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Vera Mair am Tinkhof
Veröffentlicht
am 26.06.2013
MeinungOne Song One Story

Different Pulses

Veröffentlicht
am 26.06.2013
Manchmal krachen Welten aufeinander, da versteht einer den anderen nicht.
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Different Pulses soll wohl heißen, dass jeder anders tickt. Dass der Sänger das auch tatsächlich sagen will, von dem gehen wir jetzt einfach mal aus, da kann man nicht ewig rumdiskutieren, wo kommen wir denn da hin. Different Pulses hat also jeder, und irgendwie ist das gut, und irgendwie dann doch schade. Weil es zwischen Menschen, die einen anderen Rhythmus haben, immer zu dem Dilemma führt, dass man jeden für einen Idioten hält, der anders tickt als man selbst. Künstler halten Buchhalter beizeiten für bemitleidenswerte Marionetten, RTL-Fans finden Intellektuelle weltfremd bis lächerlich. Lasst einen Marcel Reich-Ranicki vor einer Baustelle referieren – da krachen zwei Welten aufeinander, da versteht einer den anderen nicht. (Nichts gegen Marcel Reich-Ranicki, nichts gegen Baustellen.) Ich bin da so in der Mitte: Halb Prolet, halb belesen.

Neben dem Studium habe ich mal bei einem Theater mitgeholfen, weil Jura wirklich alles Kreative in einem tötet, da braucht man einen Ausgleich. Das war schon spannend, aber ich konnte da intellektuell einfach nicht mithalten. Ich hätte bei der zweiten Probe für eine Szene schon gesagt: Super, passt. Wenn alle ihren Text können, die Requisiten an Ort und Stelle sind – alles gut. Aber weit gefehlt. Stundenlang wurde da geprobt und ausgebessert. Dieser Blick musste aufgegriffen, jene Handbewegung anders gemacht werden – und ich habe mich irgendwann beim beschämenden Gedanken erwischt, dass doch jetzt mal gut ist, das ist doch Hirnwichserei. Beim dramaturgischen Teil wurde rumgerätselt, ob diese oder jene Textstelle geändert werden sollte, ob das eigentlich aussagt, was es sagen will, und ich saß da und sehnte mich zurück zu meinem Strafrechtwälzer. In einer Tanzszene sollten drei Schauspielerinnen Putzfrauen verkörpern. Bis das klar war, verging einige Zeit, weil die politisch korrekte Choreographin das Wort Putzfrau partout nicht in den Mund nehmen wollte.

Ist ja alles gar nicht schlimm, wir haben uns trotzdem alle gut verstanden. Intellektuelle Integration vom Feinsten war das.

Bei der Bewerbung für eine Journalistenschule stellte sich das Ganze als größeres Problem heraus (Den Namen der Schule kann ich hier nicht nennen – ich weiß nicht, wie grausam die mit Leuten umgehen, die Interna preisgeben). Jedenfalls war es die deutsche Kaderschmiede für angehende Journalisten, so sagt man zumindest. Dort werden jedes Jahr zwanzig handverlesene Nachwuchstalente ausgebildet, die danach meist direkt zum „Spiegel" und zur „Zeit“ wechseln dürfen. Ich hab mich da also mit zwei Texten beworben und durfte dann auch zur Endrunde nach Hamburg. Zuerst war neben einem Wissenstest eine Reportage auf der Reeperbahn dran. Die lief gut, ich ging da auch mit vollem Einsatz ran. Ich setzte mich neben schmuddeligen Männern ins Sexkino, trank mit einer Stripperin und ließ mich aus dem Men's Only-Puff schmeißen – das muss doch was werden, dachte ich mir. Dann aber kam das Gespräch mit der Prüfungskommission, und alles ging den Bach runter. Ich saß da mit zwei Mitbewerberinnen vor Chefredakteuren und Ressortleitern aller namhaften Zeitungen und musste in knapp zwanzig Minuten zeigen, was ich drauf habe.

Zu Beginn sprachen wir darüber, warum wir überhaupt Journalisten werden wollen. Ich sagte, weil ich da glaube ganz gut darin zu sein, Deutsch war in der Schule immer mein bestes Fach, und man soll ja was machen, was man kann. Lehrerin oder Mick Jagger zu werden sei sicher auch schön, aber da hätte ich kein Talent dafür. Ach so, sagten die Prüfer dann. Bewegt hat sie mein Pragmatismus nicht. Die zwei anderen Bewerberinnen machten das besser und schwangen große Reden: Die „deutsche Journaille“ möchten sie verbessern und Botschaften senden und dergleichen mehr. Von der Jury kam zustimmendes Nicken. Ich merkte schon: Journalist ist hier kein Job, sondern eine Berufung. Bei der Frage nach Auslandserfahrungen hatte ich im Vorfeld einen Sommer in Spanien erwähnt, der wirklich lustig war. Die zwei neben mir erzählten von Freiwilligenarbeit in bulgarischen Suppenküchen. Da konnte ich nicht mithalten.
Was wir von Online Medien halten, wurden wir auch gefragt. Die links von mir meinte, dass die ganz furchtbar seien und hielt eine Schmährede auf die Digitalisierung des Zeitungswesen, weil das „haptische Erlebnis“ ja unersetzlich sei – und die stellvertretende „Zeit"-Chefredakteurin rief ganz entzückt aus: „Ach, gute Frau, sie haben ja völlig recht.“ Zwei Schwestern im Geiste, und ich stand außen vor. Ich hätte mir „Print rockt!" in fetten Lettern auf mein Shirt drucken sollen, das hätte vielleicht was rausgerissen.

Am Ende spielten die Prüfer uns den Ball zu: Ob wir noch eine Frage hätten? Die Mitbewerberinnen fragten was Tolles zum Journalismus im Generellen, zur Zukunft der Schreiberlinge und so weiter, und mir fiel nichts Besseres ein als: „Ist es schlimm, wenn ich bei der Reportage ein paar Hundert Zeichen überzogen habe?“ Ja, so war das. Ich hatte nichts Weltbewegendes im petto. Ich hätte die Leute vom „Spiegel" fragen können, warum sie den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück immer so fertig machen, nur weil er Geld verdient, aber das hätte wohl auch nichts genützt. Als dann per E-Mail die Absage kam (mit dem Tipp, ich sollte mich das nächste Mal doch besser auf das Gespräch mit der Prüfungskommission vorbereiten), war das schon in Ordnung. Wir waren einfach nicht kompatibel. Different Pulses halt.

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