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Petra Schwienbacher
Veröffentlicht
am 22.01.2021
LebenZu Besuch am Selbstversorgerhof

Leben ohne Supermarkt

Veröffentlicht
am 22.01.2021
Magdalena und Friedl Pobitzer bauen ihre Lebensmittel selbst an. Was sie nicht ernten, tauschen sie mit anderen. Gekauft wird kaum etwas.
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„Damit wir wissen, was wir essen“, erklärt Magdalena Pobitzer. „Das ist uns ganz wichtig.“ Sie und ihr Mann Friedl kaufen nicht viele Lebensmittel, lieber bauen sie selbst an, was sie essen. Friedl sitzt nach getaner Arbeit am Esstisch der schmalen Küche, Magdalena steht am Herd. Sie kocht Marmelade aus den frischen Brombeeren ein, die sie am Nachmittag im Garten gepflückt hat. Der Raum duftet süß nach Marmelade und warmem Apfelstrudel.

Magdalena Pobitzer ist 58 Jahre alt und pensionierte Lehrerin, ihr 65-jähriger Mann ehemaliger Bahnangestellter. Das Ehepaar lebt in Mals, in einer Siedlung zwischen schmalen Gassen und alten Gemäuern; in einem steinernen Bauernhaus, das bereits seit mehreren Generationen in Familienbesitz ist. Hier bewirtschaften sie einen Hof mit fünf Hektar Acker und Garten, aufgeteilt auf zehn Parzellen von Burgeis bis Glurns. Ihnen ist wichtig, so viel wie möglich selbst anzubauen und dabei Rücksicht auf die Natur zu nehmen. Die beiden sind biologische Selbstversorger. Seit 25 Jahren wurde nicht mehr chemisch gedüngt.

Viel Arbeit, lohnende Ernte

Ihre Kinder Vera und Katharina sind erwachsen, leben und arbeiten zurzeit in Wien. Seit 2011 ist das Paar in Pension. Seitdem hat es viel Zeit. Zeit, um sich um den Bio-Bauernhof zu kümmern, und für den Anbau von noch mehr natürlichen Lebensmitteln.

Magdalena und Friedl Pobitzer

Nahezu alles, was sie zum Essen brauchen, pflanzen sie selbst an. Auf den Bäumen wachsen Pflaumen, Nüsse, Marillen und Äpfel, im Garten verschiedene Sorten Beeren, Quitten, Salat und Gemüse. Auf den Feldern bauen sie Kartoffeln, Weizen, Roggen, Dinkel, Hafer und schwarzen Emmer an – den allerdings erst seit vergangenem Jahr. Daher wächst er noch nicht so, wie sie es sich wünschen. Auf einem „schwachen halben Hektar“ gedeihen zudem Pala-Birnen und Pradell-Birnen.

Ein Teil des Korns wird selbst vermarktet und am Hof verkauft, einen Teil behalten sie für sich. Sie mahlen es in der eigenen Mühle zu Mehl. Magdalena backt damit Brot, hin und wieder macht sie eigene Pasta. Nur manchmal, wenn sie keine Lust auf die aufwendige Arbeit hat, kauft sie ihre Nudeln. Neben Milch, Almkäse, Joghurt und Polenta das einzige Lebensmittel, das die Pobitzers nicht selbst besitzen. „Gemüse haben wir immer selbst“, sagt Magdalena stolz.

Grüner Salat kommt hier bis Ende November auf den Tisch. Im Winter wird dann eben gegessen, was da ist – Karotten, Rote Bete, Sauerkraut und Krautsalat. Und viel Gemüse, das Magdalena den Sommer über einweckt – wie die sauren Gurken, die sie jetzt nach der Brombeermarmelade verarbeitet. „Es ist schon sehr viel Arbeit“, sagt sie. Aber für das Ergebnis steht sie gerne lange in der Küche.

Nach der Arbeit auf dem Feld macht Magdalena Pobitzer noch Marmelade und weckt Gurken ein.

Kartoffeln gegen Eier

Dank des Tauschhandels müssen die Pobitzers kaum auf etwas verzichten. Zusammen mit einigen Bewohnern der Fünftausend-Seelen-Gemeinde sind sie Mitglieder beim Tauschkreis in Mals.
Es ist eine dieser modernen Zeitbanken, bei denen Dienstleistungen oder Waren einfach getauscht werden. Ohne Einsatz von Geld. „Eine Stunde wird mit dem Wert von zehn Euro berechnet. Was dann mit welchem Wert getauscht wird, verhandelt jeder selbst“, erklärt Magdalena. Es ist eine Idee, die erst wenige nutzen. Friedl und Magdalena sind regelmäßig aktiv mit dabei. Friedl hilft beim Entrümpeln, Magdalena nimmt die Arbeit von einer Schneiderin in Anspruch. Sie tauschen Getreide oder Kartoffeln als Futter für die Schweine gegen Eier und Truthahnfleisch.

Früher hatten sie selbst Schweine, Schafe und Fleischrinder. Seit sie aber keine Tiere mehr halten, greifen sie auf Fleisch aus dem Ort zurück. Auch Kleidung oder Arbeitsmaschinen werden nicht neu gekauft. Friedl teilt sich mit anderen Bauern einen Mähdrescher. Ihre Zeitungs-Abos haben sie auch abbestellt, die Pobitzers gehen lieber in die Bibliothek.

Wwoofer

Ende Juni hat die Kartoffelernte begonnen – so früh wie noch nie. Seitdem stehen Magdalena und Friedl fast jeden Tag von früh bis spät auf dem Acker. Für die Ernte nutzen sie zwar eine Maschine, einsammeln und sortieren müssen sie die Kartoffeln aber von Hand. Alle einzeln. Dann verkaufen sie die Knollen im Dorf und in der Umgebung.

Jeden Mittwoch steht das Paar mit seinen Produkten auf dem Bauernmarkt. Seit kurzem bietet Magdalena die Kartoffeln auch über Facebook an. Eigentlich halte sie nicht viel vom sozialen Netzwerk, aber fürs Tauschen eigne es sich gut. Auch Friedl hat sich etwas Neues einfallen lassen: Er verkauft kleine, geschälte Kartoffeln an Gastronomiebetriebe. „Mit der Schälmaschine klappt das super, die Kartoffeln kommen gut an“, freut sich der Bauer. So können die Pobitzers selbst die kleinen Kartoffeln an den Mann bringen, auf denen sie sonst sitzen bleiben würden.

Friedl Pobitzer im Blaumann beim Kartoffelsetzen im Frühjahr diesen Jahres.

Um die viele Arbeit zu bewältigen, die auf einem Selbstversorgerhof anfällt, kommen seit vier Jahren jeden Sommer Wwoofer aus der ganzen Welt nach Mals. Aus Schweden, Holland, Italien, Amerika, Deutschland oder Belgien. Gegen Kost und Logis helfen sie aktiv mit. „Mit vielen sind wir noch immer in Kontakt“, sagt Friedl. Als Mann, der selbst viel verreist ist, unterhält er sich gerne mit den internationalen Wwoofern – auch wenn es mit der Verständigung auf Englisch ein wenig hapert.

Meist herrscht hier auf dem Hof reges Treiben. Nur diese Woche ist das Haus bis auf den alten Hund leer. „Zum Glück“, scherzt Magdalena und lacht. Immerhin waren seit Mai diesen Jahres jede Woche neue Wwoofer hier. „Oft braucht man schon gute Nerven. Viele sind nicht auf einem Hof aufgewachsen und stellen sich nicht sonderlich gut an“, ergänzt Friedl.
Dennoch gibt es immer eine offene Tür für Wwofer. Einige schätzen die Gastfreundschaft und kommen jedes Jahr. Und auch die Flüchtlinge, die im Haus Ruben in Mals wohnen, sind willkommene Gäste. Heute kommt einer der jungen Männer vorbei. Er hat Geburtstag. „Unser Sohn“, nennt ihn Magdalena liebevoll. Für ihn hat sie den Apfelstrudel gebacken. Einmal pro Woche gibt sie zusammen mit anderen pensionierten Lehrern den Flüchtlingen im Haus Ruben in Mals Deutschunterricht. Und sie möchte noch mehr machen: „Wenn es möglich wäre, würde ich einige für die Arbeit anstellen, aber das darf man leider nicht.“

Less please“, so nennt sich das Projekt zweier Studentinnen. Darf es ein bisschen weniger sein? Was bedeutet Suffizienz? Und wie geht das? Diese Fragen stellten sich Lena Rieger und Clara Hüsch. Antworten fanden sie bei Menschen wie Magdalena und Friedl Pobitzer. Sie alle leben mit weniger – und sind glücklich damit. BARFUSS wird einige von ihnen besuchen und Einblicke darin geben, was diese Menschen anders machen.

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