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Silke Pernter
Veröffentlicht
am 17.01.2022
MeinungKommentar zur Corona-Jugend

Spaltung statt Entfaltung

Veröffentlicht
am 17.01.2022
Alle schwärmen von der schönen Jugendzeit, den Aufwachsenden von heute bleibt sie aber verwehrt. Eine Schülerin klagt an.
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„Man muss die Zukunft abwarten und die Gegenwart genießen oder ertragen.“ Dieses Zitat stammt von Wilhelm von Humboldt, aber es beschreibt auch die Geisteshaltung der meisten Menschen während der Corona-Pandemie. Der Alltag in einer menschlichen Zivilisation hat sich für alle massiv verändert. Und mit Veränderungen hat man zu kämpfen; vor allem, wenn es sich um größtenteils negative handelt.

Das Institut für Allgemeinmedizin und Public Health an der Landesfachhochschule für Gesundheitsberufe Claudiana hat deshalb eine Studie mit dem Titel „Psychosoziale Gesundheit von Südtiroler Kindern und Jugendlichen im Corona-Frühsommer 2021“ durchgeführt. Die Ergebnisse waren vorhersehbar. Die Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen haben vor allem bei Jugendlichen gravierende Auswirkungen auf den psychosozialen Gesundheitszustand. „Ein Vergleich mit internationalen Daten aus der Zeit vor der Pandemie ergibt eine Verdoppelung der Anzahl von Jugendlichen, welche unter niedriger Lebensqualität leiden“, so ein Ergebnis der Studie der Claudiana.

Und das ist kein Wunder. „Genieße es, solange du jung bist“ oder „Die Jugend ist die schönste Zeit“ wurde uns von älteren Mitmenschen immer gesagt. Die Jugend sollte die Zeit der freien Entfaltung für uns sein. Wir sollten die Chance haben, verschiedene Dinge auszuprobieren und das zu unternehmen, worauf wir Lust haben.

Die Politik spielt bewusst mit der Psyche der Jugendlichen.

Seit der Pandemie geht das nicht mehr. Wir Jugendliche wollen nach wie vor ausgehen und feiern, in den Urlaub fahren, gemeinsam die Zeit gut verbringen. Doch die Pandemie ist eine Zeit der Verwirrung und Unsicherheit. Von einem Tag auf den anderen können die einen Einschränkungen aufgelockert, die anderen verstärkt werden. Heute darf man in die Discos, morgen wieder nicht. Heute darf man überhaupt nicht ins Kino, morgen nur mit 3G, übermorgen dann nur mehr mit 2G und nächste Woche ist es dann wieder komplett geschlossen. Keiner weiß, was die Zukunft noch bringt; alles ist ungewiss.

Klassen wollen gemeinsam auf Klassenfahrt gehen. Maturanten wollen einen Maturaball und fragen sich, wie die Matura aussehen wird. Und dann das Studium im Herbst. Es stellt sich für viele Jugendliche die Frage, ob man ein Praktikum absolvieren werden kann oder nicht. Und wie wird der Urlaub im Sommer ausschauen? Das sind Probleme und Unsicherheiten, die die Jugend vor Corona nicht hatte – die Jugend, die noch frei erwachsen werden durfte.

Die Einschränkungen führen auch zu einer Spaltung zwischen den Jugendlichen. Gewisse Aktivitäten, wie z.B. Kinobesuche, darf man nur mit 2G, mit einem Super-Green-Pass unternehmen. Die Jugend spaltet sich dann in Geimpfte bzw. Genesene und Ungeimpfte. Die mit Super-Green-Pass können dann z.B. gemeinsam ins Kino gehen, während Ungeimpfte zu Hause bleiben müssen. Dadurch werden letztere automatisch aus Gruppenaktivitäten ausgeschlossen, da es ihnen nicht mehr erlaubt ist, an diesen teilzunehmen. Das ist falsch und greift die psychische Gesundheit der betroffenen Jugendlichen an. Doch das ist genau die Absicht solcher Einschränkungen: Die Jugendlichen sollen dadurch, dass sie keine besonderen Aktivitäten mehr mit ihren Freunden unternehmen können, solange sie keinen Super-Green-Pass haben, zu einer Impfung „gezwungen“ werden. Die Politik spielt bewusst mit der Psyche der Jugendlichen.

Das eigene Leben durfte in der echten Welt nicht mehr stattfinden, also versuchten wir, es so gut wie möglich über digitale Geräte zu ersetzen.

Die Studie der Claudiana ergab auch, dass der Konsum von digitalen Medien bei Jugendlichen stark angestiegen ist. Was eine natürliche Folge der Pandemie ist. Als wir noch im Fernunterricht waren, saßen wir allein schon für die Schule stundenlang dem Bildschirm. Zudem konnten wirim Lockdown nicht wirklich aus dem Haus gehen und uns schon gar nicht mit anderen Leuten treffen. Somit war die einzige Möglichkeit zur Kommunikation mit Freunden das Smartphone. Und was hätten wir mit unserer restlichen Zeit anfangen sollen, als sie in Computerspiele, YouTube, Netflix etc. zu stecken, wenn wir die Sachen, die wir sonst gerne gemacht haben, nicht mehr unternehmen können? Das eigene Leben durfte in der echten Welt nicht mehr stattfinden, also versuchten wir, es so gut wie möglich über digitale Geräte zu ersetzen.

Nach dem Lockdown und dem Fernunterricht sanken die Bildschirmzeiten zwar wieder, doch sie sind immer noch höher als in der Zeit vor Corona. Das liegt daran, dass man während des Lockdowns die Vorteile davon entdeckt hat, Angelegenheiten einfach von zu Hause aus über ein digitales Gerät zu regeln.

Die Familie ist in solch schwierigen und verwirrenden Zeiten besonders wichtig. Sie sollte uns Jugendlichen Halt geben; das Maß an Sicherheit und Ordnung herstellen, das es sonst nicht mehr gibt. Doch natürlich belastet die Pandemie auch die anderen Familienmitglieder, nicht nur die Kinder und Jugendlichen. In einer Familie übertragen sich die Sorgen eines Mitglieds auch auf die anderen Familienmitglieder. Das bestätigt die Umfrage der Claudiana: „48 Prozent der Jugendlichen, deren Eltern angaben, die Belastung durch eine pandemiebedingte berufliche Veränderung äußerst stark zu spüren, empfanden ihre Lebensqualität als beeinträchtigt.“

Auch würden sich knapp 60 Prozent der Eltern mehr Unterstützung wünschen. Doch die gibt es nicht. Familien wurden in völlig neue Situationen hineinkatapultiert, in denen ihnen keine Unterstützung geboten wurde. Bei uns Jugendlichen vermischen sich dann die eigenen Sorgen mit den beruflichen und finanziellen Sorgen und Belastungen der Eltern.

Wo bleibt also die schöne Jugendzeit, von der uns immer vorgeschwärmt wurde? Die alle erlebt haben, und die wir nun nicht erleben können?

Uns bleibt nur ein Zustand der Verwirrung und Unsicherheit. Im Grunde herrscht der Wunsch vor, es möge alles zum Alten zurückkehren. Wieder so werden, wie es vor der Pandemie war. Doch das ist schwierig, wenn die Politik mit ihren Regelungen und Einschränkungen weiterhin (und teilweise auch bewusst und vorsätzlich) die Gesundheit und die freie Entwicklung der Jugendlichen aufs Spiel setzt. Wir sollten die Gegenwart nicht nur ertragen müssen, sondern auch genießen können.

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