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Barbara Plagg
Veröffentlicht
am 26.02.2021
LebenOffener Brief

Bodyshaming in der Schwangerschaft

Veröffentlicht
am 26.02.2021
Immer wieder berichten Frauen von abwertenden Kommentaren über ihren Körper bei medizinischen Untersuchungen. Das Forum Prävention hat einen Appell verschickt.
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BARFUSS hat bereits Anfang Februar von abwertenden Kommentaren und geschlechtsspezifische Hürden für Frauen, die sich sterilisieren lassen wollen, berichtet. Nun wendet sich die Beratungsstelle infes vom Forum Prävention in einer ähnlichen Problematik mit einem offenen Brief an die Öffentlichkeit und insbesondere an das medizinische Fachpersonal:

Immer mehr Frauen berichten von (ab)wertenden Kommentaren über ihren Körper während der Schwangerschaft seitens der Gynäkolog*innen oder des Fachpersonals während der Vorsorge- bzw. Kontrolluntersuchungen. Meistens geht es um verletzende Bemerkungen über ihre runden Formen oder über die Gewichtszunahme.

Der sich verändernde Körper der Frau ist in der Schwangerschaft zahlreichen gesellschaftlichen Urteilen ausgesetzt, umso wichtiger ist daher die emphatische und sachliche Beratung vonseiten des medizinischen Personals. Esist von allen Seiten unangebracht, den Körper einer Frau in der Schwangerschaft ohne medizinische Belege zu beurteilen, verurteilen oder zu vergleichen.

Frauen werden gesellschaftlich ohnehin für ihr Körpergewicht unter Druck gesetzt. Dabei ist gerade in der Schwangerschaft ein sensibler Umgang mit dem Körper der Frau umso wichtiger. So berichten einige Frauen, ihnen sei seitens des Frauenarztes eine Gewichtszunahme von maximal 1 kg pro Monat, also 9 kg, empfohlen worden — und dies bei einem normalen Ausgangsgewicht (BMI 19-25).

Sieht man sich die Empfehlungen der WHO an, so hängen diese unmittelbar mit dem Ausgangsgewicht der Frau zusammen und lassen Spielraum. Bei einem Normalgewicht (BMI 18,5-24,9) vor der Schwangerschaft empfiehlt die WHO eine Gewichtszunahme von 11,5 bis 16 Kilogramm. (WHO 2016, S. 15)

Die Frage die sich dabei stellt ist, woher die Idee von einer Gewichtszunahme von einem kg pro Monat stammt?

In der Facebookgruppe Südtirols Sisters (SUSI) mit über 2.500 Mitglieder, in der sich Südtiroler Frauen über verschiedene Themen austauschen, wurde das Thema neulich besprochen, nachdem eine im neunten Monat schwangere Frau eine unangenehme Erfahrung beim Gynäkologen gemacht hatte. In der Folge wurde das Thema auch in der vorwiegend italienischsprachigen Gruppe „Group of Sisters“ besprochen. Die Facebookbeiträge schlugen hohe Wellen, eine Vielzahl an Frauen berichtete von ihren bewegenden Erfahrungen. Hier einige Berichte von jungen Müttern und schwangeren Frauen:

“Quando ero incinta ho preso 18 chili e il mio ginecologo mi diceva che ero troppo grassa. Secondo lui avrei dovuto prendere 10 kg al massimo. Ma io non mangiavo eccessivamente e facevo anche tanto movimento. Dopo la nascita di mio figlio ho perso tutti i chili accumulati solo allattando ed ero più magra di prima.”

“Ich bin aktuell im 9. Monat schwanger und traf bei der letzten Vorsorgeuntersuchung auf einen Arzt der Superlative. Nach dem obligatorischen Wiegen ließ er den Spruch fallen: “Sie passen wohl gar nicht darauf auf, was Sie essen.” Ich: “Nein, eigentlich nicht…” Eckdaten: Start meiner Schwangerschaft mit einem Gewicht von 73 kg bei einer Größe von 1,76 cm entspricht einem BMI von 23,3 (Normalgewicht). Aktuelle Zunahme in der Schwangerschaft 14 kg. Dann blickt er zur Krankenschwester und sagt: “Halten Sie fest, Patientin mit ADIPOSITAS.” Wie bitte? Ich perplex und hochschwanger fühle mich, als wäre ich das riesigste Walweibchen, das dieser Arzt je gesehen hat.”

“Ho passato tutta la gravidanza sentendomi in difetto. Ho sempre avuto problemi di sovrappeso ma da incinta sono stata spesso trattata come “non degna”…. Addirittura alla morfologica al 5 mese la dottoressa non mi ha fatto vedere lo schermo perché, detto da lei: “con tutto questo grasso non si vede nulla”. Ero mortificata. In sostanza, oltre alle normali paure che hai in gravidanza, ti trovi ad essere sotto costante esame e giudizio.”

„Ich erwartete Zwillinge, hatte bis zum 9. Monat 22 kg zugelegt, bei einem Ausgangsgewicht von 54 kg. Immer wieder wurde ich von meinem Arzt, einer Koryphäe in seinem Gebiet (darauf beschränkt es sich dann aber auch), ermahnt, Diät zu halten, nix Süßes zu essen etc. Als mache frau sich nicht schon über 100 andere Dinge Gedanken während so einer Schwangerschaft. Dabei waren es bei mir v.a. Wassereinlagerungen. Hatte 2 Wochen nach der Geburt mein Ausgangsgewicht wieder, ohne zu diäten.“

“Anche io ci sono passata. Prima ecografia del mio primo figlio, commento del ginecologo: “questa è la giornata delle sirene!”. Sarebbe dovuto essere il giorno più bello della mia vita, perché avrei sentito per la prima volta il battito del mio bambino, invece quel cretino ha rovinato tutto!!”

„Anfangs des neunten Monats meiner Schwangerschaft habe ich die Grippe bekommen. Von lauter husten konnte ich nicht schlafen. Die Halsschmerzen verhindert die Nahrungsaufnahme. Bei meiner 1,60 Größe und 50 Kg Normalgewicht habe ich 11 Kg zugenommen. Die Aussage des diensthabenden Frauenarztes im KH werde ich nie vergessen: “Medikamente bekommen sie in ihrem Zustand keine. Und dass sie nicht essen können? Das ist bei ihrem momentanen Gewicht eh besser.”

“Quando sono rimasta incinta pesavo 58 kg per 1,70 cm di statura, quindi normopeso. Quando ero di circa 4 mesi andai a fare una visita di controllo e il ginecologo che c’era quel giorno mi ha fatto una ramanzina perché ero aumentata di 4 kg. Io ero scioccata. Ho spiegato al medico che fin da subito avevo cercato di mangiare sano e leggero, tant’è che il mio compagno mangiando quello che preparavo per me era addirittura dimagrito. Lui mi ha dato della bugiarda, dicendomi che in Africa le donne mettono su al massimo 5 kg in tutta la gravidanza e che se non la smettevo di “abbuffarmi” mettevo in pericolo mio figlio. Sono uscita piangendo, sentendomi una merda”.

„Der Besuch bei der Gynäkologin wurde zur Qual: jedes Mal wurde ich aufs Neue ermahnt und zusammengestaucht. Einmal meinte sie, ich solle doch einfach an Stelle von zwei Kugeln Eis, nur eine essen. Dabei war ich nach dem Abstillen ohne jegliche Diät wieder bei meinem Startgewicht.“

“A me è stata fatta pressione perché non prendessi più di 1 kg il mese per entrambe le gravidanze. Alla prima gravidanza sono partita in sovrappeso e ho preso 12kg durante la gestazione e mi è stato detto più volte che sul mio corpo c’era troppa ciccia. Alla seconda gravidanza sono partita normopeso ed ho preso solo 7kg: durante la villocentesi, la morfologica e le varie ecografie di secondo livello che ho dovuto fare, mi è stato detto che siccome avevo tanta ciccia sulla pancia non si riusciva a lavorare bene.”

„Ich war sehr schlank und habe insgesamt 22 kg zugelegt. “So geht das nicht, Frau XY! Wie wollen Sie das Gewicht wieder herunterbringen? Ihnen ist schon bewusst, dass diese Gewichtszunahme…” Ich wollte eine brave Mami sein und habe gefastet wie blöd, ungesalzenen Reis gegessen, keine Süßigkeiten oder gebackenes mehr.“

“Alla prima gravidanza ho preso 14 kg, persi poi facilmente in poco tempo, ma secondo la mia ginecologa avrei dovuto aumentare al massimo un kg al mese.“

„Dass sich während des Kaiserschnitts der Arzt erlaubt hat folgendes zu sagen: “Da sind aber ganz schön viele Fettschichten, der schmeckt wohl die Pasta…”

Das sind nur einige der zahlreichen Aussagen, von denen Frauen berichtet haben. Die meisten haben kaum Informationsgehalt, wenig umsetzbare Ratschläge zum Thema gesunde Ernährung und Adipositas. Wir stellen uns demnach die Frage, was Gynäkolog/inn/en mit solchen Kommentaren beabsichtigen. Die Erfahrungsberichte zeigen, dass Frauen dadurch verunsichert wurden und die Sorge um das ungeborene Kind („Mache ich alles richtig?“) zunahm.

Als Fachstelle Essstörungen im Forum Prävention zählt es unter anderem zu unseren Aufgaben, junge Mädchen und Frauen darin zu unterstützen, sich in ihrem Körper wohlzufühlen. Abwertende und urteilende Kommentare über Gewicht, Aussehen und Figur der Frau in jeglicher Lebensphase haben keinen Platz. Einmal mehrsind wir deshalb auf Zusammenarbeit mit Fachpersonen angewiesen, um gemeinsam für das Thema Body Shaming Sensibilisierungsarbeit zu leisten.

Mit diesem Schreiben möchten wir Sie als Fachpersonen bitten, Frauen in dieser besonderen Phase ihres Lebens zu unterstützen. Jede werdende Mutter will nur das Beste für ihr ungeborenes Kind und versucht mit einer möglichst gesunden und positiven Schwangerschaft dem Kind den besten Start ins Leben zu ermöglichen. Urteilende Kommentare über Gewicht, Figur und Aussehen sind weder nützlich noch hilfreich. Sie sind verletzend. Sollte eine Frau aus gesundheitlichen Gründen an Gewicht verlieren, so sollte man sich die Frage stellen ob die Schwangerschaft der richtige Zeitpunkt dafür ist.

Bitte beachten Sie bei den Untersuchungen, Frauen kompetent und fachgerecht zu informieren. Sie würden damit helfen, werdende Mütter zu stärken und ihnen einen positiven und gesunden Umgang mit dem sich verändernden Körper in der Schwangerschaft zu vermitteln.

Unterzeichnerinnen:

Magdalena Platzer
Barbara Plagg
Raffaela Vanzetta
Petra Schrott
Karin Langes
Patrycja Pierchala
Michèlle Bazzanella
Francesca Zanni
Alba Presotto
Francesca Tania Terracciano
Daniela Depellegrin

Quelle: World Health Organization (2016): WHO recommendations on antenatal care for a positive pregnancy experience

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