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Mara Mantinger
Veröffentlicht
am 09.12.2015
LebenKritischer Konsum

Womit wir uns kleiden

Veröffentlicht
am 09.12.2015
New Yorker, Diesel, Benetton stehen für Jugend, Freizeit, Mode. Aber auch für Ausbeutung, Armut und Ungleichheit. Die Hintergründe einer Millionenindustrie und was man dagegen tun kann.
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Wir glauben es ja zu wissen: Kleidung wird oft unter menschenunwürdigen Bedingungen produziert, von Kinderhänden in Kartone verpackt, aus Bangladesch mit einem umweltverpestenden Tanker nach Europa geschifft. Und doch tragen wir Zara-Pullover zu Scout-Hose und unser Gehirn setzt bei Primark aus – dabei versuchen wir uns damit zu beruhigen, dass manche der Unternehmen versprechen, fair zu produzieren. Wie beispielsweise H&M, die auf ihrer Homepage schreiben: „Anhand umfangreicher Kontrollen und Prüfungen gewährleisten wir, dass unsere Artikel den Sicherheits- und Qualitätsstandards von H&M entsprechen und unter sicheren, fairen, legalen sowie menschenwürdigen Arbeitsbedingungen hergestellt werden.“ Kinderarbeit gegen heile Welt: Wie sieht die Situation in den Ländern, in denen unsere Kleidung produziert wird, tatsächlich aus?

„In jeder Produktionsstätte werden Kleidungsstücke für zehn bis hundert Marken hergestellt: die Diesel-Jeans neben der Kik-Jeans, das Promod-Leibchen neben der Pimkie-Bluse.”

Um diese Frage beantworten zu können, sprechen wir mit Michaela Königshofer. Sie ist die Koordinatorin der Clean Clothes Kampagne Österreich, einer Organisation, die für fair produzierte Kleidung kämpft. „Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Firmen wie H&M besitzen keine einzige Nähmaschine!“, stellt Königshofer klar und unterstreicht damit das zentrale Problem der Textilindustrie: Bekleidungsunternehmen produzieren ihre Kleidung nicht in eigenen Fabriken – und können somit nur schwer über die Arbeitsbedingungen bestimmen. „Die meisten von uns glauben, dass Bekleidungsfirmen eigene Produktionsstätten in Asien stehen haben – aber das ist nicht so. Jedes Kleidungsstück eines Bekleidungsunternehmens wird in einer anderen Produktionsstätte hergestellt“, erklärt sie. Kleidungsfirmen stellen einen Zwischenhändler an, der die billigste Produktionsstätte in einem Land für Jeans ausfindig macht. Dort wird dann die Jeans hergestellt, das T-Shirt aber in der billigsten T-Shirt-Produktionsstätte. Königshofer betont: „Ein Unternehmen wie H&M besitzt um die 700 verschiedenen Produktionsstätten auf der Welt – und in jeder Produktionsstätte werden Kleidungsstücke für zehn bis hundert Marken hergestellt: die Diesel-Jeans neben der Kik-Jeans, das Promod-Leibchen neben der Pimkie-Bluse.“ Genau das ist auch der Grund, warum sich viele Bekleidungsmarken vor ihrer Verantwortung drücken: „Immer wieder sagen die Firmenleiter, sie können auf die Arbeitsbedingungen nicht einwirken, da das ja nicht ihre Produktionsstätten sind. Hier liegt das Problem! Dass die einzelnen Marken nichts tun können, ist aber schlichtweg gelogen – es liegt nämlich eindeutig in der Verantwortung des Unternehmens, wie ihre Produkte hergestellt werden. Durch gezielte Firmenpolitik könnte sich sehr viel ändern.“

„Wenn etwas billig ist, hat immer jemand draufgezahlt.”

Doch was muss sich dafür verändern? Michaela Königshofer erklärt: „Wenn etwas billig ist, hat immer jemand draufgezahlt. Konkret bedeutet das, dass unter günstiger Kleidung in erster Linie die Arbeiter zu leiden haben.“ Näher verdienen oft so wenig, dass sie nur durch eine exzessive Anzahl an Überstunden genug verdienen, um über den Tag zu kommen. Deshalb fordert die Clean Clothes Kampagne, dass Menschen, die schwer arbeiten, so entlohnt werden, dass sie davon leben können. Königshofer findet: „Das wäre heutzutage eigentlich schon leicht möglich. Wir fordern deshalb, dass Firmen nicht den Mindestlohn, sondern einen Existenzlohn als Gehalt-Minimum festlegen. Ob Unternehmen das machen, war eines der Kriterien für unsere Bewertung.“ Die Clean Clothes Kampagne bewertet seit 2010 Bekleidungsunternehmen, um Endverbrauchern eine Richtlinie bieten zu können, welche Marken mit ruhigem Gewissen gekauft werden können. Sie ist damit nicht die einzige Organisation, die Druck auf die Textilindustrie ausübt: die Fair Wear Foundation unterstützt Unternehmen beispielsweise ganz konkret dabei, in den jeweiligen Produktionsstätten gerechtere Standards durchzusetzen.

Organisationen, welche für faire Kleidung kämpfen, fordern nicht nur ausreichenden Lohn, sondern auch sichere Arbeitsplätze: In vielen Produktionsstätten wird immer noch mit giftigen Chemikalien gearbeitet, Arbeitsschutz ist unbekannt. Stark kritisiert wird beispielsweise die Sandstrahl-Methode, welche beim Herstellen der Jeans mit Used-Look angewandt wird. Beim Bestrahlen der Jeans gelangen nämlich Mineralien in die Lungen, die den Körper hindern, Sauerstoff aufzunehmen. Keuchen, Gewichtsabnahme, Husten und Schwäche sind die Symptome, die zum Tod durch Ersticken führen – vier Monate am Sandstrahler reichen aus, um tödlich zu erkranken. Obwohl eine Therapie nicht möglich ist, wird diese Technik von den Regierungen in den Produktionsländern weder verboten, noch bekämpft. Die auftragsgebenden Unternehmen nehmen sich aus der Verantwortung, da sie diese Methoden offiziell verbieten – aber immer noch oft nicht kontrollieren, ob sie tatsächlich eingesetzt werden oder nicht.

„Wir können gar nicht Kleidung einkaufen, die nicht unter solchen Umständen hergestellt worden ist.”

„Wir können gar nicht Kleidung einkaufen, die nicht unter solchen Umständen hergestellt worden ist“, sagt Michaela Königshofer. „Der einzige Weg zur Veränderung, den der Konsument gehen kann, ist der des Protestes: Wenn den Textilunternehmen klar wird, dass es uns Konsumenten nicht egal ist, wie unsere Kleidung hergestellt wird, dann wird sich etwas ändern.“ Die Clean Clothes Kampagne nimmt diesen Protest in die Hand und ist somit eines der Sprachrohre der unzufriedenen Konsumenten. Dass sie damit Erfolg hat, zeigen die Bewertungen der Unternehmen im Vergleich von 2010, 2012 und 2014: Nicht wenige der bewerteten Unternehmen verbesserten sich um eine, zwei oder sogar drei Kategorien, nachdem bekannt geworden war, unter welchen Umständen Kleidungsstücke produziert wurden.

Auch Salewa wurde als einziges Südtiroler Unternehmen von der Clean Clothes Kampagne 2012 bewertet – mit der zweithöchsten Note „durchschnittlich“. Doch würde das Unternehmen heute wohl noch besser bewertet werden, da es mittlerweile alle Kritikpunkte aufgearbeitet habe, so Köngishofer. Alexandra Letts, Mitarbeiterin der CSR-Abteilung bei Salewa, sagt: „Wir sind mittlerweile Mitglied der Fair Wear Foundation, die uns tatkräftig bei der Kontrolle unserer Standards hilft. Uns liegt es sehr am Herzen, dass unsere Produkte gerecht produziert werden.“ Auch Königshofer lobt das Unternehmen: „Salewa hat sich stark weiterentwickelt. Ich glaube, es ist nur mehr eine Frage der Zeit, bis das Unternehmen unter den besten in diesem Bereich sein wird.“

Bittet man Alexandra Letts um eine Einschätzung zur generellen Situation, sagt sie: „Der Weg ist noch weit, heute wird vielleicht ein Promille-Anteil der Kleidung fair hergestellt. Doch das Interesse ist sowohl vonseiten der Konsumenten, als auch vonseiten der Unternehmer da. Hoffentlich ist es nur mehr eine Frage der Zeit.“

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