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Mara Mantinger
Veröffentlicht
am 09.04.2014
LebenSchärfer geht's nicht

Brennende Liebe

Veröffentlicht
am 09.04.2014
BARFUSS kocht. Diesmal mit drei Männern mit einem besonders scharfen Hobby: Chilis.
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Arno Giovanett beim Kosten einer eingelegten Chili-Schote.

Scharf. So scharf, dass man die Zunge nicht mehr spürt, die Augen tränen, der Schweiß die Schläfen hinunterrinnt und die Nase wie ein Wasserhahn tropft. Dieses Gefühl des Infernos auf der Zunge lernte ich in Asien kennen. Vorher war das Schärfste, was ich kannte, das Peperoncino-Öl in der Pizzeria. Zugegeben: Warum sollte man als vernünftiger Mensch ein solches Leiden auch auf sich nehmen? Meine thailändischen Freunde erklärten mir, dass der Verzehr von Chilis vor Mückenstichen schütze. In diesem Gebiet an der Grenze zu Burma gibt es Malaria, und die Erklärung leuchtete mir ein. Deshalb ließ ich es mir gefallen, dass sie mir Unmengen an Chilipulver in mein Essen schütteten und dabei lachten, weil das ihnen zufolge eine Baby-Portion an Schärfe für die Farang, die Ausländerin, sei – und gaben in ihr Essen fünf Mal so viel.
Als ich mich auf den Weg zu einem Kochabend mit drei Südtiroler Chili-Fans mache, fühle ich mich also recht gut vorbereitet. Die drei Chilisten namens Mike Wachtler, Arno Giovanett und Sergio Pallaoro haben mich eingeladen, mit ihnen ein Chili-Menü zu kochen und mir über ihre Leidenschaft, Chilipflanzen aufzuziehen und zu essen, zu erzählen. Die drei wollen den Normalsterblichen die Schönheit und Geschmacksvielfalt dieser Beere näherbringen. Und eines werde ich lernen: Es geht immer schärfer – egal, wie scharf etwas schon ist.

Habanero, Fatalii und Naga Morich

Bei meiner Ankunft befindet sich die Hauptspeise schon im Rohr und wir beginnen mit der Vorbereitung der Vorspeise: gefüllte Paprikahälften. Arno Giovanett, Erzieher in einem Jugendheim und mit 24 Jahren der Jüngste der Dreiergruppe, schneidet die roten und unscharfen Paprikas auseinander und beginnt mit der Vorbereitung der Füllung: Er schnipselt Tomaten, Oliven, Kapern, Knoblauch und erzählt in der Zwischenzeit von seinen Chilimischungen. Die stellt er nämlich selbst zusammen, aus den Pflanzen, die in seinem Garten wachsen. Er besitzt circa 30 der allerschärfsten Chilisorten. Mit dem Anbau begonnen hat er, weil ihm scharfe Gerichte so gut schmecken und in seinem Garten noch Platz für ein paar Pflänzchen mehr war. Aus drei Sorten hat er die getrockente Chilimischung zusammengerührt, mit der er jetzt die Füllung würzt: Habanero, Fatalii und Naga Morich, alle drei „hochprozentig“. Die Beeren der verschiedenen Sorten hat er getrocknet und zerstampft – insgesamt liegt der Schärfegrad der Mischung bei 700.000 Scoville. Zum Vergleich: Ein normales Peperoncino-Öl für die Pizza hat 1000 Scoville. Scoville ist die Einheit, in der die Schärfe der Chilisorte angegeben wird. Es wird dabei die Quantität des Wassers in Millilitern angegeben, die notwendig ist, um einen Tropfen des Chiliextrakts so sehr zu verdünnen, dass man keine Schärfe mehr feststellen kann.

Arno gibt grinsend einen Esslöffel der extrem scharfen Chilimischung in die Füllung, verrührt alles und verteilt sie auf die Paprikahälften. Während er auf jede eine dünne Scheibe Speck legt, knabbere ich an selbst gebackenen Grissinis (natürlich mit Chili) und frage, wie scharf diese für die drei Herren seien. „Es pizzelt ein wenig auf der Zunge“, meint der 46-jährige Sergio. Sergio arbeitet in der Verwaltung der Uni Bozen und baut in seiner Freizeit wie Arno und Mike in seinem Garten Chilisorten an. Er besitzt um die 60 Sorten, die im Treppenhaus seines Hauses stehen. Schon als Kind hat er gerne gekocht, da seine Eltern ihm die Entscheidung überließen, ob er lieber mit in die Kirche käme oder für die Familie koche. Nach und nach begann er sich immer mehr für das Scharfe im Essen zu interessieren – bis er begann, seine Lieblingspflanze selbst anzubauen.

Schärfer geht immer

Die Paprikahäften sind fertig und werden zusammen mit Mozzarella-Scheiben und Rucola serviert. Ich koste gespannt und spüre sofort ein betäubendes Brennen auf der Zunge. Die kühlen Mozzarella-Bissen helfen zwar ein wenig, doch vergeblich: Meine Zunge beschließt für eine Viertelstunde zu streiken. Der Geschmack der Vorspeise ist aber dennoch überwältigend rund und köstlich. Die drei Chilifans scheinen nicht so sehr unter der Schärfe zu leiden wie ich und bringen auch schon die Hauptspeise, die Sergio vorbereitet hat: Hühnerkeulen mit Tandoori-Honig-Würzung und dazu Ofenkartoffeln. Vorsichtig probiere ich das Hühnchen, das meiner Meinung nach perfekt scharf ist – nicht zu viel, nicht zu wenig. Dann eine Ofenkartoffel – und schon wieder brennt mein Mund wie verrückt. Den Brotkorb, der auf dem Tisch steht, habe ich alleine geleert, denn Brot ist das einzige nicht scharfe auf dem Tisch. Während ich darauf warte, meine Zunge wieder zu spüren, erzählt Mike, wie er zu seiner Liebe zu Chilis gekommen ist: Der 33-Jährige bekam zu einem Geburtstag eine Chilipflanze, die gerade in voller Blüte war. Er pflanzte sie in seinem Garten, und weil sie ihm so gut gefiel, kaufte er sich noch andere Sorten – bis er vor dem Computer saß, um nach seltenen Sorten zu suchen. Das tun sie nämlich alle drei: In Tauschforen nach speziellen Samen aus der ganzen Welt fahnden, um sie dann zu kaufen. Auch untereinander tauschen die drei, und gemeinsam haben sie jetzt über 100 Sorten. Im heurigen Herbst wollen sie in der Gärtnerei „xundgarten“ in St. Jakob, wo sie ihre Chilis nun professionell aufziehen, einen Tag lang ihre Chili-Produkte verkaufen.

Wer traut sich?

Nach einem Limoncello (ausnahmsweise chililos) kommt die Nachspeise: Schokolademuffins mit Chili-Kern mit einem Spritzer Chili-Sahne. Klingt zwar gewöhnungsbedürftig, schmeckt aber umso besser. Der krönende Abschluss ist dann flüssiger Natur: Mike hat in seinem Keller etwas Besonderes gelagert: einen Chili-Schnaps. Der besteht ganz einfach aus Wodka und Habanero und Nagasorten, also der Crème de la Crème der scharfen Chilisorten. Damit die Beeren ihre Wirkung besser entfalten können, hat Mike sie zerschnitten. Da Mikes Chili-Schnaps schon berühmt-berüchtigt ist, durchleben Sergio und Arno ein Wechselbad der Gefühle: Sie haben ihn noch nie probiert. Ich muss mir eingestehen, froh zu sein, dass ich keinen Alkohol trinken darf, weil ich noch Autofahren muss, und grinse, als Mike nicht mal einen Fingerbreit des Getränks in die Schnapsgläser einschenkt.

Der Wettkampfcharakter der Chili-Esser kommt zum Vorschein: Wer traut sich? Ich werde beauftragt, bis drei zu zählen, und dann geht es los: Der Schnaps wird geext und die Gesichter verzogen. Mike fängt an zu hicksen, Arno tut es ihm gleich und Sergio, der seinen noch nicht getrunken hat, biegt sich vor Lachen, bevor auch er es wagt. Arno sagt: „Er isch grauen – hicks – hoft“, und fängt ebenfalls an zu lachen.

Nach einer Viertelstunde meint Sergio, es würde jetzt so stark brennen wie vorher bei der Hauptspeise, bei der ich dachte, dass es schärfer nicht mehr gehen könne. Warum muss das sein?

Arno grinst und meint: „Sobald das Brennen nachlässt, ist das so ein geniales Gefühl!“ Und Mike erklärt: „Das ist ganz einfach. Der Körper reagiert auf Schärfe wie auf Verbrennungen und schüttet Glückshormone aus, damit man das besser aushält. Bloß hat man keine Verbrennungen und die Schmerzen lassen schneller nach – und übrig bleiben nur mehr die Glückshormone. Chilis machen glücklich!“.

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