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Matthias von Wenzl ist mit seinen 19 Jahren bereits äußerst engagiert. Er besucht die vierte Klasse der Wirtschaftsfachoberschule in Innichen und ist seit fast zwei Jahren Vorsitzender des Schülerbeirates. Ich treffe ihn im Cafè des Hotels Laurin in Bozen. Der Innichner ist mit dem Zug gekommen: Nach dem BARFUSS-Interview (Dienstag, Anm. d. Red.) nimmt er für RAI Südtirol an einem Pro und Contra zum Thema „Belastung an der Schule” teil. Von Wenzl bestellt einen Macchiato und ein Glas Leitungswasser, das Interview beginnt.
Was macht für dich einen kompetenten Lehrer und guten Unterricht aus?
Eine interessante Frage. Es ist unheimlich wichtig, dass ein Lehrer seine Schüler motivieren kann. Der Unterricht sollte nicht nur aus Frontalunterricht bestehen. Es bringt wenig, wenn ein Lehrer stundenweise vor der Klasse steht und „labert” und der Schüler hat womöglich keine Ahnung, um was es geht. Dann ist es ein reines Gelerne, aber kein Verstehen. Wenn ich beispielsweise Jahreszahlen für den Geschichtsunterricht auswendig lerne, habe ich zwei Wochen nach dem Test wieder vergessen, wie das Geschehen zeitlich einzuordnen ist. Das ist schade.
Bei der PISA-Studie werden Jugendliche über einen pauschalisierten Test beurteilt. Wird dieser überhaupt allen gerecht?
Der PISA-Test ist ein heißes Eisen. Ich halte nicht wirklich viel von PISA und rate jedem den Film „Alphabet“ des Dokumentarfilmers Erwin Wagenhofer anzusehen. Er gibt Aufschluss über die PISA-Studie und sagt unter anderem auch, PISA ist nur dazu da, um die Wirtschaft anzukurbeln, sprich den Konkurrenzkampf zwischen den Ländern heraufzubeschwören. China ist nach wie vor Nummer Eins in allen Bereichen des PISA-Tests, hat laut dem Film aber die höchste Selbstmordrate unter den Schülern.
Erwachsene sagen oft, dass junge Leute trotz aller Möglichkeiten und den ganzen Ausbildungen, die sie absolvieren, dennoch nicht wüssten, was sie wollen. Ist dieser Vorwurf gerechtfertigt?
Wir haben sicher mehr Möglichkeiten als unsere Eltern damals, aber der Leistungsdruck ist sicher höher als vor zwanzig Jahren, davon bin ich überzeugt. Ich glaube es ist oft der Fall, dass wir jungen Menschen fast schon erschlagen werden von den vielen Möglichkeiten. Viele kommen auf eine 36-Stunden-Woche, die Hausaufgaben noch nicht mitgezählt. Wenn das Familienverhältnis dazu nicht stimmt, kann es ganz leicht zu einer Überlastung der Schüler kommen.
Ist die Angst gegenwärtig, dass man gut ausgebildet ist, aber dennoch keine Arbeit findet?
Ich glaube als junger Südtiroler braucht man sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, dass man keine Arbeit findet. Ob es gleich der Traumjob ist, lassen wir mal dahingestellt.
Ist die Fünftagewoche deiner Meinung nach sinnvoll? Viele Schüler klagen über mehr Stress …
Ich bin ein großer Befürworter der Fünftagewoche. Es wurden Umfragen nach Einführung der Fünftagewoche gemacht, die eine Zufriedenheit von 80 bis 90 Prozent bei den Schülern bestätigt. Ich rate jedem, die Fünftagewoche zu testen. Es ist sicherlich ein bisschen Stress mehr, weil der Samstag fehlt, dann hat man am Tag mal zwei oder drei Schularbeiten. Man muss sich die Zeit gut einteilen, sonst wird es ziemlich stressig. Im Enddeffekt überwiegt aber die Erholungsphase des freien Samstags.
Sollte man den Jugendlichen mehr zutrauen?
Wir arbeiten an den Schulen nach einem alten Modell, welches eingeschränkt in der Eigenverantwortung ist. Ich glaube, man könnte den Jugendlichen mehr zumuten. Wir haben aus meiner Sicht einen guten Vorschlag gemacht: Stunden reduzieren und Nachmittagsangebote an den Schulen anbieten. Es würde dann so aussehen, dass der Schüler in Eigenverantwortung entscheiden kann, ob er das Angebot wahrnimmt.
Ziel ist eine Fünftagewoche plus einmal Nachmittagunterricht.
Ja, das wäre unser Traum.
Bleibt der Schulstoff dabei gleich oder wird er auch reduziert?
Der Schulstoff muss natürlich auch reduziert werden, sonst geht der Schuss nach hinten los. Der Lehrer hat viel weniger Zeit, mir den Stoff zu erklären und ich müsste vieles zu Hause alleine lernen. Das darf nicht passieren. Wir glauben aber, dass da sehr großes Potential vorherrscht, dass man Sachen findet, die man ohne Probleme kürzen kann. Ich nehme wieder das Beispiel des Geschichteunterrichts, den man sicher überarbeiten müsste. Denn ist es sinnvoll, in der ersten Oberschulklasse mit der Steinzeit zu beginnen und, wenn ich einen guten Geschichtelehrer habe und es die Zeit erlaubt, in der fünften Klasse vielleicht beim Zweiten Weltkrieg lande, aber relativ wenig aktuelle Themen behandle, weil die Zeit fehlt?
Es würde dann idealerweise so ablaufen, dass die Schulstunden gekürzt werden und am Nachmittag Angebote stattfinden, die frei wählbar sind.
Genau, es sollte dann so aussehen, dass zum Beispiel der Deutschlehrer einmal Rechtschreibhilfe anbietet für Schüler, die sich schwer tun, und einmal eine beliebige Literatur behandelt, welche kein Pflichtprogramm ist, manche Schüler aber interessiert.
Glaubst du nicht, dass es viele Schüler ausnutzen und sich gemütliche Nachmittage machen würden, wenn diese Angebote freiwillig sind?
Das kann natürlich der Fall sein. Aber wenn man mit dieser Einstellung eine Oberschule besucht, dann wird man immer Schwierigkeiten haben, davon bin ich überzeugt. Spätestens wenn es dann wirklich darauf ankommen sollte, ob man durchkommt oder nicht, wird jeder normaldenkende Schüler sich reinknien. Wenn er dann auch noch keine Hilfe in Anspruch nimmt, ist er selber blöd, entschuldige die Aussage.
Was erwartest oder wünschst du dir von Achammer als neuen Landesrat für Schule und Bildung? Hast du dich schon mit ihm getroffen?
Ich hab mich schon mal mit ihm getroffen, allerdings nicht offiziell. Ich glaube er versteht als junger Mensch unsere Anliegen besser, als ein Politiker, der vielleicht schon 30 Jahre im Landtag sitzt. Er bringt sicher einen frischen Wind. Er hat versprochen die Belastung an den Schulen zu senken. Wir sind zurzeit am Ausarbeiten eines neuen Mitbstimmungsgesetzes, bei dem Schüler und Eltern mehr Mitspracherecht haben.
Bei einer Umfrage haben über 80 Prozent der befragten Schüler bekundet, dass sie mit dem Status quo zufrieden seien.
Da lief einiges nicht objektiv ab. Es wurde Schülern gesagt, dass wir nur Stunden kürzen wollen und keinen Stoff. Das geht natürlich nicht. Zum anderen war es bei der letzten Oberschulreform so, dass Stunden aus teilweise fachspezifischen Fächern gekürzt wurden und das stört viele Schüler, wie ich aus Rückmeldungen höre. Sie haben Angst, dass wieder solche Fächer gekürzt werden. Das ist aber natürlich nicht sinnvoll, weil darunter die Qualität der Schulbildung leidet. Ich verweise auf das Schulamt, da kamen ganz andere Zahlen bei solchen Umfragen heraus.
Danke für das Interview!
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