und es für eine Stunde oder auch einen ganzen Tag reservieren. „Die Reservierung wird auf deiner Chipkarte aktiviert und du kannst den Raum mitsamt seiner technischen Ausstattung nutzen“, erklärt Andrea.
Auch die Jungs von Deadsmoke wollen demnächst eine Platte produzieren und haben sich für eine Aufnahmesession angemeldet. Ihr Schlagzeuger Maurice Bellotti ist seit vielen Jahren in der Südtiroler Musikszene heimisch. „Heutzutage kann jeder für wenig Geld ein Album produzieren, es reicht der eigenen Computer. Natürlich fällt die Qualität der Aufnahme dementsprechend aus.“
Studioqualität hat ihren Preis. Den will Andrea eher niedrig halten und sich für das Aufnehmen und Mixen nicht auf einen fixen Betrag festlegen. Er möchte selbst bei jeder neuen Erfahrung etwas dazulernen. „Die Frage nach dem Geld könnte dabei fast nebensächlich werden“, sagt er.
Nach Feierabend schaut auch Paolo Seppi, Schlagzeuger der Band Peggy Germs, spontan im Studio vorbei. Er entledigt sich seiner aufgestauten Energien auf einem der freistehenden Schlaginstrumentarien, ganz ohne Vormerkung oder Chipkarte. Als er fertig ist, repariert er unaufgefordert eine klemmende Tür. Zum Thema Coworking meint er: „In Südtirol müssen wir in puncto Zusammenarbeit unter Musikern leider noch einiges lernen. Die Beat Studios könnten der Anfang davon sein.“
Support BARFUSS!
Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus:
https://www.barfuss.it/support