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Petra Schwienbacher
Veröffentlicht
am 23.03.2015
LeuteIm Gespräch mit einem Trennungsvater

„Für Kinder sehr schlimm“

Veröffentlicht
am 23.03.2015
Michael Bockhorni ist der Gründer der Initiative „Väter aktiv“. Über Supermänner und warum Väter bei Scheidungen häufig die Verlierer sind.
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Bis dass der Tod euch scheidet … Das ist heutzutage immer seltener der Fall. Wenn eine Liebe erlischt, bleiben oft nur Auseinandersetzungen, die im Falle von Kindern in Sorgerecht- und Unterhaltsstreit enden. Die Leidtragenden sind dabei die Kinder. Aber auch die Väter bleiben oft auf der Strecke, sagt Michael Bockhorni, der Gründer der Initiative „Väter aktiv“. Diese kümmert sich um die Anliegen der Väter, bietet Beratung und Unterstützung am Telefon und in Selbsthilfegruppen. Es gibt eine Besuchswohnung, falls Väter sonst keine Möglichkeit haben, ihre Kinder zu sehen, und der Equal Parents Day wurde ins Leben gerufen.

Michael Bockhorni, 57 Jahre alt und selbst Vater von einer 14-jährigen Tochter und einem 16-jährigen Sohn, gründete den Verein im Sommer 2013. Seit fünf Jahren lebt der gebürtige Wiener in Südtirol. Vorher lebte er zusammen mit seiner Freundin, einer Südtirolerin, zehn Jahre lang in Österreich. Nach der Trennung zog seine Partnerin mit den damals sechs und acht Jahre alten Kindern zurück nach Südtirol. Um den Kontakt zu Tochter und Sohn nicht zu verlieren, suchte sich Bockhorni einen Job in Südtirol und zog hierher. Bei einem Macchiato in der Konditorei Überbacher in Algund beginnt das Interview.

Wie ist es Ihnen bei Ihrer Trennung ergangen? Durften Sie Ihre Kinder sehen?
Am Anfang war es schwierig. Wir lebten nur in einer Lebensgemeinschaft, insofern war es nicht juristisch geregelt. Zwei Jahre nach der Trennung bin ich hergezogen. Wir haben eine Mediation gemacht und eine gute Regelung gefunden: Ich hatte etwa 30 bis 40 Prozent der Betreuungszeit. Das ging eine Zeit lang recht gut, dann kam die Pubertät und es wurde problematisch. (lacht) Das war zwei Jahre sehr emotional, aber jetzt ist es besser und jetzt läuft es wieder recht gut.

War Ihre private Geschichte mit ein Grund, dass Sie die Initiative Väter aktiv gegründet haben?
Sicher. Ich ging damals zu der Männerinitiative, einem Verein der sich auch um Trennungsväter kümmert, und habe mich dort beraten lassen. Dann war ich eine Zeit lang im Vorstand aktiv. Es gab aber unterschiedliche Auffassungen, deswegen habe ich mit anderen Trennungsvätern den Bereich Väter aktiv gegründet.

Wie ergeht es Trennungsvätern? Wie sieht es mit Unterhalt und Sorgerecht aus?
Die gesetzliche Basis in Italien ist sehr fortschrittlich. Es tritt bei einer Trennung automatisch ein gemeinsames Sorgerecht in Kraft. Ein alleiniges Sorgerecht kommt nur selten und in besonderen Fällen vor, wie zum Beispiel bei Gewalt. Das heißt aber nicht, dass es ein gemeinsames Besuchs- oder Betreuungsrecht gibt. Sorgerecht bedeutet nur, dass Entscheidungen über die Schule, Medizin usw. gemeinsam getroffen werden müssen. Das Gesetz sagt zwar, dass das Kind einen alltäglichen Kontakt zu den Eltern haben soll, die Betreuung geteilt ist und sich der Unterhalt nach dem Einkommen richtet. Das ist aber nicht der Fall.
Das Besuchsrecht hat sich hierzulande eingespielt: Jedes zweite Wochenende und einmal pro Woche. Der Unterhalt ist auf 350 Euro pro Kind pauschalisiert. Wir haben einzelne Fälle wo der Unterhalt sogar höher ist als das Einkommen. Das kann nicht im Sinne der Familie sein. Zum Glück gibt es jetzt ein Umdenken und einzelne Gerichtsurteile, die realistischer sind.
Es gibt auch ein Problem mit der Wohnsituation. Wenn die Wohnung der Frau zugesprochen wird, kommen Männer in eine Wohnungsnotsituation. Da muss die Provinz handeln. Ein lang gehegter Wunsch von Väter aktiv sind dringend gebrauchte Krisenwohnungen, eine Art Übergangswohnungen. Es gibt Beispiele in der Schweiz und in Deutschland. Oftmals tragen sie sogar zum Erhalt der Ehen bei, weil die Partner für einige Monate Abstand voneinander bekommen.

Welche Auswirkungen hat die Trennung auf die Familie, auf Väter selbst und auf die Kinder?
Es bricht ein ganzer Lebensentwurf zusammen. Das ist vielleicht auch der Grund, warum es die Rosenkriege gibt. Die Chance ist groß, dass Rechnungen beglichen werden wollen und es zu Eskalationen führt. Unsere Erfahrung ist, dass sich die Lage nach ein bis zwei Jahren beruhigt, wenn beide Partner wieder zu Besinnung kommen. (lächelt)
Es gibt aber auch einzelne Fälle, in denen es eskaliert und Väter ihre Kinder über Jahre nicht sehen. Das ist für die Kinder sehr schlimm. Es gibt aber auch Scheidungskinder, die es relativ gut überstehen und Paare, die alles bereits vorher klären und bei der Scheidung Vereinbarungen treffen, denn zwei Drittel der Scheidungen werden einvernehmlich gemacht.

Sie sagen, manchmal würden Väter ihre Kinder über Jahre nicht sehen. Haben sie zu wenig Rechte oder werden sie nicht durchgesetzt?
Nein, es gibt dafür Strafbestimmungen im italienischen Recht. Das Problem liegt an der Differenz zwischen der Rechtsgrundlage und der Rechtsprechung. Die Strafen werden nicht angewandt. Ich kenne kaum Fälle, in denen Geldstrafen ausgestellt werden. Es gibt einige Männer, die sich dann an die Carabinieri wenden, aber das trägt nicht unbedingt zur Verbesserung bei, wenn die Carabinieri zur Familie nach Hause kommen und das Kind abholen. Meiner Meinung nach kommt es darauf an, was das Gericht oder eine Familienberatung sagt, denn zum Teil gibt ein zu einseitiges Verständnis und das geht nicht. Wenn alle involvierten Personen sagen würden „das geht nicht, das ist nicht gut für die Kinder“, dann würde sich die Sache anders entwickeln.

Wie hat sich die Rolle des Vaters oder des Mannes allgemein im Laufe der Zeit verändert?
In den vergangenen 20 Jahren haben Väter eine starke Rollenverständnis-Veränderung durchlebt. Ihnen wird wichtiger, mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen und das tun sie auch. Bei Väter aktiv haben wir Vollzeitväter, also Hausmänner, die sich um die Kinder und den Haushalt kümmern, dann gibt es Teilzeitväter, wie Freiberufler, Künstler und Landwirte, die sich die Zeit für ihre Kinder flexibel einteilen. Bei zwölf Vätern, die sich um die Kinder kümmern, sind aber nur zwei in Elternzeit angemeldet. Die anderen scheinen in der Statistik also nicht auf.

Heute ist häufig ein Supermann gefordert, der arbeiten geht und im Haushalt und bei der Kindererziehung hilft. Schafft man das überhaupt?
Wenn man 75 Prozent arbeitet, geht es locker, sofern man nicht pendeln muss, aber wenn man Vollzeit arbeitet sicher nicht. Ich habe selbst nach der Geburt zwei Wochen Urlaub genommen und habe dann ab dem ersten Lebensjahr meines Sohnes Teilzeit gearbeitet. Hier in Südtirol musste ich dann Vollzeit arbeiten. Das war eine Forderung, die mich überrascht hat. Das ist hier leider so üblich und es ist nicht sehr akzeptiert, dass Väter in Teilzeit gehen. Da muss sich etwas verändern.

Was wäre die optimale Lösung?
Das Ideal wäre sicher, wenn beide Elternteile 75 Prozent arbeiten. Dann ist die Einkommenseinbuße nicht so groß, beide haben eine Absicherung. Es gibt weder einen Gehaltsunterschied noch einen Pensionsunterschied. Man hat weniger Lohnnebenkosten, das heißt das gesamte Familieneinkommen ist höher und die Diskriminierung der Frau würde aufhören. Wenn Männer und Frauen in Teilzeit gehen würden, dann würden die Gehaltsunterschiede, die Karriereknicks wegfallen. Das wäre für die Familie und für Frau und Mann ideal. In die Richtung muss es gehen.

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