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Petra Schwienbacher
Veröffentlicht
am 23.12.2014
LebenJungbauer Daniel Primisser

König der Biogigger

Veröffentlicht
am 23.12.2014
„Die Entwicklung der Fleischindustrie ist brutal“, sagt Daniel Primisser. Er will mit seinem Bio-Mast-Hähnchenbetrieb eine Alternative zeigen.
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Jungbauer Daniel Primisser.

An die 590 Millionen Hühner werden in Deutschland jedes Jahr geschlachtet, in der Europäischen Union etwa fünf Milliarden. Die meisten von ihnen leben in konventionellen Mastgroßbetrieben mit über 50.000 Tieren. Ohne jemals das Sonnenlicht zu sehen oder Gras unter ihren Füßen zu spüren, leben die Tiere in ständigem Gedränge. Das Hühnchen ist das, was seit den 60er-Jahren in der Fleischproduktion am stärksten industrialisiert wurde. „Diese Entwicklung ist brutal“, sagt Jungbauer Daniel Primisser. Er und sein Vater Karl sind Mitglieder im „Bund Alternativer Anbauer“ und bewirtschaften den Moleshof in Prad im Vinschgau nach strengen Richtlinien für biologische Tierhaltung. Die Zustände in der Geflügelindustrie waren die Motivation des 34-Jährigen im März 2010 mit seinem Vater einen Bio-Mast-Hähnchenbetrieb aufzuziehen. Den bisher einzigen in Südtirol.
„Ich mag Hühner“, sagt Primisser. „Aber ich esse auch mal gerne ein gutes Giggerle. Jetzt kann ich das mit einem halbwegs guten Gewissen, weil ich weiß, wie es gelebt und was es gefressen hat.“

Lebenserwartung: acht bis 16 Wochen

Zwischen 1.000 und 1.500 Stück Federvieh rennen auf der Wiese hinter dem 1948 erbauten Moleshof herum. Unterteilt in vier Gruppen mit einem orangen Netzzaun. Jetzt stehen sie in der Nähe vom Haus, damit im Winter das Wasser nicht gefriert. Nur hier gibt es zwei unterirdische Schächte für das Trinkwasser. Das restliche Jahr stehen die Ställe weiter hinten auf der Wiese. Jedes Jahr an einem anderen Ort. Primisser arbeitet mit dem sogenannten Mobil-Stall-System, die zwei Hühnerställe sind versetzbar. Auf viereinhalb Hektar baut der Biobauer jeweils einen Streifen Erdäpfel, Gemüse und Getreide an. Der Grünstreifen mit Kleegras gehört den Hühnern. Jedes Jahr wandert er damit ein Stück weiter. Das sei mikrobiologisch gesehen das beste, sagt Primisser.

Weiße und braune Hühner in unterschiedlichen Größen gackern hinter dem Zaun, laufen durchs feuchte Gras, scharren und picken um die Wette. Nicht weit von dem Gegackere hört man zufriedenes Grunzen. Neben den Hühnern versorgt Primisser acht Schweine – die Verwerter seiner Gemüseabfälle. Das Futter der Hühner ist die Natur und eine Getreide-Eiweißmischung, hauptsächlich Mais und Gerste – ein bisschen Soja.

„Jeder Fleischesser sollte einmal in seinem Leben ein Tier töten. Vielleicht gäbe es dann viel mehr Vegetarier. Ich bin zwar Fleischproduzent, aber generell wäre ein gemäßigter Fleischkonsum besser.”

Im Zweiwochentakt wird geschlachtet, in der eigenen Metzgerei. Die kleinen, die später als Brathühnchen auf dem Teller landen, werden zwischen acht und zehn Wochen alt. Sie verkauft Primisser am Stück an die 15 Metzgereien, Bio-Hotels und Restaurants in ganz Südtirol. Auch am Hof verkauft der zweifache Familienvater. Aber nur freitags und auf Vorbestellung. Aus den größeren Hühner, im Alter zwischen zwölf und 16 Wochen, werden später Brustfilets, Keulen, Schenkel oder Chicken Wings. Primissers Hühner wachsen langsamer als Industriehähnchen. „Das schmeckt man“, sagt er. Zum Vergleich: Industriehühner sind mit 33 Tagen schlachtreif. „Unser Ziel wäre, dass sie noch langsamer wachsen, aber dann hätten die Hühner einen Preis, den niemand mehr bezahlt“, so der Hühnerbauer. Für ein ganzes Hühnchen verlangt er aktuell 15 Euro. „Das ist nicht zu teuer. Die Hähnchen im Supermarkt sind im Vergleich einfach zu billig.“

Huhn JA757

Die Geschichte des Moleshofs sei eine lange, heikle, sagt Primisser. Er gehörte einem Faschisten, der neben dem Moleshof auch noch drei andere im Vinschgau erhalten hat. Nach seinem Tod, verkaufte dessen Frau den Hof 1958 an Opa Primisser. 1990 hat Vater Karl Primisser den Hof übernommen. Damals ist er mit seiner Familie vom Ahrntal hierhergezogen.

Von Anfang an war klar, dass ihn Daniel eines Tages übernimmt. Auch klar war, dass dann Hühner hergehören. Primisser ist, seit er klein war, ein Hühnernarr. Er züchtete verschiedene Rassen und beobachtete sie beim Brüten. „Mich hat fasziniert, wie aus einem Ei ein Huhn herauskommt“, sagt der Biobauer in kratzigem Vinschger Dialekt. Dann zeigt er den gemauerten Aufzuchtsraum in der Scheune. Feucht-warm und mit Bodenheizung. Hier leben die „Piselen“. Hybriden, eine Kreuzung aus zwei verschiedenen Elternlinien. Die Henne ist klein und relativ dick, der Hahn größer als der Durchschnitt. Heraus kommt die Rasse JA757. Die Küken stammen von einer Biobrüterei in Niederbayern und kommen im Alter von einem Tag auf dem Moleshof an. Selbst brüten, wäre ein zu großer Aufwand, so Primisser. Die Küken hier sind jetzt fünf Tage alt. In zwei bis fünf Wochen kommen sie raus, je nachdem wie kalt es ist.

Geplant ist, diesen Raum in naher Zukunft umzubauen. Arbeit gibt es auf dem Moleshof immer. „An Weinachten und Ostern brauche ich mehr Hühner als sonst. Ich muss also fünf bis sechs Monate vorausplanen, ein großer Aufwand“, sagt der Biobauer. Ein aktuelles Vorhaben Primissers ist das Pflanzen einer Braugerste. Ein „Spaßprojekt”, was bisher noch nicht so richtig geklappt hat. „Wir werden aber dranbleiben, damit wir zu unserem Vinschger Bier kommen. Zu einem Giggerle muss man natürlich ein Bier trinken“, sagt er und lacht.

Jungbauer Daniel Primisser. Er hat den Moleshof vor einem Jahr übernommen.


Drei Fragen an den Fleischproduzenten:

  • Tun dir die Hühner nicht Leid, wenn du sie schlachtest?

Bei dieser Menge kennt man sie nicht mit Namen. Natürlich ist es nicht mehr so wie bei Omas Zeiten. Sie ging in den Stall, sagte zum Huhn: „Der Herr ist mit dir und du bist mit mir“ und hat ihm den Kragen umgedreht. Natürlich gibt es schöneres, als Hühner zu schlachten. Ich bin aber ganz fest der Überzeugung, dass jeder Fleischesser einmal in seinem Leben ein Tier töten sollte, um die Erfahrung zu machen, dass es zuerst Leben war und dann Fleisch. Vielleicht gäbe es dann viel mehr Vegetarier. (lacht) Das wäre auch nicht schlecht. Ich bin zwar Fleischproduzent aber generell wäre ein gemäßigter Fleischkonsum besser.

  • Kaufst du noch Fleisch vom Metzger?

Ich kaufe bei meinen Biobauern-Kollegen, wenn ich mal Lust auf etwas anderes habe. Speck kaufe ich beim Metzger. Aber Bio-Speck muss es dann schon sein. (lächelt)

  • Was muss sich in der Fleischindustrie deiner Meinung nach ändern?

In der Geflügelindustrie muss sich extrem viel ändern. Natürlich kann man Gesetze machen und alles verbieten. Aber ob das so sinnvoll ist … Bestimmte Bereiche sollten gesetzlich geregelt werden, wie Gentechnik oder Stalldimensionen. Oft sind 80.000 Hühner in einer Halle, ohne Tageslicht oder Umwelteinflüsse. Man kann sich vorstellen, dass dabei kein gescheites Fleisch herauskommen kann.
Es muss sich aber vor allem auch die Einstellung des Konsumenten ändern. Viele sagen: „Ich esse nur wenig Fleisch.“ In Wirklichkeit essen sie zwar nur zweimal pro Woche ein Schnitzel, aber fünfmal Aufschnitt. (lacht). Der Konsument muss auch lernen, wieder alle Teile des Tieres zu essen. Beispielsweise nicht nur das Filet, sondern auch die Flügel.

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