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Mara Mantinger
Veröffentlicht
am 04.12.2014
MeinungKommentar zum Dialekt

Läuft bei dir?

Veröffentlicht
am 04.12.2014
Heißt es nun „Qwitz“ oder „Quiss“? Ein Plädoyer für mehr Akzeptanz: Für'n Dialekt. Und Hochdeutsch.
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Wenn ich am Wochenende auf dem Weg zu meinem Freund bin, der 300 Kilometer von mir entfernt studiert, dann sitze ich meistens für drei Stunden in einem Auto voller Unbekannter. Wie das bei Mitfahrgelegenheiten so ist, unterhält man sich über sein Studium („Echt? Du studierst Dies-und-das? Meine Freundin studiert das auch!“), über den neuesten Bahnstreik (die Abneigung unter Fernbeziehungs-Menschen gegen Weselsky, den Chef der Lokführergesellschaft, ist schwer vorstellbar) und über gemeinsame Hobbys. Und irgendwann kommt die Frage: „Woher kommst du denn eigentlich? Du hast so ‘nen niedlichen Dialekt.“ Auch wenn ich doch eigentlich Hochdeutsch sprechen wollte. Warum also die Frage nach meinem „Dialekt“?

Um das zu verstehen, muss man die ganze Angelegenheit aus dem Blickwinkel eines Deutschen sehen. Der hat nämlich gelernt, dass Dialekt die „Sprache“ ist, die nur die Unterschicht spricht. Das erklärt auch, warum ich in einem Jahr in der Bildungsbürger- und Studentenstadt Heidelberg nur sehr wenige Deutsche getroffen habe, die einen durch und durch ordentlichen Dialekt gesprochen haben. Und das, obwohl ich in Baden-Württemberg studiere, dem Land, das sich mit dem Slogan „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“ bewirbt.

Dass das so weit kommen konnte, liegt an der Bildungspolitik der 60er- und 70er-Jahre. Damals wurde der Dialekt in den Schulen als „verkommenes, schlechtes Deutsch“ abgestempelt und Dialektsprecher wurden als geistig zurückgeblieben bewertet. Dieses Bild übertrug sich auf die deutsche Gesellschaft – jeder, der nur irgendwie konnte, versuchte mit seinen Kindern Hochdeutsch zu sprechen. Das führte so weit, dass die heutige Generation in Deutschland kaum mehr Dialekt kann. Das höchste der Gefühle bleibt ein regionaler Akzent. Viele haben Schwierigkeiten, ihre dialektsprechenden Großeltern überhaupt noch zu verstehen.

Die Liebe zum Dialekt

Das ist in Südtirol unvorstellbar. Wir lieben unsere Mundart. Wir haben sie uns nicht wegnehmen lassen – auch wenn es bei uns in der Bildungspolitik der Vergangenheit dieselben Tendenzen der Dialekt-Diffamierung gab wie in Deutschland. Das mag zum einen so sein, weil unser Dialekt hochpolitisch war und es immer noch ist. Er ist nicht bloß Identifikationsfaktor, der Wir-Gefühl vermittelt. Er ist auch die Sprache einer Minderheit und grenzt uns somit gegen italienisch-sprachige Südtiroler ab. Die können sich zwar bemühen, Hochdeutsch zu lernen – der Dialekt bleibt für sie aber ein Buch mit sieben Siegeln. Und noch etwas trägt zu seinem Schutz bei.

Wir haben begonnen, zwischen Dialekt und Hochdeutsch aktiv zu trennen. Denn sowohl in Österreich als auch in Deutschland sprechen Schüler in der Schule so, wie sie auch zu Hause sprechen: Die einen Hochdeutsch, die anderen Dialekt bzw. das, was davon übrig geblieben ist. Dasselbe gilt für Lehrer. Da bemüht sich dann höchstens der Deutschlehrer, ein „gepflegtes“ Deutsch zu sprechen. Auch an der Uni wird einem nur „nahegelegt“, so gut wie möglich Hochdeutsch zu sprechen. Aber es kann schon vorkommen, dass jemand in breitem Schwäbisch über komplexe soziologische Theorien spricht. Inwiefern haben wir nun aber einen Vorteil dadurch?

Chance oder Hindernis?

Der Vorteil liegt in der Kraft der Trennung: Linguisten haben beobachtet, dass nur dort, wo aktiv zwischen Dialekt und Hochsprache getrennt wird, beide Formen der Sprache erhalten bleiben. Jeder Form wird eine „Domäne“, das heißt ein Bereich, zugesprochen: Beim Dialekt ist es der Alltag und die Freizeit, bei der Hochsprache die Schule und das öffentliche Leben. Das ist in Deutschland nie passiert. Und nun befindet sich die Bundesregierung in der misslichen Lage, Programme zur Rettung des Dialekts initiieren zu müssen. Deutschland hat seine Sprachen verloren.

Deutschland kann uns ein gutes Beispiel dafür sein, warum wir beidem, Hochdeutsch und Dialekt, seinen Raum lassen müssen. Das bedeutet aber nicht, dass wir uns in völlig getrennten Welten bewegen müssen – denn das eine existiert nicht ohne das andere. Der Dialekt ist kein Hindernis dafür, gutes Hochdeutsch zu lernen, er ist vielmehr die Chance dazu. Und wie so oft, kommt es hier auf den Deutschunterricht an. Der Dialekt darf in der Schule kein Tabu-Thema mehr sein. Nur wer den eigenen Dialekt gut kennt, kann sich der Unterschiede zum großen Bruder Hochdeutsch bewusst werden. Wie wäre es also mit ein paar Stunden Dialekt-Grammatik (ja, auch der Dialekt hat eine Grammatik) oder Dialekt-Kunde? Wer weiß bei uns beispielsweise schon, dass wir eigentlich Bairisch sprechen? Und dass man, wenn man ordentliches Hochdeutsch sprechen würde, nicht „Qwitz“ (wie wir das tun), sondern „Quiss“ sagen müsste?

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