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Lenz Koppelstätter
Veröffentlicht
am 25.10.2013
Meinung865 Kilometer

Post aus der Heimat

Veröffentlicht
am 25.10.2013
Südtirol wählt. Ich auch. Per Briefwahl. Gedanken zur Wahlwerbung – Teil 1
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In letzter Zeit habe ich viel Post aus Südtirol bekommen. Briefe, Postkarten, eine Umfrage mit Gewinnspiel, die sich komischerweise Referendum nennt und mich fragt, ob ich für „die Selbstbestimmung“ bin, um selbst zu bestimmen, ob ich vielleicht bald wieder Österreicher sein möchte oder Tiroler Staatsbürger oder was auch immer. Zu gewinnen gibt es dabei eine Reise nach Barcelona. (Liebe Umfrage- und Gewinnspielverschicker: Ich fühle mich selbstbestimmt genug, Tiroler bin ich so auch, zu Österreich möchte ich lieber nicht zurück. Was heißt überhaupt zurück? Ich war nie Österreicher. Wenn ein neues Habsburgerreich gegründet wird, dann wäre ich gerne dabei. Das fände ich schön. Ja und in Barcelona war ich letztes Jahr schon und davor auch schon mal. Ich würde jetzt lieber mal nach Sydney, weil es da noch viel wärmer ist als in Südspanien, oder Katalonien oder wie auch immer, das wäre schön, gerade jetzt, da es hier in Berlin schon wieder so kalt wird.)

Wahlkampf in Südtirol – und ich bin jetzt ja Briefwähler. Ich lese, was in und auf den vielen Briefen und Postkarten steht, die ich von einigen Kandidaten bekommen habe. Es steht fast überall das gleiche drin und drauf: „Heimat in guten Händen“, „Sicherheit und Stabilität in unserer Heimat …“, „Wir wählen das Glück für unsere Kinder, in dieser Heimat aufwachsen zu dürfen.“, „… unsere gemeinsame Heimat.“, „Bitte halten Sie Südtirol die Treue …“, „Gruß aus der Heimat!“, „… unsere Heimat Südtirol.“, „Der Heimat verbunden …“, „Die Heimat im Herzen …“.

Das Wort „Heimat“ kommt sehr oft vor. Und man selbst fühlt sich plötzlich wie so ein Heimatferner, der man ja de facto ist, was aber so schrecklich bemitleidenswert klingt. So als ob man im Krieg wäre, an der Front auf Post seiner Liebsten wartend. Der Heimatferne bekommt Post von Zuhause, wo er nicht vergessen wird, wo noch immer an ihn gedacht wird, wo gehofft wird, dass er der Heimat die Treue hält – was immer das auch heißen mag. Ich klickte in den vergangenen Wochen ein bisschen rein in den Südtiroler Wahlkampf, schaute mir die Rededuelle auf der Online-Seite der Neuen Südtiroler Tageszeitung an, schaute mir an, wie die Vertreterin der Freiheitlichen über Moslems in Südtirol schimpfte und wenn ich sie so reden hörte, dachte ich mir, es muss ja ganz schlimm zugehen mittlerweile in Südtirol: Überall Moscheen, der Muezzin ruft zum Gebet, überall Frauen in Burkas, überall Männer mit Sprengstoffgürteln.

Ich gehe von meinem Büro in Berlin-Mitte rüber zum Brandenburger Tor, wo einige afrikanische Flüchtlinge, die von Lampedusa nach Deutschland gebracht wurden, in den Hungerstreik getreten sind. Aus ihrer Heimat sind sie geflüchtet, in Deutschland nicht willkommen. Ich schäme mich plötzlich dafür, dass ich so selbstverständlich in dieser schönen Stadt leben darf und dass ich jederzeit woanders hinreisen kann: nach Barcelona, nach Sydney – nach Südtirol zurückkehren.

Von meinem Büro aus ist es auch nicht weit zur Humboldt-Universität, an der ich studiert habe. Alexander von Humboldt soll einmal gesagt haben: „Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung derer, die die Welt nicht angeschaut haben.“ Das sehe ich auch so. Ich finde, jeder Mensch sollte einmal fremd sein in seinem Leben, woanders hingehen, auf die Hilfe und die Toleranz anderer angewiesen sein. Dann gäbe es weniger Angst vor dem Fremden und weniger Fremdenfeindlichkeit.

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