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Judith Dietl
Veröffentlicht
am 16.12.2013
Leben

Die Schnüffler

Veröffentlicht
am 16.12.2013
Lawinenhunde finden Verschüttete meist schneller als jedes Suchgerät. Doch dazu braucht es Übung. BARFUSS hat sich mit Rex auf die Suche gemacht.
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Ich schließe die Augen und lausche angestrengt. Es ist ungewohnt still. Ich liege in einem zugeschütteten Schneeloch. Es ist gerade so lang, dass ich ausgestreckt darin Platz habe und gerade so hoch, dass ich mich von der Seite auf den Rücken drehen kann. Wenn ich die Augen öffne, starre ich an die Schneedecke, nur wenige Zentimeter über mir. Es ist düster. Ein beklemmendes Gefühl.

Nach Zehn Minuten – vielleicht waren es auch nur fünf – höre ich dumpfe Schritte, ein Scharren, Schnee rieselt auf mich herab. In der linken Ecke wird die Schneedecke dünner, immer mehr Licht scheint durch. Es entsteht ein kleines Loch, durch das sich eine feuchte Hundeschnauze bohrt. Dann ein „Hallo?“ Ich rufe zurück, während das Loch immer größer wird. Jetzt sehe ich meine beiden Retter: Die Hundeschnauze gehört zu Rex, die Stimme zu Andreas Egger und beide gehören zur Hundestaffel der Südtiroler Berg- und Höhlenrettung (CNSAS).

Einige Stunden zuvor, es ist ein bewölkter Samstagmorgen im Schigebiet Sulden, der Wind pfeift, die minus zehn Grad fühlen sich mindestens doppelt so kalt an. Gleich hinter der Madritschhütte, auf rund 2.800 Metern Seehöhe, ist lautes Hundegebell zu hören. Es stammt von den zwölf Lawinenhunden des CNSAS, sie spüren die Aufregung. Denn sie müssen an diesem Wochenende, gemeinsam mit ihren Hundeführern zeigen, dass sie fit genug sind für den Ernstfall.

„Collaudo" für Lawinenhunde

Jedes Jahr vor Beginn der Wintersaison werden Tier und Mensch einem „Collaudo“ unterzogen, Beibehaltsprüfung wird das in der Fachsprache genannt. Nur wenn sie die bestehen, sind sie weiter einsatzfähig. Jeder Hund muss zwei Verschüttete unter den Schneemassen aufspüren und mit seinem Hundeführer befreien. Die zwei Trainer achten dabei nicht nur auf die Zeit, sondern auch auch darauf, wie Mensch und Tier zusammenarbeiten.

Als „Lawinenopfer“ lassen sich Freiwillige in die vorbereiteten Schneelöcher eingraben. Wenn nicht gerade neugierige Journalisten dabei sind, machen das die Bergretter selbst. 24 Hundeführer gehören derzeit zur Südtiroler Berg- und Höhlenrettung, von denen einige nur für die Vermisstensuche im Sommer oder für die Fährtensuche eingesetzt werden. 14 Bergretter sind mit ihren Hunden auf die Lawinenverschüttetensuche spezialisiert.

Nach 15 Minuten sinkt Überlebenschance

An die 20 Lawineneinsätze hatten sie im vergangenen Jahr, sagt Florian Seebacher von der CNSAS-Zentrale in Bozen. Die meisten Verschütteten konnten allerdings nur noch tot geborgen werden, so die Bergretter. In den ersten 15 Minuten liegen die Überlebenschancen bei rund 80 Prozent. Wer innerhalb von 16 bis 30 Minuten aus einer Lawine geborgen wird, für den sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit laut Statistik auf nur noch 36 Prozent.

Bis ein Rettungsteam verständigt ist und vor Ort eintrifft, kann es bis zu einer Dreiviertelstunde dauern. Deshalb ist die Kameradenrettung so wichtig. „Wir geben dennoch bei jedem Einsatz unser Bestes und haben immer die Hoffnung, den Verschütteten lebend zu befreien“, sagen die Männer, während sie für den nächsten Ernstfall trainieren, der auch in diesem Winter wieder viel zu häufig eintreten wird. Für Rex und seine tierischen Kollegen ist das alles nur ein Spiel. Sie werden darauf trainiert menschlichen Geruch unter Schneemassen zu wittern und aufzuspüren. Waren sie erfolgreich, werden sie belohnt. So einfach ist das. Es geht den Hunden um Anerkennung, der Gerettete ist ihnen egal.

Die Superschnüffler

Jetzt sind Andreas Egger und sein Rex an der Reihe und damit komme auch ich zum Einsatz. Ohne dass die beiden sehen, in welchem Schneeloch ich verschwinde, lasse ich mich eingraben. Es ist ein mulmiges Gefühl, auch wenn ich weiß, dass nichts passieren kann. Neben der Kameradenrettung mit Sonde, Pieps und Schaufel ist der Hund die schnellste Methode, um Verschüttete zu finden. Lawinenhunde haben 40 mal mehr Riechzellen als der Mensch und können deshalb besser zwischen den einzelnen Gerüchen unterscheiden. Je nach Wind und Konsistenz des Schnees wittern sie verschüttete Menschen in bis zu fünf bis sechs Meter Tiefe.

Dafür braucht es allerdings Übung. Zwei Jahre dauert die Ausbildung zum Lawinenhund und muss bereits im Welpenalter beginnen. Rex ist seit fünf Jahren im Einsatz. Der siebenjährige Mischling ist gerade im besten Alter und hat einen ausgeprägten Spieltrieb – eine Grundvoraussetzung für einen Lawinenhund. Auf die Rasse kommt es nicht unbedingt an, er sollte aber nicht zu klein, nicht zu groß und nicht zu schwer sein. „Ein kompakter Hund ist gut", sagt einer der Hundeführer, „er muss bei einer Bergung auch mal am Hubschrauberseil hängen."

Hund und Mensch müssen zusammenpassen, sich gegenseitig vertrauen. Rex und Andreas Egger sind ein eingespieltes Team, der Vierbeiner folgt seinem Herrchen aufs Wort. Als Lawinenhund muss er in jedem Moment gehorchen, Egger muss sich auf ihn verlassen können. „Der Hund wird wirklich zu deinem besten Freund“, sagt der Bergführer. Für die beiden ist es kein Problem, mich rasch aufzuspüren und aus meiner Lage zu befreien.

Sobald die Öffnung des Schneelochs groß genug ist, drängt sich Rex zu mir in die winzige Höhle. Er will sich seine Belohnung abholen. Das bin nicht ich, sondern ein kleiner angefressener Spielball, den Egger Sekunden zuvor in das Schneeloch geworfen hat. Für Rex eben alles nur ein Spiel, das im Ernstfall Leben retten kann.

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