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Julia Tapfer
Veröffentlicht
am 23.09.2013
LeuteAuf a Glas'l

Der kleine Rebell

Veröffentlicht
am 23.09.2013
BARFUSS hat mit Christian Pallhuber über den Zölibat, Mobbing und (zu strenge) Kirchenregeln gesprochen. Auf a Glas’l mit dem Girlaner Pfarrer.
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Christian Pallhuber ist 39 Jahre alt und als weltoffener Pfarrer bekannt, der auch Geschiedenen nicht die Kommunion verweigert. In seinen 13 Priesterjahren war er bereits in fünf Pfarreien tätig: Schenna, Bruneck, Meran, Milland und seit einem Jahr in Girlan. BARFUSS hat sich mit dem geselligen Mann im Café Steiner in Meran getroffen. „In Girlan hätten wir keine fünf Minuten Ruhe“, meinte der aufgeschlossene Geistliche schon am Telefon. Er bestellt einen Latte Macchiato, das Gespräch beginnt.
Würden Sie sich als direkten Menschen bezeichnen?
Ja, ganz einen direkten.
Dann bin ich jetzt auch ganz direkt und fall mit der Tür ins Haus. Wie stehen Sie zum Zölibat? Glauben Sie eine Lockerung dieser Regelung könnte die Rettung der katholischen Kirche sein?
Hm… Die Rettung. Nein. Ich denke, dass es für viele angebracht wäre, dass es eine Lockerung geben würde. Das würden sich sicherlich viele wünschen. Ob wir dann weiß Gott wie viele mehr wären, das bezweifle ich. Es gibt andere Kirchen, wie die evangelische, wo es den Zölibat an sich nicht gibt. Aber die haben auch Schwierigkeiten.
Kommt diese Lockerung noch? Werden wir es erleben?
Ich glaube nicht. Man sagt ja immer … (beginnt zu lachen). Wir nicht, aber unsere Kinder schon. (Lacht).
Ich selbst muss herzhaft lachen. So einen Ausspruch aus dem Mund eines Priesters habe ich bisher noch nie gehört.
Wann entscheidet sich ein junger Mann, Priester zu werden? Das ist ja kein gewöhnlicher Berufswunsch.
Es war mal ein Kindheitswunsch. Aber das hat vielleicht jeder Bub mal, wenn er gern Ministrant war oder so. Mit 21 war es für mich ganz klar, dass das der richtige Beruf für mich ist. Ein Beruf mit Menschen, wo man sie unterstützt in Situationen der Freude und des Leids. Das finde ich auch heute noch das Schöne an dem Beruf.
Haben Sie diesen Entschluss jemals bereut?
Bereut nicht, aber oft ist es schon schwer.
Zweifel am Beruf?
Weniger. Eher, dass einem oft von der Struktur her die Hände gebunden sind. Dass man sagt, hier würde ich gern was tun, aber ich kann nicht.
Sie werden als moderner Pfarrer bezeichnet. Was macht Sie so modern?
Ma, modern. Das kommt mir immer so komisch vor. Ich würde eher sagen unkompliziert. Wenn man etwas braucht und einen Wunsch hat, kann man es einfach sagen. Dann kann man darüber reden, was möglich ist. Zugänglich würde ich eher sagen.
So ganz unkompliziert war es bei Ihnen dann doch nicht. In Milland, da sind Sie ja recht schnell wieder weg. Da hat man sogar von Vandalenakten gehört. Das war schon fast Mobbing?
Ja, das war so. Da bin ich mir schon irgendwie alleingelassen vorgekommen. Wenn man von Mobbing im Fernsehen hört, ist das eine Sache. Aber es ist schon eine Erfahrung, wenn man dann wirklich selber das Opfer ist, dann ist das hart. Wenn man nie weiß, wie der Tag zu Ende geht, was da noch alles passiert.
Ich stelle mir es vor allem als Priester schwierig vor, wenn man gemeinschaftlich arbeiten soll und dann den ganzen Tag nur kämpft?
Ja, da ist man am Abend nicht von der körperlichen Arbeit müde, sondern vom geistigen Rudern.
Wie handhaben Sie es? Gehen Sie auf die Leute zu, oder kommen sie zu Ihnen?
Zweifach. Da gibt es die Möglichkeit, dass man ins Pfarrhaus kommt und das eigene Anliegen ausbreitet. Aber ich bin auch jemand, der im Dorf einfach präsent ist.
Gesellig?
Genau. Da kommt man dann auf unkomplizierte Weise ins Gespräch.
Was gefällt Ihnen an der katholischen Kirche am besten? Was ist der größte Kritikpunkt? Man sagt ja selten über etwas, es passt zu 100 Prozent so.
Mir gefällt die Kernbotschaft. Die Nächstenliebe. Was uns von vielen anderen Religionen unterscheidet ist, dass jeder Mensch, der einen Fehler gemacht hat, die Chance auf einen Neuanfang kriegen soll. Das lese zumindest ich aus der Bibel raus. Wir haben ganz viele Menschen, wo es irgendwo fehlt im Leben. Da müsste man sich mehr zuwenden. Das ist aber oft schwierig, weil wir so viele Kirchengesetze haben, die uns in diesem Zugang behindern. Ich kann nicht unkompliziert jemandem begegnen, sondern muss mich halt immer an Regeln halten.
Würden Sie sich als rebellisch bezeichnen?
Ein kleiner Rebell vielleicht.
Bischof Ivo Muser hat erst kürzlich das Verbot gesprochen, die Eheringe von Paaren aus Ziviltrauungen zu segnen. Sie dürfen aber weiterhin Traktoren segnen, Brot, Kräuterbuschen. Wie sehen Sie das?
Ich bin in den letzten Jahren oft von Geschiedenen und Wiederverheirateten gefragt worden, ob ich sie segne. Ich habe da immer abgewägt. Wollen Sie nur eine Show, den Priester nur als einen Effekt? Ich habe die Lebensgeschichten von einigen gekannt und gewusst: Das ist stimmig. Das mache ich bei denen.
Ich sehe jetzt noch einen Hoffnungsschimmer, wenn gesagt wird, es ist verboten, aber im privaten Kreis darf man es tun. Weniger gefallen hat mir die Aussage, dass man den Segen nicht geben darf, damit die Leute nicht meinen, die hätten wieder geheiratet. Ich habe immer klar gesagt: Das ist keine Trauung, das ist eine Segnung. Sonst dürfte ich auch keine Taufen machen, wenn danach die Leute sagen: War das aber eine schöne Messe. Eine Taufe ist keine Messfeier. Der Vorwand, die Leute verstehen das nicht, ist mir etwas billig vorgekommen.
Geschiedene dürften eigentlich nicht zur Kommunion. Wie handhaben Sie das?
Das ist ein Zwiespalt. Geschiedene sind zum Gottesdienst eingeladen, dürfen aber nicht zur Kommunion gehen. Das ist eine schwierige Problematik mit der Unlösbarkeit der Ehe. Die ganze Eheproblematik müsste man überdenken, dass auch Leute eine zweite Chance bekommen. Seien wir doch mit der Annullierung der Ehe etwas lockerer! Die wenigsten Priester werden sich aber weigern, Geschiedenen, wenn sie nach vorne kommen, die Kommunion zu geben. Ich glaube, da gibt es nur sehr wenige.
Sie zählen nicht dazu?
Nein.
Glauben Sie, es kommt jemals dazu, dass es Priesterinnen gibt?
Meine Theorie ist es, dass eher Frauen irgendwann zum Priester geweiht werden, als dass der Zölibat aufgehoben wird.
Pallhuber nimmt den letzten Schluck seines Latte Macchiatos. Ich eile zu den letzten Fragen.
Konservativer Bischof – liberaler Papst? Zu wem fühlen Sie sich eher hingezogen?
(Zögert). Irgendwie zu beiden. Das hat auch damit zu tun, dass der jetzige Bischof mein Professor war. Ich kenne ihn schon lange. Ein Hoffnungszeichen könnte die Synode sein. Er hat versprochen, wir können mal über alles reden. Die Frage ist, ob es beim Reden bleibt, oder ob danach auch Taten folgen. Sympathisch ist der Papst. Mal ganz etwas Neues.
Sympathie tut der katholischen Kirche ja mal gut …
Ja, das kann zurzeit mal sicher nicht schaden. (Lacht).
Letzte Frage: Die Jugend ist in der katholischen Kirche oft Thema. Darüber gibt es viele Klagen.
Ich denke, das hat etwas mit dem Personal zu tun. Wir Priester sind überaltert. In Südtirol ist das Durchschnittsalter 70 Jahre. Durchschnitt! Dann hat man natürlich Probleme, die Jugendgeneration zu erreichen. Das merke ich auch schon. Ich denke, man wird das anders rüberbringen müssen. Wir sollten die Jungen öfters draußen abholen, als abzuwarten, dass sie zu uns kommen. Das muss die Zukunft sein.

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