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Mara Mantinger
Veröffentlicht
am 22.05.2015
LebenPlädoyer für das Wählen

Warum wählen wir noch?

Veröffentlicht
am 22.05.2015
Die Wahlbeteiligung sinkt seit Jahren. Zu Recht, wenn sogar Politikexperten den Nutzen einer Wahl in Frage stellen? Warum eine Stimme aber doch zählt.
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Wenn an diesem Wochenende Meraner, Bozner und Leiferer vor ihrem Wahllokal stehen, dann haben sie eine große Hürde bereits genommen: Sie haben sich entschieden, wählen zu gehen. Das ist in Südtirol keine Selbstverständlichkeit mehr. Die Wahlbeteiligung sinkt seit Jahren und befand sich bei den Gemeinderatswahlen vor zwei Wochen auf dem historischen Tief von 66,9 Prozent – das sind in ganzen Zahlen 254.797 von 401.979 wahlberechtigten Südtirolern. Und sie sind dabei nicht alleine: Bei den Bürgerschaftswahlen in Bremen, die am selben Tag stattfanden, ging nur jeder zweite Bremer zur Wahl.

Wenn Medien und Politiker nach der Ursache dafür suchen, dann fallen Worte wie „Politikverdrossenheit” oder „Parteienverdrossenheit”. Und das seit bald 60 Jahren. Doch unabhängig davon, was Politiker, Parteien und Regierungen falsch gemacht haben – Politikwissenschaftler fragen sich insgeheim, warum überhaupt gewählt wird. Bereits 1957 beschrieb Anthony Downs das Paradoxon des Wählens: Für einen Wähler ist es eigentlich nicht rational, sich an der Wahl zu beteiligen. Da seine Stimme wahrscheinlich nicht für den Wahlausgang entscheidend ist, kann er genauso gut nicht wählen. Damit spart er sich viele Kosten: Er muss sich nicht über die Kandidaten und ihre Programme informieren und auch nicht zur Wahl gehen. Dieser Ansatz beruht auf den Grundannahmen der Theorie der rationalen Wahl: Jeder Mensch wägt vor Handlungen ab, welche Kosten und Nutzen sie ihm verursachen werden – und entscheidet auf Basis dieser Kosten-Nutzen-Rechnung.

Downs versuchte deshalb, die Frage nach der Motivation der Wähler zu klären. Seine Antworten sind einleuchtend: Es gibt die Wähler, die einfach an der Politik interessiert sind und sie mitgestalten wollen. Dann gibt es die Wähler, die aus Gewohnheit wählen – oder weil es ihre Vorbilder auch machen. So wählen beispielsweise Kinder aus Familien, in denen die Eltern immer zur Wahl gingen, viel häufiger als Kinder aus Nicht-Wähler-Familien. Das erklärt auch, warum die Gruppe der Nicht-Wähler immer größer wird: Wählen die Eltern nicht, zieht sich das bei ihren Kindern immer weiter.

Das schlagkräftigste aller Argumente für das Wählen ist aber ein ganz simples: Wenn jeder nur an seine eigenen Kosten denkt und nicht wählen geht, geht niemand wählen. Und dann ist die Demokratie gefährdet. Das erfahren die St. Ulricher momentan am eigenen Leib: Da nur 40 Prozent der Wahlberechtigen ihre Stimme abgegeben haben, wurde die Wahl für ungültig erklärt und ein Kommissär eingesetzt. Bis zur Neuwahl im Herbst leitet also ein von der Landesregierung bestimmter Beamter die Geschicke von St. Ulrich. Dabei wäre die Wahl bereits gültig gewesen, wenn über 50 Prozent der Wahlberechtigten ihren Stimmzettel abgegeben hätten – egal, ob sie jemanden gewählt oder weiß abgegeben hätten.

Wenn die Meraner, Bozner und Leiferer am Wochenende also vor den Wahlkabinen stehen und überlegen, ob sie nun ein Kreuzchen setzen oder aufgrund der vielleicht schlechten Auswahlmöglichkeiten einen weißen Stimmzettel abgeben sollen, dann haben sie bereits eine Wahl getroffen: ihre Stimme für die Demokratie. Wie man am Beispiel St. Ulrichs sieht, ist diese Stimme wichtiger, als geglaubt.

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